Die Erhöhung von Hartz 4 ist Unsinn
vom 26.09.2010, 17:08 Uhr
Subbotnik hat geschrieben:JotJot hat geschrieben:Da kann doch auch von Geringverdienern weniger Protest kommen, weil dann alle Kinder profitieren können.
Ja, aber warum soll man denn den Eltern die Mündigkeit über die finanziellen Mittel absprechen? Auch diese Dinge fallen unter menschenunwürdig.
Wobei ich mal anmerken möchte, dass "menschenunwürdig" immer so eine Sache ist. Das ist ja nunmal rein gar nichts objektives, sondern hängt immer von den Gewohnheiten ab. Gibt ja mehr als genug Beispiele, wo der Staat die Finanzierung regelt.
Du kriegst doch von deiner Krankenkasse auch nicht eine Pauschale für Diagnostik und Therapien, die im Durchschnitt anfallen, auf die Hand und regelst dann selber, was du in Anspruch nimmst und bezahlst. Die Finanzierung der Rente übernimmt auch der Staat. Nur mal so als wichtige Beispiele.
Von daher dürfte es sich bei vernünftiger Umsetzung und etwas Gewöhnungszeit ganz schnell als menschenwürdig herausstellen können. Zumal man ja keinesfalls das Kindergeld oder den ALG-II-Satz für Kinder komplett abschaffen würde. Man könnte aber aus beiden die Mittel für Bildung und Kinderbetreuung komplett herausrechnen bzw. zukünftige Erhöhung dieser Anteile streichen und dann direkt in die Infrastuktur investieren. Die Schulen einfach mit genug Mittel ausstatten, dass diese prinzipiell allen Schülern Lehrmittel kostenfrei zur Verfügung stellen können, Mittagessen anbieten können, genug Lehrer haben und eine Nachmittagsbetreuung absichern können.
Ich denke gerade, wenn man immer wieder davon ausgeht, dass die Sätze bisher nicht reichen, dann befürchte ich, dass viele Erhöhung nicht da ankommen, wo sie ankommen sollen. Das soll kein Vorwurf sein, ist ja durchaus verständlich. Und vor dem Hintergrund, dass wir in der Kinderbetreuung und Bildung enorme Defizite haben und gerade finanzschwache Familien es schwer haben, ihren Kindern die gleichen Möglichkeiten zu bieten, wäre Investitionen dort unabdingbar.
Und wenn man eben auch das Kindergeld mit einbezieht, so würde man hier mal nicht nur eine einzelne Bevölkerungsgruppe treffen, sondern wirklich mal alle beteiligen. Zumal ja gerade die reicheren Eltern wohl eh nicht auf ihr Kindergeld angewiesen sind. Also sollte man das Geld dann lieber solidarisch verteilen.
Klehmchen hat geschrieben:Wobei ich mal anmerken möchte, dass "menschenunwürdig" immer so eine Sache ist. Das ist ja nunmal rein gar nichts objektives, sondern hängt immer von den Gewohnheiten ab.
Nein, was man unter Menschenwürde versteht ist sogar sehr genau und sehr objektiv nachvollziehbar geregelt und weltweit anerkannt (wenn auch nicht überall trotz dessen umgesetzt).
Klehmchen hat geschrieben:Du kriegst doch von deiner Krankenkasse auch nicht eine Pauschale für Diagnostik und Therapien, die im Durchschnitt anfallen, auf die Hand und regelst dann selber, was du in Anspruch nimmst und bezahlst.
Doch, genau das müssen z. B. Kassenärzte machen. Auch diese sind nicht mündig, frei darüber zu entscheiden.
Klehmchen hat geschrieben:Von daher dürfte es sich bei vernünftiger Umsetzung und etwas Gewöhnungszeit ganz schnell als menschenwürdig herausstellen können.
Nein, denn Grundwerte sind nicht nach unten, sondern nur nach oben erweiterbar. Das leitet sich schon aus dem Rechtsstaatsprinzip ab.
Sorry, aber mit so einer Argumentation kann ich alles mögliche als "reine Gewöhnungssache" hinstellen - übertrieben gesagt auch Gleichschaltung usw. Da muss man sich halt nur dran gewöhnen, dass man nach und nach zum Tier degradiert wird, irgendwann stört einen das nicht mehr. Gut, für mich gehen ein paar tausend Jahre Zivilisation eigentlich in die andere Richtung - Menschenwürde ist nicht nach unten diskutierbar, sondern dahingehend immer ein fester Wert.
Deine Idee wurde auch schon praktisch umgesetzt - bisher war die einzige langfristige Konsequenz immer jene, dass diese Systeme deswegen gestürzt wurden, die es versucht haben. Das spricht nicht gerade für ein Erfolgsmodell .
Klehmchen hat geschrieben:Die Finanzierung der Rente übernimmt auch der Staat.
Und wie unglaublich zufrieden die Bürger damit sind und wie gering deswegen die Bereitschaft zur privaten Altersvorge ist sieht man ja .
Subbotnik hat geschrieben:Klehmchen hat geschrieben:Du kriegst doch von deiner Krankenkasse auch nicht eine Pauschale für Diagnostik und Therapien, die im Durchschnitt anfallen, auf die Hand und regelst dann selber, was du in Anspruch nimmst und bezahlst.
Doch, genau das müssen z. B. Kassenärzte machen. Auch diese sind nicht mündig, frei darüber zu entscheiden.
Ne das siehst du falsch. Der Kassenarzt wäre nämlich bei dem Vergleich zum Beispiel der Kindergarten oder die Schule. Du aber argumentierst, dass der ALG-II-Empfänger das Geld bekommen müsste, was bei unserem Vergleich dem Kassenpatienten und nicht dem Kassenarzt entspricht. Und der Arzt entscheidet mit seinem Budget ja auch nicht für sich, sondern was er anderen zukommen lässt und was nicht. Und wenn du mal die Kassenärzte fragst, dann wirst du auch schnell feststellen, dass sie doch sehr ökonomischen Zwängen unterworfen sind und immer mehr danach entscheiden, was im Budget noch über ist und wieviel sie ausgeben können um selber noch Geld zu verdienen. Also sie machen genau das was man der Regierung jetzt vorwirft, nämlich Geld nach Kassenlage auszugeben.
Nein, was man unter Menschenwürde versteht ist sogar sehr genau und sehr objektiv nachvollziehbar geregelt und weltweit anerkannt (wenn auch nicht überall trotz dessen umgesetzt).
Natürlich ist Menschwürde subjektiv. Es ist ein momentaner Konsens der herrscht, wird aber durch kein Naturgesetz untermauert, ist somit jederzeit willkürlich veränderbar. Und die Praxis zeigt doch auch deutlich, dass es auch immer wieder Situationen gibt, in denen man die Ansprüche daran, sehr schnell nach unten senken kann, auch wenn dies für eine gesamte Gesellschaft nicht erstrebenswert sein mag.
Sorry, aber mit so einer Argumentation kann ich alles mögliche als "reine Gewöhnungssache" hinstellen - übertrieben gesagt auch Gleichschaltung usw. Da muss man sich halt nur dran gewöhnen, dass man nach und nach zum Tier degradiert wird, irgendwann stört einen das nicht mehr
Zum einen habe ich keine Wertung vorgenommen, ich teile da sehr wohl deine Einschätzung, dass dies nicht erstrebenswert ist. Die Geschichte und sehr wohl auch die Gegenwart zeigt doch aber deutlich, dass es eben genau so aussieht, wie ich es sage. Warum fielen denn tausende Menschen der Inquisition zum Opfern, warum gab es denn Weltkriege, warum duldete man denn in Deutschland KZ´s? Wieso gab es ähnliche Einrichtungen noch in den 90iger in Europa (Jugoslawien)?
P.S. Zum Beispiel bei der Rente ging es nicht darum, zu sagen wie erfolgreich solche Modelle sind, sondern darum aufzuzeigen, dass die Bürger in einigen Bereichen des Lebens ein Finanzierungmodell schon lange akzeptiert haben, was du als "Menschenunwürdig" hinstellst. Denn dann müssten wir so konsequent sein und alle Lohnnebenkosten streichen bis auf maximale eine Abgabe um Erwerbslose zu unterstützen. Alles andere geht direkt in die Arbeitnehmertasche, dafür muss aber auch wirklich alles selber bezahlt werden. Jeder Schulbesuch, jeder Arztbesuch, die Rente usw.
Klehmchen hat geschrieben:Und wenn du mal die Kassenärzte fragst, dann wirst du auch schnell feststellen, dass sie doch sehr ökonomischen Zwängen unterworfen sind und immer mehr danach entscheiden, was im Budget noch über ist und wieviel sie ausgeben können um selber noch Geld zu verdienen. Also sie machen genau das was man der Regierung jetzt vorwirft, nämlich Geld nach Kassenlage auszugeben.
Die Möglichkeit hatte ich erst an diesem Wochenende - und nein, da wird nicht so entschieden wieviel sie ausgeben können, sondern man muss oft genug auch mehr ausgeben als das Budget vorsieht! Man ist also nicht mündig und kann nichts entscheiden - denn wenn ein Patient mit 60 Euro zu Buche schlägt, aber man nur ~ 37 Euro erhält hat man Pech gehabt. Es ist hier also wie beim ALG II und anderen sozialen Leistungen - man bekommt vom Staat irgendeinen Betrag X, der dann reichen muss, unabhängig von den tatsächlichen Kosten.
Natürlich ist Menschwürde subjektiv.
Nein, das ist sie eben nicht. Es handelt sich um einen allgemein festgelegten Grundwert, nach welchem objektiv Entscheidungen gefällt werden. Sorry, aber Naturrecht? Das ist doch sinnlos, denn es gibt überhaupt kein einziges Menschenrecht, welches sich aus einem Naturrecht ableitet, vor allem dann nicht, wenn ich zugrundelege, dass man es sowieso dauernd "den Umständen" anpassen kann. Da ist auch Mord ein Naturrecht, passiert in freier Wildbahn andauernd, auch unter artgleichen.
Warum fielen denn tausende Menschen der Inquisition zum Opfern, warum gab es denn Weltkriege, warum duldete man denn in Deutschland KZ´s? Wieso gab es ähnliche Einrichtungen noch in den 90iger in Europa (Jugoslawien)?
Und warum wurdem wohl Menschenrechte eingeführt bzw. nach deren Einführung diejenigen bestraft, die dagegen verstießen? Es gibt Gesetze und an die hat man sich zu halten, sofern sie gerecht sind, sowie allgemein gültige Werte. Und wer dagegen verstößt, wird bestraft - egal ob der Staat selbst oder ein KZ Wächter!
sondern darum aufzuzeigen, dass die Bürger in einigen Bereichen des Lebens ein Finanzierungmodell schon lange akzeptiert haben, was du als "Menschenunwürdig" hinstellst.
Das erklärt die zahlreichen Klagen und Sammelklagen dagegen, wie groß die Akzeptanz ist . Die gleichen werden wohl auch gegen das neue Kostenmodell mit den Einsparungen hier und da und sensationellen 5 Euro mehr klagen, eben weil es weder menschenwürdig und bzw. gerade deswegen nicht verfassungskonform ist.
Subbotnik hat geschrieben:Klehmchen hat geschrieben:Und wenn du mal die Kassenärzte fragst, dann wirst du auch schnell feststellen, dass sie doch sehr ökonomischen Zwängen unterworfen sind und immer mehr danach entscheiden, was im Budget noch über ist und wieviel sie ausgeben können um selber noch Geld zu verdienen. Also sie machen genau das was man der Regierung jetzt vorwirft, nämlich Geld nach Kassenlage auszugeben.
Die Möglichkeit hatte ich erst an diesem Wochenende - und nein, da wird nicht so entschieden wieviel sie ausgeben können, sondern man muss oft genug auch mehr ausgeben als das Budget vorsieht! Man ist also nicht mündig und kann nichts entscheiden - denn wenn ein Patient mit 60 Euro zu Buche schlägt, aber man nur ~ 37 Euro erhält hat man Pech gehabt. Es ist hier also wie beim ALG II und anderen sozialen Leistungen - man bekommt vom Staat irgendeinen Betrag X, der dann reichen muss, unabhängig von den tatsächlichen Kosten..
Der letzte Satz ist wohl richtig. Allerdings versucht man eben die tatsächlichen Kosten so weit zu drücken, wie es geht bzw. die Einnahmen so weit zu steigern wie es geht, um unterm Strich mit allen Patienten einen Gewinn zu erzielen. Was meinst du warum Krankenhäuser Menschen beschäftigen die die Diagnosen kodieren und danach suchen, was als Hauptdiagnose am meisten Geld bringt? Oder warum sich viele Krankenhäuser und neidergelassene Ärzte immer mehr spezialiseren und versuchen defizitäre Behandlungen zu streichen und sich auf gewinnbringende konzentrieren.
Genauso erlebt man es am Ende eines Quartals oft, dass weniger Medikamente verschrieben werden oder nach Möglichkeit das Ganze gleich ins nächste Quartal verschoben wird, wenn es kein Geld mehr gibt. Und wer dauerhaft mehr Geld ausgibt als er von der Kasse bekommt, der macht seine Praxis zu.
Das man natürlich keine wirklich notwendigen Leistungen verweigert, versteht sich von selbst, es gibt aber eben auch Untersuchungen die man machen kann, aber nicht machen muss. Genauso gibt es ja eine große Bandbreite an Medikamenten, die man verschreiben kann und auch da wird dann oftmals zunächst nach Preis entschieden und nicht unbedingt danach, was der Patient am besten verträgt oder schon immer bekommen hat. Und ein Generika ist und bleibt eben eine Kopie des Wirkstoffes, nicht des gesamten Medikamentes.
Und in die gleiche Richtung muss man in meinen Augen auch bei den staatlichen Ausgaben schauen. Man kann nur das ausgeben, was man einnimmt oder man muss mehr einnehmen, wenn man mehr ausgeben will. Sätze völlig losgelöst vom staatlichen Etat festzusetzen führt uns genau da hin, wo wir sind. Auch wenn wir als Staat mit den Schulden vielleicht leben können, weil es genug Gegenwerte im Land gibt, so führt es doch zwangsläufig dazu, dass wir eine Menge Geld für Zinsen verschwenden, statt es sinnvoll in Bildung oder auch ins ALG-II bzw. die Jobbeschaffung zu investieren.
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