Ist das Bauchgefühl eine Art Instinkt beim Menschen?
Viele handeln ja nach dem Bauchgefühl und nicht, weil sie von einer Sache überzeugt sind. Sie haben einfach das Gefühl, dass ihr Handeln richtig ist, wenn sie es einfach spüren. Ist das so eine Art Instinkt beim Menschen, der aus der Urzeit noch übrig geblieben ist? Oder ist das Bauchgefühl auch eher etwas eine erlernte Handlung, die den Mensch dazu treibt so zu handeln, wie er dann nach Bauchgefühl handelt?
Für mich ist das Bauchgefühl gleichzeitig auch der Instinkt, der meiner Meinung nach noch durchaus bei jedem vorhanden ist. Nur haben es glaube ich schon einige Menschen verlernt, auf ihren eigenen Instinkt zu hören, weil sehr oft in erster Linie das rationale Denken forciert wird.
Ich selber versuche immer wieder sehr auf meinen Instinkt zu hören und bin damit eigentlich noch nie ganz falsch gelegen. Vor allem bei meinem Sohn versuche ich oft nach meinem Instinkt zu gehen. Es gibt gerade bei der Kindererziehung oder auch bei medizinischen oder sonstigen Bereichen derart viele unterschiedliche Theorien, die wohl alle mehr oder weniger Vorteile und Nachteile haben.
Es gibt Zeiten, da falle ich dann doch auf diese ganze Informationsüberflut rein und dann wäge ich immer tagelang alle Für und Wider zu einem bestimmten Bereich ab und komme erst recht nicht zu einem Schluss. Selbst Fakten können meiner Meinung nach die Realität ein wenig verzerren. Es ist doch bestimmt schon jedem einmal passiert, dass man etwas tut ohne dabei ein gutes Gefühl zu haben, ganz einfach, weil der eigene Instinkt dagegen spricht. Ich denke, dass man sich ruhig auf seinen eigenen Instinkt gut verlassen kann.
Soweit icht weiß basiert das Bauchgefühl auf all unseren Erfahrungen. Im Laufe schon weniger Jahre hat man vieles gesehen, vieles erlebt und viele Erfahrungen mitgenommen. Bewusst erinnern wir uns an das meiste nicht, doch sehr oft kommt man in ähnliche Situation oder Dinge kommen einem merkwürdig bekannt vor. Das sind auch Sachen, die das Bauchgefühl beeinflussen.
Manchmal ist ein Bauchgefühl auch total unlogisch und wirklich jede Argumentation spricht dagegen und dennoch hört man auf seinen Bauch. Vielleicht weil man mal schlechte Erfahrungen gemacht hat, oder einem jemand eine Geschichte darüber erzählt hat. Letztlich ist das Bauchgefühl damit doch ein eigener und individueller Instinkt der auf den Erfahrungen und dem Characktrer eines Menschen beruht.
So oft geraten wir in Situationen, die wir versuchen ganz logisch auseinander zu nehmen, dabei bringt ein erfahrungsbezogener Instinkt doch oftmals viel mehr. Das ist wie mit guter Menschenkenntnis, die basiert oftmals ja auch nur auf einem reinen Bauchgefühl, versucht man aber Gründe zu finden für dieses Gefühl, dann bringt man sich selber durcheinander. Manchmal sollte man sein Gefühl nicht hinterfragen, sondern einfach mal darauf hören denke ich. Ob es ein Urinstinkt ist weiß ich jedoch nicht, obwohl es unlogisch wäre, wenn Menschen damit spontan angefangen hätten , denn Erfahrungen gesammelt haben wir schon immer, auch hatten wir imme prägende Gegebenheiten oder gegenfalls eine Erziehung, die einem so etwas vermittelt.
Wissenschaftlich betrachtet haben erwachsene Menschen gar keine Instinkte mehr. Die sind in der Psychologie nämlich als angeborene Verhaltensmuster definiert, die automatisch in bestimmten Situationen ablaufen, so wie der Nuckelreflex bei Säuglingen. Bei dem kann man sich auch darüber streiten, ob er unter diese Definition fällt.
Richtige Instinkthandlungen sind zum Beispiel der Flug der Vögel gen Süden, oder das Schwanzwedeln beim Hund. Menschen haben über ihr Handeln aber immer ein - wenn auch manchmal sehr kleines - Maß an Kontrolle. Es sei denn, wir betrachten pathologische (d.h. krankhafte) Zwangshandlungen, wie z.B. Waschzwang.
Das, was im Allgemeinen als 'Bauchgefühl' bezeichnet wird, ich einfach nur ein Sammelbegriff - wie auch 'Intuition' oder eben 'Instinkt' - der in der Alltagssprache für alle möglichen Beweggründe benutzt wird, die nicht auf rationaler Planung des Handelns beruhen. Also alles, was man nicht aus ganz bestimmten Gründen tut, derer man sich auch vorher bereits bewusst ist.
Solche Entscheidungen oder Neigungen können aus einer Vielzahl von Quellen stammen. Meist sind es aber bestimmte Erfahrungen und Assoziationen, die man mit einer gegebenen Situation hat, ohne dass man sich dessen bewusst ist. Die Gedanken, die wir für uns deutlich ausformulieren, machen ja nur einen sehr kleinen Teil dessen aus, was wir 'denken'. Das meiste sind unbewusste Vergleiche, die unser Gehirn automatisch zwischen aktuellen und erinnerten Sinneseindrücken, Urteilen und Ansichten zieht.
Wenn dein Bauchgefühl dir also 'sagt', du solltest lieber von irgendwo verschwinden, dann erinnert dich die Situation meist an eine ähnliche, die für dich auf irgendeine Art unangenehme Konsequenzen verursacht hat. Das ist sehr selten ein bewusster Vorgang, was unter anderem daran liegt, dass es ausreicht, dass du dich in einer solchen Situation aus einem wiederum unbewussten Grund nicht ganz wohl gefühlt hast. Und wenn du das damals schon nicht identifizieren konntest, kannst du dir heute auch schlecht bewusst machen, was genau dich jetzt gerade an diesen unidentifizierten, negativen Eindruck erinnert.
Da ist es einfach einfacher, von 'Bauchgefühl' zu reden, als sich oder anderen das Ganze umständlich zu erklären.
Außerdem muss man immer bedenken, dass viele moderne Begriffe aus Zeiten stammen, in denen die Menschen noch sehr wenig wissenschaftlich erklären konnten und der Glaube an übernatürliche Kräfte noch weit verbreitet waren. Wir reden ja auch noch davon, dass Menschen eine besondere 'Aura' haben, obwohl die wenigsten daran glauben, dass so etwas wirklich existiert.
Aloha,
ka mau
Es mag ja sein, dass der Mensch wissenschaftlich betrachtet keine Instinkte mehr hat und man nur noch von Reflexen spricht. Ich glaube dennoch, dass das Bauchgefühl immer noch eine Art Instinkt ist. Man sagt ja nicht umsonst, man soll bei dem ersten Gedanken bleiben, den man hatte. Denn das Erste, was einem zu einem Thema einfällt oder der Gedanke, den man im ersten Moment hat, wenn man etwas entscheiden soll, rührt ja vom Bauchgefühl her. Und oft ist dieser erste Gedanke ja dann auch wirklich der richtige.
Mir selbst passiert es sehr selten, dass mein erster Gedanke falsch ist. Wenn ich in irgendeiner Situation etwas entscheiden muss, mich aber nicht entscheiden kann, weil beide Möglichkeiten etwas Positives und etwas Negatives haben, überlege ich immer, was mein erster Gedanke zu dem Thema war. Ich überlege, zu welcher der beiden Möglichkeiten ich im ersten Moment tendiert habe, als ich anfing, über diese Entscheidung und die beiden Möglichkeiten nachzudenken.
Denn in solchen Situationen, wenn ich wirklich so gar nicht entscheiden kann, weil der Verhältnis wirklich sehr ausgewogen ist, entscheide ich immer nach meinem ersten Gedanken. Und dieser ist dann meistens auch der richtige. Es kam noch nicht oft vor, dass ich im Nachhinein einsehen musste, dass die andere Möglichkeit die bessere Entscheidung gewesen wäre. Meistens liege ich mit einer Entscheidung nach diesem Prinzip richtig. Und ich glaube nicht, dass es nur wenigen anderen Menschen genauso geht wie mir.
Es ist nicht richtig, dass der Mensch gar keine Instinkte mehr hat. Er hat noch welche, aber sehr wenig. Da unsere Umwelt sehr kompliziert geworden ist, beruht das meiste Verhalten der Menschen auf Erfahrung und Gelerntem.
Beispiele für Instinkte der Menschen sind: Schimmeliges Brot würde wir alle als ekelig empfinden und ausspucken, wenn man nicht diszipliniert ist, alles zu essen. Süße Sachen essen wir deshalb so gerne, weil in der Natur nur reife und gesunde Früchte normalerweise süß sind. Da müssen wir nicht nachdenken, das klappt von alleine.
Das Bauchgefühl ist nur zu einem winzigen Teil instinktiv bedingt. Wenn das Bauchgefühl allen Menschen gleichermaßen angeboren wäre, dann würden alle Menschen einerseits ein gleich gutes Bauchgefühl haben und sich immer richtig entscheiden! Das ist nicht so.
Wenn man nach Sigmund Freud geht, ist das Bauchgefühl gleichzusetzen mit dem Unbewussten und dem Über-Ich. Kurz eine Erklärung zum Unbewussten:
Wenn der Mensch den Wust an Gedanken, der ständig durch seinen Kopf saust komplett bewusst verarbeiten müsste, würde er wahnsinnig werden. Der "Arbeitsspeicher" im Gehirn ist recht begrenzt. Man sieht das daran, dass man als Autofahranfänger nicht gleichzeitig fahren und telefonieren kann. Wenn man gut Auto fährt, verlagert sich das Fahrhandeln ins Unbewusste und der Arbeitsspeicher wird zum Telefonieren oder für anderes frei gegeben.
Wenn man bei dem Bild mit dem Computer bleibt kann man das mit dem Bauchgefühl so erklären: Das bewusste Denken ist nur das, was man auf dem Bildschirm sieht. Alle anderen Rechen- bzw. Denkvorgänge die im Rechner ablaufen, sieht man heute nicht mehr auf dem Bildschirm. Das sind irrsinnig viele. Manchmal blinkt auf dem Bildschirm ein Warnsignal auf. Der Computer hat irgend etwas berechnet / gedacht und hat einen kritischen Zustand gemeldet. Dieser ist nicht aus dem Nichts gekommen, sondern beruht auf Gedanken.
Beim Menschen sind alle diese Denkvorgänge durch die Biografie beeinflusst. Da spiele Dinge wie Erziehung rein. Wenn man als Kind immer eine Ohrfeige bekommen hast, als man gelesen hat, wird man auch als Erwachsener ein unwohles Gefühl im Bauch haben, sobald man ein Buch in die Hand nimmt. Das Gehirn verarbeite im Hintergrund still und leise die Informationen und gibt nur das Warnsignal aus. Weil eben alles unbewusst abläuft, äußert sich der Körper dann oft auf Gefühlsebene oder mit blitzartigen Eingebungen. Das bedeutet aber nicht, dass das Gedachte aus dem Bauch kommt.
Das zumindest ist die streng wissenschaftliche Sicht auf dem gegenwärtigen Standpunkt der Wissenschaft. Es gibt auch einige die behaupten, dass es im Bauch sehr viele Nerven gibt, die ähnlich wie ein kleine Gehirn denken können. Da dies noch nicht bewiesen ist, bin ich da vorerst skeptisch und warte auf einen Beweis.
Hallo zusammen,
ein paar Anmerkung zu Trüfffelsuchers Antwort:
Deine Ausführung, die du mit einem Verweis an Freud einleitest, ist so zwar vollkommen korrekt. Richtig ist auch, dass Freud der erste (Westeuropäer) war, der diese Theorie entwickelt hat. Allerdings hat sich der bei Weitem größte Teil seiner Überlegungen als wissenschaftlich nicht haltbar erwiesen.
Das soll jetzt keine Kritik an deinem Beitrag sein. Wie gesagt, ich stimme dir da vollkommen zu. Allerdings würde ich Freud nicht (mehr)als Autorität auf diesem Gebiet anführen, da das andere dazu verleiten könnte, seine Ansichten für bare Münze zu nehmen.
Die Theorie, dass sich unsere Vorliebe für Süßes evolutionär erklären lässt, ist sehr einleuchtend. Allerdings muss man auch sehen, dass es sich hier nicht um empirische Wissenschaft, sondern eher um eine Art Heuristik handelt. Woher solche 'Instinkte' kommen, ist einfach nicht mehr nachprüfbar, sondern eben nur noch im Nachhinein interpretierbar. Es gibt eine große Zahl von Psychologen, die Evolutionspsychologie generell den Rang einer Wissenschaft absprechen. Das heißt nicht, dass ich das auch so sehe. Aber hier muss man Vorsicht walten lassen.
Und die Nervenansammlung, die einige als Erklärung für das Bauchgefühl angeben, die gibt es einfach nicht. Wir wissen ganz genau, wie menschliche Nervenbahnen und -Stränge aussehen und haben überall nachgesehen und keine Gefunden, deren Funktion wir nicht genau bestimmen können. Nerven sind auch sehr einfache Gebilde, die solche komplexen Funktionen definitiv nicht erfüllen können, wenn sie so klein sind, dass wir sie nicht mit unseren technischen Mitteln finden können. Wenn eine Anballung von Nerven groß genug und komplex genug miteinander "verdrahtet" ist, könnte so etwas zumindest plausibel gemacht werden. Aber vor dem Hintergrund des Wissens, das wir über die menschliche Physiologie haben, kann man das nur als Humbug abtun.
Was das Thema Reflexe und Instinkte angeht, habe ich mich ein wenig missverständlich ausgedrückt. Reflexe sind Bewegungen, die auf rein physiologischer Ebene ablaufen und immer wenig Komplexität aufweisen. So wie eben der Nuckelreflex oder das unwillkürliche Zucken des Beines, wenn man mit der Arzt mit einem kleinen Hammer auf die Kniescheibe haut.
Instinkte sind insofern etwas anderes, als dass sie auf anderen, physiologischen Mechanismen basieren und (wie beim Vogelflug) weitaus komplexeres Verhalten auslösen können.
Die Definitionen sind, wie man sieht, allerdings in den Grenzbereichen etwas unscharf. Es ist sicher nicht völlig abwegig, beim Ausspucken verschimmelten Brotes von Instinkten zu reden. Allerdings muss man hier auch sehen, auf was reagiert wird.
Eins ist nämlich unstrittig: Instinkte sind nicht erlernt, sondern angeboren. Wenn du jetzt einem Säugling (der ja noch nichts gelernt hat) ein verschimmeltes Stück Brot anbietest, dann wird dieser es in den Mund stecken. Und der Geschmack des Brotes wird einen Würgereflex auslösen. Mach das ein paar Mal und der Säugling hat gelernt, sich vor Schimmel zu ekeln. Alternativ - und wesentlich humaner - lässt sich das natürlich auch durch Erziehung hinbekommen. In beiden Fällen braucht es aber keinen Instinkt.
Grundsätzlich gibt es kein einziges menschliches Verhalten, dass sich nicht ohne den Bezug auf Instinkte erklären lässt. Deshalb ist es für mich einfach naheliegender, deren Fehlen anzunehmen, als sie zur Erklärung heranzuziehen. Das ist ähnlich wie mit den "Trieben". Die leuchten auch sofort jedem ein, aber wenn man sie wissenschaftlich untersucht, dann findet man jedes Mal einen ganzen Haufen besserer Erklärungen.
Beides bedeutet natürlich nicht, dass sie mit absoluter Sicherheit nicht existieren. Aber die Beweislage spricht ganz eindeutig dagegen. In beiden Fällen, und in beiden Fällen mit aller Deutlichkeit.
@ Sebbe
Ein kleiner Denkanstoß: Woher weißt du, dass deine Entscheidungen aus dem Bauch heraus immer die richtigen sind, wenn die Optionen, die du nicht verfolgt hast, gar nicht in die Tat umgesetzt wurden? Es besteht doch zumindest die Möglichkeit, dass die andere Alternative noch besser gewesen wäre.
Und noch eine ganz allgemeine Anmerkung zum Thema Begrifffe: Man kann durchaus mit der Annahme, es gäbe Instinkte und ein irgendwie geartetes Bauchgefühl, zu richtigen Entscheidungen kommen. Es ist auch nicht per se falsch, so zu denken oder zu reden. Aber man muss sich bewusst sein, dass man da Begriffe verwendet, die mehr Konvention als Beschreibung der Wirklichkeit sind. Es gibt einige ganz fundamentale Unterschiede zwischen Alltags- und Wissenschaftssprache. Und wenn es um Faktenfragen geht, ziehe ich persönlich letztere vor.
Aloha,
ka mau
@ ka mau: Ich sehe deinen Beitrag nicht als Angriff, ich will aber mal erläutern, warum ich mich hier an Freud anlehnte um einen Ansatz vorzustellen, wie man das Phänomen des so genannten "Bauchgefühls" interpretieren kann.
Viele Theorien von Freud sind heute berechtigt in die Kritik geraten. Vor allem seine ulkigen Phasentheorien (Stichworte: Anale Phase, Ödipale Phase etc.) rund um den Einfluss der sexuellen Triebe auf die Individualentwicklung des Menschen. Auch die Idee mit dem angeblichen Penisneid der kleinen Mädchen ist heute einer der besten Witze der Wissenschaftsgeschichte. Dass der Mensch aber einen großen Teil seiner Psyche im Unbewussten hat, ist nach wie vor unbestritten. Wie man die verschiedenen unterbewussten Prozesse nennt, ob man sich an Freuds Begrifflichkeiten anschließen mag, kann man selbst entscheiden. Trotz aller Irrtümer die er hatte, war er ein Genie. Eine so umfassende Theorie zu schaffen, wo vorher imeuropäischen Raum annähern nichts war! Das soll ihm mal einer nachmachen. Damit kann Freud auch eine bewundernswerte Pionierleistung anerkannt werden, die den Nährboden für die weitere Forschung bildete.
Freud ist natürlich ein alter Hund. Aber es gibt trotzdem in der Psychologie immer wieder Wissenschaftler, die Teile seiner Ideen weiter verfolgen. Das ist ja das komplizierte an der Psychologie. Bei der Physik kann man hieb- und stichfest beweisen, ob eine Theorie stimmt oder nicht. Wenn sie stimmt, stimmt sie immer und an allen Orten und zu 100%. Bei naturwissenschaftlicher Forschung geht das recht strikt zu. Richtig oder Falsch, dazwischen gibt es nichts. Bei der Psychologie ist es selten so, dass eine Theorie eines Wissenschaftlers zu 100% widerlegt oder belegt wird. Da gibt es auch selten ein absolutes Richtig oder Falsch, sondern viele "Graustufen" dazwischen. Das kann man immer wieder finden, z. B. bei der Diskussion um Piaget, bei der Diskussion um die Theorien Behaviourismus, Kognitivismus und Konstruktivismus usw. Deshalb sollte man psychologische Forschung übrigens nie als bare Münze nehmen, sondern immer als eine Theorie unter vielen verstehen. Das gilt im übrigen auch für die zeitgenössische Forschung, die in ein paar Jahren auch wieder teilweise widerlegt sein wird.
Da aber die meisten Menschen am ehesten mit Freud etwas anfangen können, weil davon fast jeder schon mal gehört hat, die neuere Forschung teilweise etwas zu komplex ist und obendrein den meisten unbekannte,habe ich mich dazu entschlossen, eine ältere Theorie heran zu ziehen.
Eine Aufbereitung der zeitgenössischen Forschung auf populärwissenschaftliches Niveau halte ich für schwierig. Außerdem ist es meines Wissens so, dass trotz dem Einsatz von modernen, computergestützten Messmethoden solche Phänomene wie das Bauchgefühl noch nicht so weit erforscht sind, dass man das als gelöste Frage betrachten könnte. Auch gibt es noch keine Einigkeit darüber wie weit der Mensch von ererbten Elementen und wie weit er von erlernten Fähigkeiten gesteuert wird. Da darf man noch gespannt sein auf die künftige Forschung!
Übrigens soll da im Bauch auch nicht Nervengewebe als Bündel vorliegen. Die Vertreter dieser Hypothese gehen davon aus, dass die Nerven die das Verdauungssystem überwachen, nebenbei auch kognitive Funktionen übernehmen können. Bis das Gegenteil bewiesen ist, halte ich es für legitim, solche Theorien zur Diskussion vorszustellen. Es kann sich ja jeder so wie Du kritisch überlegen, ob er den Gedankengang total abstrus oder nachvollziehbar findet.
Zu der Sache mit dem Schimmel: Da Schimmel meist giftige Stoffe absondert, verbieten sich solche Versuche, dass man einem Säugling schimmeliges Zeug in den Mund gibt aus ethischen Gründen. Es gibt aber zahlreiche interessante Versuche, dass Neugeborene sehr wohl instinktiv auf Geschmack reagieren. Gibt man einem Säugling beispielsweise kurz vor der Blutentnahme etwas Zuckersirup in den Mund, reagiert er auf den Schmerzreiz weit entspannter. Gibt man dem Säugling etwas bitteres (harmloses) in den Mund, zeigt seine Mimik Unwohlsein an. Da das schon bei wenigen Minuten alten Kindern funktioniert, kann man den Umgang mit Geschmäckern sehr wohl als stark von Instinkten beeinflusst werten. Da besonders Kinder Bitterstoffe als Geschmackreiz stark ablehnen,mischt die Industrie in den letzten Jahren verstärkt einen Bitterstoff in Shampoos und Reinigungsmittel, der Kinder vor dem Verzehr dieser Produkte bewahren soll. Diese Strategie funktioniert von alleine und bedarf keiner Erläuterung durch die Erziehenden. Was eklig schmeckt, wird ausgespuckt oder gar nicht erst konsumiert.
Dass da allerdings sehr viele Lernprozesse den Menschen bei der Geschmackspräferenz im Erwachsenenalter beeinflussen, ist unbestritten. Ein gutes Beispiel dafür ist die Durian-Frucht. Als Europäer würde man den Geruch dieser Frucht als ranzig, schweißartig, knoblauchartig mit einer deutlichen Note nach Erbrochenem und unewaschenem Mann beschreiben. Ich finde sie schlicht unübertrefflich Ekel erregend, sobald ich das rieche, wird mir übel. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass das absolut ungenießbar sein muss. Nur der bevorstehende Hungertod könnte mich bewegen, davon zu essen. In weiten Teilen Asiens gilt dies Frucht aber als Delikatesse. Das ist mit Sicherheit erlerntes Verhalten und kein Bauchgefühl mehr, denn auch in Asien ist man sich darüber bewusst, dass diese Frucht höllisch stinkt, sonst würde man keine Durian-Verbot-Schilder aufhängen.
Hallo trüffelsucher,
da stimme ich dir im Großen und Ganzen sogar zu. Ich wollte, wie gesagt, nur vermeiden, dass jemand Freud als Autorität auffasst. Seine Genialität habe ich nie in Frage gestellt.
Allerdings ist die Annahme, die Nerven rund um den Darmtrakt könnten "kognitive Funktionen" entwickeln, äußerst weit hergeholt. Dann ist es genau so wahrscheinlich, dass meine Kniekehlen diese haben - da liegen auch eine Menge Nerven. Wie sollten diese "kognitiven Funktionen" auch aussehen? Alles, was man da messen kann, sind Impulse, die Eindeutig verschiedenen Reaktionen im Darmgewebe zuzuordnen sind.
Und natürlich reagieren Säuglinge ohne Lernerfahrungen auf Geschmack. Sie reagieren ja auch auf Berührung, Schmerzen, Beschleunigung und so weiter. Dass die Art der Reaktion evolutionär bedingt ist, ist auch unstrittig. Aber die naheliegendste Erklärung ist, dass unsere Geschmacksrezeptoren und die dazugehörigen Nerven und Gehirnareale sich im Laufe der Evolution so entwickelt haben, dass sie auf Geschmäcker, die in der Regel giftige Stoffe anzeigen, anders reagieren, als auf Geschmäcker, die dem Körper essbare Nahrung signalisieren. Von Instinkten kann man in diesem Zusammenhang nun wahrlich nicht reden.
Und grundsätzlich musst du zwischen Studienergebnissen und deren Interpretation unterscheiden: Wenn zahlreiche Studien belegen, dass Menschen de facto aus anderen Gründen handeln, als sie angeben, dann ist das zunächst erst einmal ein empirisches Faktum. Wie man das dann erklärt, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier.
Aloha no,
ka mau
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