Ansprüche an den Job als Ungelernter

vom 29.03.2010, 19:06 Uhr

In meinem Bekanntenkreis gibt es einige Menschen, bei denen ich mich manchmal frage, wo sie eigentlich leben. Diese Menschen haben zwar einen Berufsabschluss, der aber entweder nicht mal ansatzweise gefragt ist oder aber total veraltet, weil nie mit aktuellen Weiterbildungen aufgefrischt. Nun sind diese Menschen arbeitssuchend, würden am liebsten mit einer 30-Stunden-Woche 1.500 Euro (netto mit Steuerklasse 5) verdienen und natürlich sollte der Job nicht weiter als 5 Kilometer vom Wohnort entfernt sein - wir wohnen sehr ländlich. Da frage ich manchmal, in welcher Welt diese Leute leben. Klar darf man noch träumen, aber diese Wünsche sind doch mehr als unrealistisch.

Keine Frage ist für mich, dass ein Stelle auch für eine ungelernte Kraft angemessen bezahlt werden sollte. Stundenlöhne von 6 Euro und weniger sind da sicher nicht in Ordnung, wenn auch an der Tagesordnung. Keine Frage ist auch, dass diese Menschen nicht damit erpressbar sein sollten, dass es genügend andere Leute gäbe, die ihren Job gern machen würden, obwohl das nun mal eine traurige Tatsache ist. Trotzdem frage ich mich, welche Ansprüche darf ein Arbeitsuchender an einen Job stellen, wenn er quasi ungelernt ist? Mich würde Eure Meinung brennend interessieren.

Übrigens gehen diese Menschen alle einem Job nach, sie arbeiten also schon, auch wenn sie zum Teil aufstocken. Deswegen sind sie auch auf der Suche nach einer besser bezahlten Tätigkeit und fragen eben auch in ihrem Bekanntenkreis nach. Nur ist es eben auf Dauer nervig, immer wieder die gleichen ablehnenden Kommentare zu hören.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Wieso findest du 6€ Stundenlohn bei ungelernten Kräften denn nicht gerechtfertigt? Man kann doch nicht Menschen mit zweierlei Berufsqualifikation das gleiche Geld geben.

Gehen wir mal von 10€ die Stunde bei einer 30Stundenwoche aus - da frage ich mich schon, wer das bekommt. Arzthelferinnen, Technische Assistentinnen usw. bekommen alle weniger - und sie haben einen Abschluss.

Und ja, es gibt immer Menschen, die die Arbeit für 6€ machen würden und wieso? Weil es zweitaus schlechter bezahlte Jobs gibt - man mag es kaum glauben. Während ich mich für unter 6€ auch nicht rühren würde, finde ich 6€ die Stunde schon gut - es kommt eben nochmal darauf an, wieviel man dann arbeiten kann und will. Bei 6€ x 40 Stunden in der Woche sieht es schon wieder nicht so schlecht aus - zumindest, wenn die Alternative wäre, dass man sonst nichts hat.

Man sollte sich aber klar überlegen, ob es das ist, was man machen will. Will man mehr, muss man eben was dafür tun, sich besser qualifizieren und weiterbilden. Von allein bekommt man das Geld eben nicht hinterhergeschmissen.

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» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge


Ich nehme mal an, dass Du auch noch keine abgeschlossene Ausbildung hast und trotzdem würdest Du Dich nicht für 6 Euro rühren. Wieso sollen das andere tun? Außerdem kann man mit 6 Euro brutto selbst bei 40 Stunden keine allzu großen Sprünge tun und ist somit schnell in der Situation aufstocken zu müssen, wenn auch der Partner nicht sehr viel verdient.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Da ich ja zur Zeit auch am Überlegen bin wieder arbeiten zu gehen, kann ich mal meine Ansichten, Ansprüche und Wünsche äussern.

Grundlage zur Zeit ist, das ich eine Erwerbsminderungsrente auf Zeit bekomme. Zusätzlich bekomme ich noch Wohngeld. Mit dem Wohngeld habe ich monatlich ein paar Euro mehr als ein Hartz 4 Empfänger auf dem Konto, muss aber für manche Sachen, die mit Hartz 4 bezahlt werden, selbst aufkommen. Unterm Strich habe ich als etwa soviel wie ein Hartz 4 Empfänger. Ab spätestens nächsten Januar habe ich mit der Konstellation im Jahresdurchschnitt monatlich wesentlich weniger als ein Hartz 4 Empfänger. Fakt ist ausserdem, das meine Rente bis Frühjahr nächstes Jahr bewilligt ist und ich sie zu fast 100 Prozent auch weiter bewilligt bekommen würde. Das aber aus verschiedenen Gründen keine Option für mich ist. Sprich ich kann mir mit der Jobsuche an sich Zeit lassen und bin auch nicht dringlich darauf angewiesen, jeden Job anzunehmen. Und Ich kann auf keinem Fall in meinem erlernten Beruf weiter arbeiten und kann auch nicht jede Tätigkeit, aufgrund meiner Erkrankung, ausüben. Ich wäre also auch eine ungelernte Kraft.

Ich selbst möchte auf keinen Fall mehr 40 Stunden und mehr pro Woche arbeiten. Würde ich auch ehrlich gesagt nicht mehr hinbekommen und stehe dazu auch. 20 Stunden in der Woche wären ideal, aber auch unrealistisch und ich könnte mich mit 30 Stunden in der Woche anfreunden und wäre auch bereit am Wochenende zu arbeiten.

Mein Verdienst muss ausreichen, um die Kosten zu decken. Der Nettolohn sollte also über dem Hartz 4 Satz liegen. Untere Schmerzgrenze wäre bei mir was um die 900 Euro. Und ganz ehrlich, wenn ich 1500 Euro Netto bekommen könnte, würde ich die auch nehmen. Mehr auch. Nur finde ich einen Netto Gehaltswunsch von mindestens 900 Euro in meinem Fall schon realistisch.

Am allerliebsten wäre mir natürlich ein Arbeitsplatz, den ich in 5 bis 10 Minuten zu Fuss erreichen kann. Das wäre mein absoluter Traum und auch nicht wirklich realistisch. Realistisch wäre für mich, Stadtbusbereich. Allerdings dann auch nur innerhalb meines Wohnortes und den Vororten. Ich wohne allerdings in einer Grossstadt. Pendeln in die Nachbarstadt käme für mich aber nicht mehr in Frage. Was aber noch andere Gründe hat. Und noch weiter würde ich auch nicht mehr pendeln wollen. Da gestehe ich mir aber auch einfach ein, das das was ist, was ich einfach nicht mehr kann. Auch wenn das Andere vielleicht nicht nachvollziehen können.

Ich fasse es mal kurz zusammen: Möglichst einen Arbeitsplatz in Wohnungsnähe, eine maximale Wochenarbeitszeit von 30 Stunden und ein Gehalt von Netto um die mindestens 900 Euro. Ach ja ich habe Lohnsteuerklasse 1.

Und ich habe nun mal interessehalber die 6 Euro die Stunde mal mit einer 40 Stunden Woche auf den Monat hochgerechnet. Da komme ich auf 1039,20 Euro. Da blieben bei Lohnsteuerklasse 1 eventuell 700 bis 800 Euro übrig. Finde ich als Hauptgehalt einfach zu wenig. Ist aber meine persönliche Meinung.

Ich denke, man muss dabei auch viele Faktoren bedenken. Ist es nur das Zweiteinkommen der Familie, kann man vielleicht Abstriche machen. Muss sich einer alleine davon ernähren können oder von dem Gehalt eventuell eine Frau und/ oder Kinder ernähren, sieht die Sachlage noch mal anders aus. Und es kommt auch auf den Einzelfall an.

Ich hatte mal eine Kollegin, die auch ungelernt war. Ich habe zufällig mal ihren Lohnzettel gesehen. Nein ich habe nicht geschnüffelt. Arbeitsmässig waren die Tätigkeiten grundsätzlich ähnlich. Wobei sie da halt auch gerne auf ich habe das ja nicht gelernt gemacht hat. Ich habe Brutto 200 Euro mehr als sie bekommen. Mit dem Unterschied, das ich teilweise für den Mist den sie verzapft hat, gerade stehen musste. Und auch zu Arbeiten rangezogen wurde, sie sie nicht machen musste. Und der Hammer kam als man mir gekündigt hatte. Ein Grund war, das ich zuviel verdiene und auch soviele Abzüge habe, weil ich halt die Lohnsteuerklasse 1 habe. Allerdings hat unser Arbeitgeber so richtig Hass und Neid gesäht und gerae besagte Kollegin war der Meinung, ich würde weit über 500 Euro mehr als sie verdienen und hat mich das auch spüren lassen.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge



Ich habe das jetzt auch mal ausgerechnet. Bei 6 Euro Stundenlohn kommen wir auf rund 750 Euro Nettoverdienst. Egal ob Steuerklasse 1 oder 4 mit einem Kind. Und damit wird keiner ohne staatliche Hilfe auskommen. Wenn man da Miete und Mietnebenkosten und Fahrten zur Arbeit noch abrechnet, dann bleibt nicht mehr viel übrig zum leben.

Die Ansprüche an den Lohn sind also nicht zu hoch angesetzt. Auch nicht als ungelernte Kraft. Denn es soll ja nicht Sinn der Sache sein, das man bei einem Vollzeitjob auch noch staatliche Hilfe benötigt. Das man nicht den Job in unmittelbare Wohnungsnähe haben kann, sollte jedem klar sein. Das ist zu selten möglich und rund 30 Minuten als Arbeitsweg sollten durchaus als Normal angesehen werden.

Nur werden halt die Löhne für ungelernte Arbeitskräfte nicht steigen solange es noch Tarifverträge gibt, wo gelernte Arbeitnehmer grad mal 7 Euro Stundenlohn als Minimum haben. Und selbst da kann sich nicht viel tun, solange immer noch das Druckmittel besteht, das genug andere den Job für das geringe Geld annehmen würden.

Wie Littlesister schon sagt, ist so ein Verdienst als Zweiteinkommen vom Partner durchaus akzeptabel, wenn es einen Hauptverdiener in der Familie gibt, der eben Netto wesentlich mehr raus hat. Damit kann man eine Familie finanzieren.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Wenn man einen Job wirklich dringend braucht, sollte man seine Ansprüche besser zurückschrauben. Ganz besonders, wenn man wenig zu bieten hat. Klar ist es in einigen Bereichen möglich als Quereinsteiger reinzukommen und da auch ganz gut zu verdienen. Im Literaturbereich sind sämtliche Autoren, Grafiker, Programmierer, usw. vorher in gänzlich anderen Bereichen tätig gewesen, haben also etwas anderes gelernt und dann irgendwann doch die Branche gewechselt oder dazu genommen.

Nur: Man muss in jedem Fall selbst was zu bieten haben. Grafiker, Programmierer, usw. müssen entsprechende Kenntnisse haben. Wo sie die nun her haben, ob selbst beigebracht oder per Studium ist oft egal, wenn sie halt das Geforderte können. Aber da hakt es dann auch bei vielen, die zwar wollen, aber eben nicht genug können. Und die sollten dann eben ihre Ansprüche zurückschrauben, wenn sie was gut bezahltes an Arbeit haben wollen.

» Morgaine » Beiträge: 2701 » Talkpoints: 9,09 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Solche Leute kenne ich auch und ich bin immer wieder überrascht, dass Menschen, die kaum etwas können oder dem Arbeitsmarkt einfach nicht genug Können und Leistungsbereitschaft anbieten können, unglaubliche Anforderungen an einen Job haben. Ich denke ja, dass solche Leute gar kein echtes Interesse an einem Job haben - sonst würden sie ihre eigenen Ansprüche mal überdenken, die Gehaltsvorstellungen nach unten korrigieren, akzeptieren, dass sie vielleicht eine Stunde pendeln oder für den Wunsch-Job umziehen müssen.

Ich denke, dass man seine Ansprüche an einen Job seiner persönlichen Situation und dem Arbeitsmarkt anpassen muss. Wenn man eine begehrte Fachkraft mit außergewöhnlich guten Ausbildung und diversen Zusatzqualifikationen ist, kann man sicher ganz andere Ansprüche an den Arbeitsmarkt stellen als jemand, der geringqualifiziert ist und dessen Arbeitskraft nicht ganz so gesucht ist.

Jemand, der nicht viel anbieten kann, muss Kompromisse eingehen, mehr als andere Menschen. Diese Leute müssen von ihrem hohen Ross herunterkommen und einsehen, dass ihnen niemand hinterherlaufen wird. Dafür gibt es einfach zu viele Leute, die ähnlich oder sogar besser qualifiziert sind und geringere Ansprüche haben. Natürlich muss sich niemand für einen Job so weit herablassen, dass er mit den Arbeitsbedingungen, dem Job und seiner Bezahlung nicht leben kann.

Leider ist es aber recht häufig so, dass gerade unqualifizierte Arbeitssuchende (sofern sie denn wirklich suchen) völlig unrealistische Vorstellungen vom Arbeitsmarkt haben und ihre eigenen Qualifikationen gnadenlos überbewerten. Diese Leute können natürlich ziemlich nervig sein, gerade wenn sie wieder einmal einen Höhenflug haben und der Meinung sind, großartige und schwer gefragte Leute zu sein, die sich ihre Arbeitsstellen und ihr Gehalt praktisch aussuchen können.

Ich persönlich würde auch nicht für 6 Euro pro Stunde arbeiten, halte diesen Job für Leute, die gar nichts vorzuweisen haben, aber immer noch besser, als wenn diese komplett auf Kosten des Staates leben. Wenn jemand gar keine Arbeit hat, sind 6 Euro pro Stunde immer noch besser als nichts. Bei einem sehr niedrigen Einkommen kann man auch zusätzliche staatliche Hilfen in Anspruch nehmen. Ein schlecht bezahlter Job kann ja auch erst einmal ein Einstieg in den Arbeitsmarkt bedeuten.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Cologneboy2009 hat geschrieben:Ich denke, dass man seine Ansprüche an einen Job seiner persönlichen Situation und dem Arbeitsmarkt anpassen muss.

Genau das bringt es auf den Punkt, wie ich in den letzten Tagen und Wochen wieder erfahren durfte. Da gab es dann diese Diskussion wieder erneut mit einer bestimmten Person. Diese möchte gern im Büro arbeiten, soll sie ja auch. Aber sie schreibt eben gern auf ihre Bewerbungen, dass sie Microsoft Office beherrscht. Wäre auch in Ordnung, wenn es an dem wäre, ist aber leider nicht der Fall. Diese Person kann keine Briefe nach aktueller DIN-Norm schreiben, ist noch nicht mal bereit zu lernen, wie man denn wenigstens entsprechende Vorlagen nutzt. Das wäre dann noch weiter fortzusetzen. Erklärt man dieser Person dass sie sich aber noch mehr fortbilden müsse, dann heißt es immer, dass man sie so nehmen müsse wie sie sei und sie das eh nicht mehr kapiere. Ansprüche herunter schrauben will man aber auch nicht. Und das passt dann für mich nicht zusammen.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


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