Kleiderspenden: Schädlich für die 3. Welt Industrie?

vom 14.07.2010, 10:20 Uhr

Hier stehen sehr viele Kleidercontainer, wo auch draufsteht, dass die Kleidung nach Afrika in die dritte Welt oder nach Indien geschickt wird. Die Kleiderspenden werden also gereinigt und weiterverschickt.

Ist so eine Kleiderspende dann nicht schädlich für die Textilindustrie in diesen Ländern? Wer kauft denn dort noch Kleidung, wenn sie diese von Deutschland gespendet bekommt? Sollte man wirklich in diese Kleidercontainer seine Kleidung werfen, die man nicht mehr anzieht?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Nein, eigentlich schadet das dort der Wirtschaft nicht. Es hilft dort dann doch eher. Die Kleidung wird ja dort nicht einfach so verschenkt, sondern auf lokalen Märkten verkauft. Und die in diesen Ländern produzierte Kleidung ist doch eben diese, die dann in Deutschland verkauft wird. Also handelt es sich doch um die dort hergestellte Kleidung.

Ansonsten musst du dir da auch deswegen kaum Gedanken machen, weil von den Spenden aus diesen Boxen sowieso vieles gar nicht wirklich nach Afrika verfrachtet wird. Man hört ja immer wieder, dass damit sonst was gemacht wird, es in Deutschland bleibt oder aber zu Putzlappen verarbeitet wird.

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» pepsi-light » Beiträge: 6018 » Talkpoints: 2,14 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Zu diesen Thema habe ich mal im Fernsehen eine Sendung verfolgen dürfen. Sie haben gezeigt, dass hier mehrere Personen Geld an unseren Spenden verdienen. Es kann natürlich auch sein, dass es unterschiedliche Wege gibt, wie die Kleidung zurück an die Menschen gegeben wird. Aber hier zeige ich dir einen davon.

Die Kleidung im Container wird zu Sammelstellen gebracht und nach Qualität aussortiert. Ein bestimmter Teil davon wird in Kilowaren nach Afrika verschickt. Dort können sich andere Händler einen Ballen aussuchen. Sie wissen vorher nicht, was in den Päckchen drin ist. Die Händler kaufen quasi auf gut Glück. Aber sie können damit Geld verdienen. Denn diese Personen betreiben auf Märkten so eine Art Bekleidungshandel.

Man hat kleine Baracken gesehen, die so etwas wie Boutiquen darstellen sollten. Die Landsmänner sind dann da hin gegangen und haben die Ware für wenig Geld erstehen können. Von diesen Einnahmen haben die Verkäufer wiederum ihre Familien und sich selbst versorgen können.

Ich denke, es ist immer etwas Gutes, wenn man seine Kleidung in die dafür vorgesehenen Container wirft. Es bleibt einfach die Hoffnung, dass man damit etwas für arme Menschen machen kann. Wenn man sie wegwirft, ist dieser Glaube von Anfang an für die Katz'.

» Fabienne3 » Beiträge: 824 » Talkpoints: 23,73 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich habe da durchaus schon Stimmen gehört, die mit Deiner Meinung übereinstimmen, Diamante. Den Händlern in Afrika etc. schaden die Kleidungsspenden natürlich nicht. Denen ist letztlich egal, ob sie Neuware oder Altkleider verkaufen. Die produzierende Industrie in afrikanischen Ländern leidet sehr wohl darunter. Berücksichtigt man dann noch, dass ein großer Teil der Bekleidungsindustrie in Billiglohnländern eher in Asien angesiedelt ist (China ist weltweit Hauptexporteur von Textilien, ) stimmt auch die Behauptung nicht, dass unsere Kleider sowieso mal in Afrika hergestellt wurden. Afrika liegt bekanntlich nicht in China. Die anderen Länder mit dem Löwenanteil der Textilproduktion sind Indien, Bangladesh und der nahe Osten.

Wenn die Armen in Afrika also unsere gebrauchten Kleider bekommen, nimmt man einigen einheimischen Spinnern, Webern und Schneidern die Arbeit weg. Das Zeug muss definitiv dort nicht produziert werden. Die Leute können ihre Qualifikationen nicht an die nachfolgenden Generationen weitergeben, weil der Markt es nicht benötigt. Im Endeffekt macht man die Leute dadurch abhängig und unselbständig.

Sinnvoller ist in so einem Fall immer, ein seriöses Bildungsprogramm zu unterstützen, das Hilfe zur Selbsthilfe ermöglicht oder Fair-Trade-Produkte zu kaufen, wo die Arbeitenden einen halbwegs fairen und Existenz sichernden Lohn bekommen.

Wenn man alte, aber noch gute Kleidung Afrika zu Gute kommen lassen will, kann man sie beispielsweise bei Oxfam-Läden abgeben. Webseite von Oxfam Die verkaufen die Klamotten in Second-Hand-Läden in Deutschland und investieren den Erlös in Bildungsprogramme. Es gibt sicherlich noch andere, ähnlich gelagerte Initiativen. Mir fallen im Moment allerdings keine ein. Träger sind oft auch regionale Vereine.

Eine andere Sache ist es natürlich, solche Kleiderspenden in Kriegsgebiete oder in Gebiete nach einer Naturkatastrophe zu spenden, wo man akut schnell Kleidung braucht. Da steht nun mal kurzfristig das nackte Überleben im Vordergrund, der Wiederaufbau der Wirtschaft kann da nur langfristig angegangen werden.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Diamante hat geschrieben:Wer kauft denn dort noch Kleidung, wenn sie diese von Deutschland gespendet bekommt?

Die Frage ist doch die: haben diejenigen, die auf Kleiderspenden angewiesen sind überhaupt die Mittel, sich alternativ Kleidung auf dem heimischen Markt käuflich zu erwerben? Hier zeigt sich ein Marktversagen insofern, dass bei Gütern nicht der Bedarf entscheidend ist, sondern die Möglichkeit den Bedarf nach marktwirtschaftlichen Kriterien zu decken.

Außerdem kommt ja der Aspekt hier auch noch zum tragen: wer Kleider entsorgt muss sich Ersatz beschaffen. Also neue Kleider kaufen. Und diese werden idR. ja da produziert, wohin die gebrauchte Kleidung (z.B. Indien) geschafft wird. So ein Produzieren sorgt ja wieder für Arbeitsplätze (wenn auch diese nicht immer ein Auskommen garantieren).

Schädlich dürfte das Ganze nur dann werden, wenn die gespendeten Kleider von Banden an sich gebracht werden (wie auch immer) und dann, ganz im Sinne der Privatwirtschaft, entsprechend verwertet werden.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Vielleicht seht ihr das zu sehr aus europäisch-industrialisierter moderner Sicht. Man muss sich ja nicht sofort alles fertig kaufen! Bis vor ein paar Jahren hat man sich hierzulande ja auch noch die Kleidung weitgehend in Handarbeit angefertigt oder anfertigen lassen.

Ich denke da auch gerade an Mahatma Gandhi, der während des Indischen Widerstandes die Bevölkerung dazu aufrief, sich die Kleidung selbst zu fertigen. Und das von der Pike an. Erst den Faden am Spinnrad spinnen, dann selbst den Stoff weben usw. Dieses Prinzip ist denke ich auch auf Afrika übertragbar. In Indien war diese Aktion, die Textilimporte der englischen Kolonialmacht zu boykottieren, gekoppelt mit den anderen Maßnahmen so erfolgreich, dass Indien heute ein aufstrebender und unabhängiger Staat ist. In Andenken an den Widerstand trägt die Indische Flagge heute noch ein Spinnrad als Staatssymbol. Wenn man das so sieht, dann handelt es sich auch in Afrika möglicherweise um ein Instrument der Unterdrückung, die Wirtschaft mit Importtextilien zu ruinieren. Uns wird das zwar als nette Hilfsaktion verkauft, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das keiner der Verantwortlichen wissen will, wie sich das auf die afrikanische Wirtschaft auswirkt.

Natürlich haben die Afrikaner keine gebrauchten Markenklamotten mehr, sondern nur uncoole Handarbeiten. Wenn es aber um das Überleben und die Zukunft, also so essentielle Dinge geht, ist es doch unwichtig, ob die Hose eine Marke hat, oder nicht. Freiheit, Menschenwürde und Selbstständigkeit sind Werte, neben denen eine Marke geradezu lächerlich wirkt.

Es wäre sicherlich eine schwierige Situation, wenn von heute auf morgen keine Kleidung in Afrika mehr ankäme. Allerdings halte ich es für sinnvoll, dass man dieses Konzept mit den Kleiderspenden langsam aber sicher beenden sollte und durch langfristig wirksame Hilfsangebote ersetzen sollte.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


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