Schallplatten nass abspielen?

vom 14.07.2010, 10:32 Uhr

ich habe noch einige "Schätzchen" aus meiner Jugendzeit und als ich früher in Diskotheken war, haben die DJ´s die Schallplatten immer mit ein paar Tropfen Wasser abgespielt. Sie meinten, dass die Rillen sich dann beim Abspielen säubern und die Platten durch das Reinigen nicht zerkratzen. Das haben damals viele Diskjockey`s gemacht.

Da ich nun auch mal wieder meine alten Langspielplatten aus dem Schrank holen wollte und mal abspielen wollte, frage ich mich, ob es wirklich den Platten nicht schadet, wenn ich ein paar Tropfen Wasser auf die Platten gebe, während sie abspielen. Kennt sich hier jemand damit aus und kann mir davon abraten oder dazu raten es so zu machen? Bitte schreibt eine Begründung dabei.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ich bin da kein Experte, kann Dir aber erklären was ein Bekannter von mir mir erklärt hat, der passionierter LP-Sammler ist.

Das Vinyl der Schalplatte ist im Prinzip nichts anderes als Polyvinylchlorid, kurz PVC. Wie die meisten Kunststoffe lädt sich das PVC gerne elektrostatisch auf und zieht dann allerlei Substanzen wie ein Magnet an sich. Das kann von Zigarettenrauch über Küchenwrasen bis Staub gehen. Partikel müssen nur so klein sein, dass sie von der elektrostatischen Anziehungskraft auf der Oberfläche und in den Rillen fest gehalten werden.

Die meisten Leute haben früher vor dem Abspielen die Schallplatten einfach mit so einem Kissen aus Samt oder einer Kohlebürste von Fusseln befreit. Wer Schallplatten kennt, weiß ja wie sehr der Ton nachlässt, wenn am Tonabnehmer ein Fusselpuschel hängt. Der Tonabnehmer wird in der Schwingung durch den Puschel gebremst und überträgt nur noch Teile des Tonsignals an den Verstärker. Um das zu vermeiden, reicht das Abbürsten. Allerdings können nicht nur die Fussel den Ton stören.

Um das zu verstehen muss man das Funktionsprinzip einer Schallplatte kennen. Also muss ich zwangsläufig für die von Dir gewünschte Erklärung etwas ausholen. In immer enger werdenden kreisförmigen Bewegungen wandert der Tonabnehmer durch eine Rille. In dieser Rille ist die Musik in Form von winzigen kleinen Huckelchen mechanisch abgespeichert. Wenn der Tonabnehmer durch diese Rille fährt, bringen ihn die vielen winzigen Huckelchen zum Schwingen. Wenn man den Verstärker früher abgeschaltet hat, hat man die Musik ganz leise gehört, wenn man das Ohr an den Plattenteller gehalten hat. Dies klappte, weil man die Schwingung des Tonabnehmers, die sich auf den Plattenspieler als Resonanzkörper übertragen hat leise hören konnte.

Doch wie funktioniert das? Ein Ton, den wir hören ist im Grunde nichts anderes als Luft, die in gleichmäßige Schwingung gebracht wurde. Der Kammerton a schwingt beispielsweise mit etwa 440 Schwingungen pro Sekunde. jeder Ton hat eine andere Schwinggeschwindigkeit. Je schneller etwas schwingt, desto höher klingt der Ton. Ein Geräusch, z. B. ein Knacksen entsteht dann, wenn etwas kurz aber nicht gleichmäßig in Schwingung gebracht wird.

Ein ähnliches Phänomen kann man beim Autofahren beobachten. Die winzigen Unebenheiten auf dem Asphalt versetzen die Bestandteile des Reifens in Schwingung und es entsteht ein Ton, der je nach Fahrgeschwindigkeit anders ist.

Zurück zur Schallplatte: Staub ist nicht immer nur weich und fluffig. Staub besteht zum Teil auch aus ganz feinem Sand, der mit dem Wind herum getragen wurde und anderen harten Materialien in winzigen Teilchen. Wenn sich solche harten Staubpartikel in die Tonrille setzen, kann folgendes geschehen: Es entstehen bei kleinen Staubpartikeln mehr oder weniger Knistergeräusche, die das Tonerlebnis stören. Die Staubpartikel kann der Tonabnehmer ja leider nicht von echten Informationen tragenden Hügelchen unterscheiden. Zum Anderen ist der Saphir, der auf der Spitze des Tonabnehmers sitzt sehr hart und kratzt manchmal Staubpartikel aus der Rille heraus und schleppt sie vor sich als kleinen Berg her. Wenn das harte Staubkörner sind, wirkt der Staub wie Schmirgelsand. Die echten Berge in der Tonrille werden mit jedem Abspielen ein kleines Stück weiter abgeschliffen. Wenn man eine Lieblingsplatte oft abspielt, wird der Ton von mal zu mal langweiliger und verhuschter. Dass Schallplatten sehr kratzempfindlich sind weiß jeder, dem schon mal der Tonarm aus der Hand gefallen ist.

Deshalb reinigen Freaks (z. B. DJs) ihre Platten vor dem Abspielen regelmäßig vom Staub. Da sie ihre Platten oft häufiger als Privathörer abspielen unterliegen die nämlich einem starken Verschleiß. Dafür gibt es natürlich auch Spezialreiniger im Handel, aber ein wenig Spülmittel plus destilliertem Wasser und ein weiches (!) Tuch soll laut meinem Bekannten auch gut geeignet sein für den Hausgebrauch. PVC ist ja bekanntlich Wasserfest. Allerdings sollte man tunlichst davon absehen Lösungsmittel zum Reinigen zu verwenden. Das macht die Schallplatte leicht kaputt. Gerade wenn Platten lange lagerten ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich Staubkörnchen und Schmierfilme auf der Platte abgesetzt haben. Eine sanfte Reinigung ist da von Vorteil, den Reinigungs-Effekt kann sogar ich als Nicht-Freak gut und deutlich am Klang heraushören.

Das Wasser, das der DJ auf die Platte gibt, funktioniert hier wie ein Schmierfilm, der die Reibung zwischen Tonabnehmer und Platte herabsetzt. Beim Fahrrad würde man da einfach Schmieröl verwenden. Aber wer möchte schon eine Ölschicht auf einer LP haben? Also nimmt man destilliertes Wasser, das rückstandsfrei verdunstet. Diese Befeuchtung bewirkt eben nur, dass der Tonabnehmer mit weniger Reibung über die Platte rutscht. Wenn weniger Reibung da ist, verschleißt die Platte nicht so schnell. Ob das für Dich zu Hause wichtig ist, wenn Du gelegentlich mal eine Platte hören willst, glaube ich nicht. Ob es einen guten Effekt auf den Sound bei der einmaligen Wiedergabe hat, weiß ich nicht. Das musst Du ausprobieren. Wenn es toll klingen sollte, spricht eigentlich nichts dagegen. Ich würde nur darauf achten, dass die Schallplatte vollkommen getrocknet ist, bevor sie in die Hülle zurück kommt.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


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