Erklärungsnot im Vorstellungsgespräch
Ich habe im Januar dieses Jahres mein Arbeitsverhältnis gekündigt weil ich es einfach nicht mehr ausgehalten habe. Eine Weile musste ich zwei Arbeitsstellen gleichzeitig ausfüllen, eine davon zwar nur kommissarisch, dafür aber nach kürzester Zeit in vollem Umfang. Nach einer Weile habe ich gesundheitliche Probleme bekommen und bat um etwas Entlastung. Durchgehalten habe ich eigentlich nur, weil man mir eine weitere Beschäftigung nach Ablauf des vereinbarten Jahresvertrages in Aussicht stellte und ich dachte, dass dann ja alles besser werden müsse.
Weit gefehlt, denn mit dem zweiten Jahresvertrag erging es mir nicht wirklich besser. Zwar hatte ich offiziell nur noch eine Position zu bekleiden, diese wurde aber soweit ausgebaut dass ich nicht mehr wusste wo mir der Kopf steht. Ich hatte weder eine Einarbeitung, noch verriet man mir was und in welcher Form von mir verlangt wurde. Auf Nachfrage hieß es nur „wir schauen mal, Sie machen das schon.“ Ich erledigte meine Aufgaben also nach bestem Wissen und Gewissen und bekam von den Kollegen und Vorgesetzten sehr positive Resonanz. Nur der Chef der Firma, dem ich direkt unterstellt war, konnte kein gutes Haar an mir lassen.
Ich leistete Überstunden um das Pensum zu schaffen und „eilige Sonderaufträge“, die man mir kurz vor Feierabend reinreichte noch zum Abschluss zu bringen. Gesundheitlich ging es mir immer schlechter, bat ich um Umstrukturierung oder eine Hilfe bekam ich zu hören dass ich rein rechnerisch ja gar nicht ausgelastet sei. Ich hatte immer mehr den Eindruck, dass mein Chef mich nicht so wirklich mochte und die Chemie einfach nicht stimmte. Zum guten Schluss wurde ich für jeden Fehler, egal wer ihn gemacht hatte, verantwortlich gemacht. Mein Selbstwertgefühl litt so sehr darunter, dass ich mir kaum noch etwas zutraute und jeden Schritt anzweifelte. Der körperliche Zusammenbruch folgte im Januar, die Kündigung schien mir der einzige Ausweg. Seit dem bin ich arbeitsuchend.
Ich habe schon zahlreiche Bewerbungen geschrieben und wurde auch schon mehrfach zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Von meinen Qualifikationen sind alle immer ganz angetan, aber natürlich kommt in diesen Gesprächen immer der Zeitpunkt zu dem ich gefragt werde, warum ich meinen letzten Arbeitsplatz gekündigt habe. Und genau da liegt das Problem: Bislang war ich immer ehrlich, habe meine Geschichte erzählt ohne dabei zu werten, zu beleidigen oder auf die Tränendrüse zu drücken. Ich dachte, „Ehrlich währt am längsten“ und legte die Karten auf den Tisch. Die Reaktion meiner Gesprächspartner war bis jetzt eigentlich immer gleich: ein dünnes Lächeln und „wir rufen sie dann an“. Ich habe den Eindruck, dass man mich für nicht belastbar hält wenn man die Geschichte nur kurz erzählt bekommt. Persönlich halte ich mich aber schon für belastbar, eben nur nicht unbegrenzt!
Ich möchte unbedingt wieder Arbeiten, mir fällt die Decke auf den Kopf und ich möchte nicht weiter auf Arbeitslosengeld angewiesen sein. Jetzt drängt sich mir dir Frage auf, wie ich die Frage des „Warum“ künftig so beantworten kann, dass sie nicht mehr abschreckt. Ich wollte nicht lügen und behaupten, ich hätte zum Beispiel schon einen anderen Job in Aussicht gehabt, im letzten Moment habe sich das aber zerschlagen, oder ähnliches. Ein Arbeitsverhältnis ist ja auch ein Vertrauensverhältnis. Mittlerweile frage ich mich allerdings ob ich nicht doch besser auf die Wahrheit verzichten soll.
Was meint ihr dazu? Ehrlich bleiben bis zum bitteren Ende? Habt ihr einen Tipp für mich? Ich bin für jede sachliche und konstruktive Kritik, Anmerkung oder Empfehlung dankbar.
Ehrlichkeit an sich ist schon mal der richtige Weg - allerdings kann ich mir gut vorstellen wie der zukünftige Arbeitgeber sich fühlt, wenn er dir bei deiner Geschichte lauscht.
Ja - sei ehrlich, aber erzähle nie eine Geschichte. Halte dich kurz, skizziere zu Hause vorher was genau du aussagen willst und dann belass es bei ein paar Sätzen. Du könntest zum Beispiel auch sagen, das du dich beruflich verändern wolltest und in der alten Firma keine Chance dazu hattest.
Das man dich überbelastet hat solltest du nicht erwähnen - denn jeder Arbeitgeber stellt sich dann die Frage, ob du wirklich wegen der Menge überfordert warst und nicht wegen dem Zeitdruck und dem Druck der Verantwortung. Ein Arbeitgeber will überzeugt werden und nicht als Therapeut agieren müssen. Versteh mich nicht falsch, aber man kann es halt auch sehr übertreiben mit dem was man sagt. Fakt ist, das der Arbeitgeber sich keinen labilen Arbeiter leisten kann, denn der kostet Zeit und Geld. Deshalb fallen sehr viele durch, weil sie erst einmal ihre halbe Lebensgeschichte erzählen. Dabei ist es keineswegs böse gemeint vom zukünftigen Arbeitsgeber, sondern nur reell, das er sich das vermeintlich "kleinste Übel" ins Boot holt - und auch damit kann er auf die Nase fallen. Aber ein wenig Risiko gibt es ja überall.
Die Idee mit der beruflichen Veränderung kam mir auch schon, allerdings ist es ja schon ein wenig unglaubwürdig. Der normale Hergang wäre ja dann eigentlich aus ungekündigter Position eine neue Stelle zu suchen und nicht erst mal alles hinzuschmeißen, oder?
Ich kann vollkommen nachvollziehen was Du meinst wenn Du sagst dass man „es halt auch sehr übertreiben kann“; aus diesem Grund fasse ich mich ohnehin schon recht kurz und versuche mich soweit es geht wertfrei auszudrücken. Ich benutze meistens die Formulierung, dass ich auf Grund der monatelangen Doppelbelastung gemerkt habe, dass sich gesundheitliche Probleme anbahnen. Und ich mich - nachdem Gespräche mit den Vorgesetzten keine Veränderung bewirkt haben – dazu entschlossen habe das Unternehmen zu verlassen bevor ernsthafte Beeinträchtigungen entstehen. Ist das schon „sehr übertrieben“?
Ich glaube, ein Außenstehender kann das einfach besser beurteilen. Ich bin in den Schuhen halt gegangen und für mich ist diese Aussage derart abgeschwächt dass sie im Vergleich zu dem, was tatsächlich passiert ist, total lächerlich wirkt. Wenn sie bei einem potentiellen Arbeitgeber aber tatsächlich dazu führt, dass er bedenken hat mir später den Therapeuten geben zu müssen ist das natürlich weit am Ziel vorbeigeschossen. Noch Tipps?
An deiner Stelle solltest du eher einen anderen Grund als Begründung finden. Wenn du mir beim Vorstellungsgespräch diese Geschichte vorsetzen würdest, würdest du ebenfalls wohl nur ein müdes lächeln bekommen. Denn zwischen den Zeilen gelesen kommst du als nicht belastbar, unkoordiniert und nicht teamfähig rüber.
Die Wahrheit sagen ist schon eigentlich der richtige Weg. Wenn irgendwann herauskommt, dass Du im Vorstellungsgespräch gleich gelogen hast, kann das ganze schwierig werden, vor allem wenn man deine Geschichte nachprüfen kann.
Es ist aber auch immer ein Unterschied wie man die Wahrheit sagt. Ein ganz bekanntes Beispiel, mal nicht aus der Arbietswelt ist der Tod. Es ist ein grober Unterschied, ob man sagt, mein langjähriger Kollege ist leider verblichen oder ob man sagt das Arschloch ist endlich verreckt. In beiden Fälle ist die selbe Person gestorben. Verstehst du was ich meine? Manager schaffen es ja auch immer, unangenehmes so zu benennen, dass es sich irgendwie angenehmer anhört.
Warum hört sich die Formulierung, du wolltest Dich beruflich verändern, unglaubwürdig an? Irgendwelche Träume wirst Du ja gehabt haben, wo Du statt dessen hin wolltest. Letztlich wolltest Du doch genau das: Beruflich etwas anderes machen. Du wolltest den alten Job nicht mehr und statt dessen bald in einer anderen Firma anfangen. Dass Du da keine konkreten Pläne hattest, muss man ja niemanden auf die Nase binden, lasse deine Zuhörer ruhig davon ausgehen, dass du was anderes in Aussicht hattest. Das ist jetzt zwar krümelkackerisch, aber so lange man das nur stillschweigend annehmen lässt, ist das ja nicht gelogen, weil man nichts gesagt hat. Später kann man dann immer reinen Gewissens sagen, das war ein Missverständnis und dass man das nie gesagt habe, weil man es ja nie gesagt hat. Dann hast du aber schon die Stelle.
Ich vermute mal, dass da auch niemand böse ist, wenn Du nicht sagst, wo du (angeblich) anfangen wolltest. Wenn jemand nachhakt, kannst Du ja bluffen und sagen, dass Du das aus Datenschutzgründen leider nicht sagen möchtest. Gelogen ist das im engeren Sinne auch nicht, weil Du ja auch nicht gesagt hast, wessen Daten du schützen willst. Man kann das aber auch so interpretieren, dass Du Firma XY versprochen hast, nicht zu verraten, das da Projekt wo Du eingesetzt werden solltest geplatzt ist.
Die andere Möglichkeit ist, dass Du jetzt die Zeit sinnvoll nutzt und dich in eine Richtung die Dir liegt fortbilden lässt. Dann kannst Du total überzeugend sagen, dass Du Dich in die Richtung, die Du mit deiner Fortbildung belegt hast, weiter entwickeln wolltest, weil Du in der alten Stelle entdeckt hast, dass genau das dein absoluter Traumjob ist. Wenn das Profil der Fortbildung dann noch zu der Stelle passt, wo Du dich bewirbst, dann ist das doch top, oder? Schließlich wollen Chefs ja Mitarbeiter, die total scharf darauf sind, genau die Arbeiten zu tun, die sie zur Verrichtung ausgeschrieben haben.
Ehrlichkeit währt am längsten, das ist wirklich so. Aber bei der heutigen Arbeitswelt und dem vielen Wettbewerb muss man finde ich nicht immer ehrlich sein! In deinem Fall würde ich es als Notlüge bezeichnen, wenn du das mit dem Arbeitsplatzwechsel ein wenig verblümst und das mit der Belastung einfach mal weg lässt!
Schwierig wird es dann erst wenn dein neuer Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis von deinem früheren Beschäftigungsverhältnis haben möchte . Also musst du ein wenig abwiegeln wie du dich da am besten verkaufst! Du musst in dem Arbeitgeber das Gefühl wecken: "Mensch den will ich, der hat genau die Voraussetzungen die wir benötigen". Das bedeutet natürlich auch das du dich vor einem Vorstellungsgespräch richtig informierst!
Ich würde auch ehrlich sein, aber es knapp halten. Dein Gegenüber braucht keine Details. Ich denke das sowas wie ein: Die Ziele zwischen dir und deiner Firma haben nicht mehr gepasst und du suchst eine neue Herausforderungen, die dich weiterbringt.
Ich denke nicht das irgendwer dann noch nachhackt und fragt warum dann kein Aufhebungsvertrag oder warum du nicht geblieben bist, bist du etwas neues hast. Neue Herausforderung und weiterbringen sind immer tolle Wörter, die neue Arbeitgeber gerne hören
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