Risiko als Proband für Medikamententests
Ich lese häufig, dass man als Medikamententester Geld verdienen kann. Ich bin in einem Alter, wo man mich nicht mehr als Tester nehmen würde. Aber auch in meinem Bekanntenkreis wurde darüber schon gesprochen und kaum einer meint, dass man damit ein großes Risiko eingehen würde. Ich hingegen glaube, dass man mit seiner Gesundheit spielt und dass es nicht gut sein kann, wenn man Medikamente testet. Allerdings sehe ich es auch so, dass es Leute geben muss, die es freiwillig machen, damit auch neue Medikamente auf den Markt kommen können.
Ich frage mich aber auch, warum man die Medikamente nicht an Leuten testet, die zu der Krankheitsgruppe gehören. Warum testet man Schmerzmittel nicht direkt an einem Schmerzpatienten, der in eine Praxis geht und dem nichts mehr hilft, was schon auf dem Markt ist. Ist das Risiko bei solchen Patienten dann höher? Welches Risiko geht man als Probant für Medikamententests überhaupt ein. Ist die Bezahlung das Risiko wert? Wer hat schon mal Medikamente getestet und würde es wieder machen und warum?
Erstmal gibt es verschiedene Phasen von Medikamententests. Einmal die Medikamente, die wirklich noch an keinem Menschen getestet wurden, bis hin zur Endphase, kurz vor der Freigabe. Die erste Phase ist also generell die gefährlichste Phase für den Probanden. Aber dafür werden diese Tests auch durchaus gut bezahlt.
Getestet wird an sich in jedem Altersbereich. Ich habe auch schon Studien gesehen, für über 65jährige Menschen und soweit ich weiß, bist du noch nicht so alt. Du müsstest aber halt die anderen Kriterien erfüllen. Und die sind im Grunde von Studie zu Studie unterschiedlich. Tests an Kindern sind aber, soweit ich das weiß, verboten. Zumindest die finanzierten Tests.
Die Studien an sich laufen recht engmaschig kontrolliert ab. Es wird vorher getestet wie gesund man ist, ob man geeignet ist und so weiter. Und auch während dem eigentlichen Testzeitraum erfolgt eine strenge ärztliche Kontrolle. Wobei die meisten Medikamententests eh vollstationär ablaufen. Sprich man wird in ein Krankenhaus aufgenommen, mit allen Konsequenzen. Also Aufnahme, eventuell Mehrbettzimmer, tägliche Kontrollen wie Blutabnehmen, eventuell Wiegen, Urinkontrollen und so weiter und oftmals auch strenge Essensanweisungen. Da ist dann auch oftmals Kaffee ( oder speziell Koffein) und Nikotin verboten. Und auch Essen von draußen darf oftmals nicht mitgebracht werden.
Und es gibt auch durchaus Studien im bereits erkranktem Bereich. Meine Mutter wurde als sie Krebs hatte gefragt, ob sie an einer Studie teilnehmen möchte. Das hieß für sie damals, das es zwei verschiedene Chemotherapien gab, die sie hätte bekommen können. Sie wusste also auch nicht welche sie bekommt. Und die Chemotherapie war auch schon ausgetestet, man wollte an dem behandelnden Krankenhaus an sich nur die Wirksamkeit anders erforschen. Geld gab es dafür damals keines. Meine Mutter wollte aber in die Studie, weil sie immer die Schiene fuhr, wie soll man es sonst lernen. Vorteil war aber eindeutig, das sie engmaschiger als ein regulärer Patient, der nicht an der Studie teilnahm, an das Krankenhaus angebunden war. Sprich mehr Kontrollen und so weiter. Was ich an sich auch heute noch als Vorteil ansehe.
Warum nicht nur an betroffenen Menschen getestet wird, hat verschiedene Gründe. Einmal kann man nie Fehldiagnosen ausschließen und man möchte wohl auch das Risiko einschränken, was passieren könnte, wenn man einem nicht erkranktem Menschen das Medikament gibt.
Außerdem gibt es auch Medikamente, die an sich für was anderes hergestellt wurden, aber durchaus auch andere Wirkspektren haben. Ich erkläre es mal an einem mir bekannten Psychopharmaka. Das wurde an sich zur Behandlung von Schiophrenie entwickelt. Scheint dort auch gute Erfolge zu haben. Mittlerweile wird es im psychiatrischen Bereich aber sehr weitläufig verabreicht und verschrieben. Man hat festgestellt, das dieses Medikament in einer niedrigeren Dosierung halt auch bei Depressionen helfen kann. Und Schizophrenie und Depressionen haben in der Regel recht wenig miteinander zu tun.
Medikamente werden immer erst an Tieren getestet, bevor sie Menschen verabreicht werden. Dadurch kann man schon im Vorfeld ausschließen, dass sie auf Säugetiere im Allgemeinen tödliche oder akut gesundheitsschädliche Nebenwirkungen haben. Und da die Physiologie von den verwendeten Tieren der menschlichen sehr ähnlich ist, kommt es sehr selten - wenn auch leider nicht nie - zu Reaktionen, die man so gar nicht erwartet hätte. Wobei natürlich psychische Reaktionen viel schwieriger an Tieren zu beobachten und zu interpretieren sind, das muss man auch bedenken.
Außerdem darf man kranke Menschen gar nicht für Medikamentenstudien benutzen. Diese sind nämlich, vor allem bei schwerwiegenden Krankheiten, nicht in der Lage, eine objektive Kosten/Nutzen-Abschätzung durchzuführen. Zumal die Risiken hier noch schwerer zu beurteilen sind. Natürlich gibt es da Ausnahmen, wie die von LittleSister geschilderte, aber der Vorschlag, ein ungetestetes Medikament an kranken Menschen zu testen, würde jede Ethikkommission zur Hochform auflaufen lassen.
Die Bezahlung ist aus einem ähnlichen Grunde gesetzlich limitiert - eben damit man Leute, die das Geld brauchen, nicht dadurch zu einer falschen oder zumindest beeinflussten Entscheidung verleitet. Das halte ich persönlich zwar für völligen Käse (nicht die Argumentation, aber die Tatsache, dass man es deshalb für alle verbietet), ist aber in allen westlichen Industrieländern so geregelt, soweit ich weiß. Bei Deutschland, den USA und England weiß ich das genau und innerhalb der EU gibt es da eine auch eine verbindliche Verordnung, von der ich allerdings keine Details kenne.
Das Risiko kann man als Proband selbst ja auch gar nicht einschätzen. Zum einen wird man nur über bereits bekannte, mögliche Nebenwirkungen informiert und riskiert immer, dass man der erste ist, bei dem eine ganz neue, unerwartete Wirkung auftritt. Zum anderen weiß man nie, ob man nicht zu der Gruppe der Probanden gehört, die ein Placebo verabreicht bekommen. Man hat also eine 50/50 Chance, dass man mit Zucker behandelt wird. Und eine nicht-placebo-kontrollierte Studie wäre nach heutigem Standard völlig unzuverlässig und dementsprechend auch auf keinen Fall empfehlenswert.
Ganz allgemein würde ich schon sagen, dass sich die Teilnahme an einer solchen Studie lohnt. Aber ich würde dabei auch den Nutzen für die Allgemeinheit mit einberechnen. Für das Geld allein würde ich persönlich das Risiko wahrscheinlich nicht eingehen, aber das muss am Ende natürlich jeder für sich entscheiden.
Auch wenn Medikamente vor ihrem Test an Menschen zunächst an anderen Lebewesen getestet werden, können sie dennoch weitreichende Komplikationen für den Patienten zur Folge haben. Erst vor kurzen wurde ja in den Medien berichtet, dass früher in der DDR Menschen als Medikamententester (ohne ihr Wissen) missbraucht worden.
In diesem Zusammenhang ergaben sich auch viele andere Nachrichten, die zeigten, dass solche Schicksale auch heute noch nicht selten sind. Nur werden heutzutage überwiegend eben ärmere Menschen für solche Zwecke "benutzt". Die sind einfacher und mit erheblich weniger Aufwand "entschädigt" und aufgrund ihres geringeren Bildungsstandes auch nicht unbedingt in der Lage, etwaige Risiken abzuschätzen oder deren Konsequenz zu verstehen. Es wurde berichtet, dass auch Todesfälle oder Fälle, in denen starke Behinderung als Langzeitfolgeschäden nicht etwa selten sind. Natürlich wird dann aber versucht, den Zusammenhang zwischen Medikament und Tod des Probanden zu leugnen oder zu vertuschen.
Ich persönlich würde mich für sowas nur im äußersten Notfall entscheiden. Etwa, wenn ich Krebs hätte und keine andere Therapie anschlägt. Also dann, wenn das Medikament zwar noch helfen, aber nicht mehr viel kaputt machen könnte. Mir ist mein Leben und meine Gesundheit (auch die geistige) viel zu viel Wert, um als Versuchskaninchen mit ein paar lausigen Euros abgespeist zu werden. Wenn man überlegt, dass so eine Medikamentenstudien mehrere hundert Millionen Euros kostet und ein Leben dabei so gering eingeschätzt wird, bin ich von der Grundlage eines guten Rufes der Pharmaunternehmen nicht mehr so überzeugt.
Dutchess, entschuldige bitte den Ausdruck, aber das ist doch Humbug. Es ist doch schon verboten, die Leute entsprechend des Risikos zu entschädigen. Was will man denn als Gesetzgeber noch machen? Intelligenztests als Aufnahmevoraussetzung? Da müsste man doch irgendwo eine Grenze ziehen , die einen (Groß-)teil der Bevölkerung aufs Schärfste diskriminiert. Dann müsste man diese Menschen ja auch konsequenterweise vom Wahlrecht ausschließen, da man von ihnen ja wohl kaum erwarten kann, dass sie intelligent genug sind, politische Zusammenhänge einzuschätzen, wenn sie schon zu dumm sind, dieses Risiko einzuschätzen.
Deine persönliche Meinung zu solchen Tests ist ja völlig berechtigt, aber was deine Einschätzung der aktuellen Praxis eingeht, bin ich diametral entgegengesetzter Meinung. Ich finde, dass da jeder erwachsene, (geistig) gesunde Mensch seine eigene Entscheidung treffen sollte. In der DDR mag es da zu geradezu grotesken Fällen gekommen sein, aber das ist ja nun wirklich nicht mit unseren heutigen Standards vergleichbar.
Ich finde deine Antwort etwas scharf und unpassend. Als ich von Bildung sprach, meinte ich vorwiegend die Tests in Entwicklungsländern (wo die Tests mittlerweile vor allem des Kostenfaktors wegen durchgeführt werden). Hier zu Lande mag der Gesetzgeber vielleicht einiges verbieten und reglementieren, aber dort sicher nicht. Es ist auch eine Frage, ob alle Risiken, die bei einer solchen Studie für den Probanden entstehen tatsächlich besprochen und eben nicht wissentlich unter den Tisch gekehrt werden. Unsere "heutigen Standarts" wie du sie nennst, werden auch hier bei uns vor der Haustüre ausgehebelt und umgangen. Wie oft und in welchem Maße dies geschieht, das mag ich nicht beurteilen. Fakt ist jedoch, dass es passiert.
Man muss ich nur ein bisschen erkundigen und nicht alles glauben, was einem die Pharmaindustrie Glauben machen möchte und schon kann man sehen, dass ich sehrwohl recht habe und es sicherlich kein Humbug ist. Humbug ist eher, aus Bequemlichkeit an das Gute im Konzernchef zu glauben und alle Beteuerungen, Medikamententests brächten keinerlei Folgeschäden oder sogar Todesfälle mit sich, einfach so hinzunehmen.
Man glaubt es kaum, aber auch in unserer heutigen Zeit und unserem Land wird mehr vertuscht und schön geredet, als man denkt. Es ist vielleicht unbegreiflich, wie man so mit der Gesundheit anderer spielt, aber es ist nicht zu ignorieren. Man kann ein Risko nur einschätzen, wenn man alle Faktoren kennt, werden einem irgendwelche verschwiegen, kann man das nicht, egal, wie dumm oder intelligent man ist. Zu guter letzt sind Medikamente ein Eingriff in den Chemiehaushalt des Körpers, da kann man, selbst wenn man wollte, Risken nicht voll einschätzen oder ausgrenzen.
Man sollte selbst entscheiden, was man wann seinem Körper zumutet, aber eben Grundlage ist, dass man alle Informatonen hat, die man braucht.
Bitte verzeihe mir, wenn du dich persönlich angegriffen gefühlt hast. Das war zu keiner Zeit meine Absicht. Ich habe mich damit lediglich auf die Argumentationsweise in deinem Post bezogen und wollte damit in keiner Weise einen Rückschluss auf deine Person implizieren.
Und dass es sowohl weltweit verschiedene Standards, als auch in unseren Breitengraden Fälle gibt, in denen Regulierungen missachtet werden, kann ich weder ausschließen, noch halte ich das für falsch. Aber davon kann man doch nicht auf diese Praxis generell schließen, denn dann müsste man ja auch das Autofahren verbieten, weil einige Ihre PKW für illegale Zwecke benutzen.
Das mag jetzt zunächst unpassend klingen, illustriert aber eben meine Kritik: Die Punkte, die du anführst, sind zwar durchaus richtig, werden aber in der Praxis nicht toleriert und sind per Gesetz unter Strafe gestellt. Allein daraus, dass sie trotzdem vorkommen, kann man mit Nichten auf die Qualität dieser Verfahren im Allgemeinen schließen.
Dass die Risiken nicht abzuschätzen sind, habe ich ja zudem auch selbst geschrieben. Und von Entwicklungsländern war nie die Rede, sonst hätte ich da ganz gewiss ganz ähnlich argumentiert wie du.
Ich weiss, dass du mich nicht persönlich angreifen wolltest, deine Wortwahl war nur etwas scharf. Schwamm drüber. Ich hatte tatsächlich vergessen, zu erwähnen, dass sich ein Absatz weitestgehend auf Entwicklungsländer bezieht, dabei wären so Missverständnisse auszuschliessen gewesen. Mir gehts vor allem darum, dass egal, ob Risiken verschwiegen werden, Probanden belogen werden, das Risiko für meine Gesundheit wäre mir zu hoch. Man kann nie wissen, ob man über alles in Kenntnis gesetzt wird und gerade bei gesundheitlichen Fragen ist so ein Vertrauensbruch vielleicht lebensgefährlich. Selbst, wenn die Unternehmen alle Risiken weitergeben, können sich während dieser Studien weitere ergeben, die keiner vorausgeahnt hat. Schliesslich ist ja jeder Mensch anders und vielleicht empfindlicher als andere. Dass vorher sicherlich alle möglichen Gesundsheitschecks gemacht werden ist gut, schliesst aber eben nicht alle Eventualitäten aus.
Dein Beispiel mit dem PKW ist gut. Allerdings finde ich, sollte meine körperliche Unversehrtheit mehr Überlegungen wert sein, als dass ich vielleicht einen PKW nutze, um damit Unfug anzustellen. Alles, was ich eigentlich sagen wollte, ist: Auch, wenn man scheinbar über alles in Kenntnis gesetzt wurde, können sich unerwartete Komplikationen ergeben. Da es sich nicht einfach um irgendeinen Gegenstand handelt, den man bei Funktionstören wegwerfen kann, sondern um die unwiederbringliche Gesundheit und meinen eigenen Körper, sollte man sehr vorsichtig sein.
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