Junge Menschen und Erschöpfung
Ein Bekannter, der schon in etwas fortgeschrittenerem Alter ist, fragte mich heute, ob mein Freund und ich denn am Wochenende auch oft Ausflüge in die Natur machen, was ich verneinen musste. Wir leben zwar in einer ländlichen Gegend und es gibt schon viele interessante Ausflugsziele in der Gegend, aber wir können uns nach einer anstrengenden Woche irgendwie nie dazu aufraffen. Mein Bekannter meinte daraufhin, dass er das gar nicht verstehen könnte, weil er, als er jung war, nie erschöpft war und sich sowieso nie beschwert hätte.
Mein Freund arbeitet in der Landwirtschaft in Schichtarbeit, sodass er oft entweder mitten in der Nacht aufstehen muss oder eben bis spät abends arbeitet. Außerdem ist die Arbeit auch generell köperlich anstrengend, sodass ich schon verstehen kann, dass er am Wochenende einfach mal entspannen möchte. Es ist ja auch nicht so, dass wir das ganze Wochenende über im Bett liegen. Wir kochen gemeinsam oder treffen uns mit Freunden zum Kaffee trinken, schauen uns mal einen Film an oder machen einen kurzen Spaziergang. Mein Freund hilft auch zweimal im Monat am Wochenende bei der Organisation von Sportturnieren in einem lokalen Jugendzentrum. Wir haben nur halt sehr selten Lust dazu, einen Tagesausflug in die Umgebung zu machen.
Mein Bekannter konnte diese Einstellung jedenfalls überhaupt nicht nachvollziehen. Woher kommt diese Vorstellung, dass junge Leute nie geschafft sein können? Ich kann zwar verstehen, dass ältere Leute vielleicht schneller müde werden oder vieles für sie aufwendiger ist, aber ein langer Arbeitstag kann doch auch für einen jungen Menschen anstrengend sein. Wieso muss man alles einfach so wegstecken können, nur weil man jung ist?
Ich denke da spielen verschiedene Faktoren mit. Man kann aber wohl kaum sagen, dass junge Leute heutzutage schneller erschöpft sind, als die jungen Leute früher. Zum einen weiß ich nicht, in was für einer Branche dein Bekannter arbeitet und was er da machen muss. Sind es sitzende oder stehende Tätigkeiten, muss er geistige oder körperliche Arbeit verrichten?
Außerdem ist es wohl auch bei jedem Menschen unterschiedlich wie schnell er erschöpft ist und nicht jeder braucht nach einer harten Arbeitswoche noch zusätzlich viel Bewegung und Action in der Freizeit. Es gibt ja Menschen, die nutzen jede freie Minute um sich sportlich auszutoben, für mich beispielsweise ist das überhaupt nichts. Ich entspanne lieber zu hause vor dem Fernseher oder mümmel mich mit einem guten Buch im Bett ein.
Ich denke jeder sollte für sich selbst entscheiden, wie er seine Freizeit verbringt und das hat dann auch wenig mit dem Alter zu tun, sondern mit dem Menschen selbst.
Solche Aussagen wie die deines Bekannten habe ich von älteren Leuten auch schon oft gehört. Sie behaupten häufig, in früheren Jahren wesentlich mehr Energie gehabt zu haben als die jungen Leute heutzutage. Ich bin aber der Meinung, dass dies nur eine subjektive Empfindung ist. Der Mensch neigt m.E. dazu, seine eigenen Leistungen rückblickend zu überschätzen. Noch dazu nimmt die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Menschen mit zunehmendem Alter ab. Beide Faktoren zusammen genommen führen vermutlich zu dem Schluss, dass man selbst in jüngeren Jahren fitter, unternehmungslustiger und energiegeladener war als die "Jugend" von heute.
Demzufolge würde ich mir die Worte deines Bekannten nicht so sehr zu Herzen nehmen. Auch ein junger Mensch hat das Recht, nach getaner Arbeit erschöpft und müde zu sein. Man muss nicht seine letzten Enegiereserven für ausgiebige Ausflüge zusammen kratzen, um gegenüber älteren Menschen als "normal" zu gelten. Wichtig ist doch nur, dass man sich mit seinem eigenen Lebenstil wohlfühlt, nicht aber was Außenstehende darüber denken.
Auf solche Kommentare wie die deines Bekannten reagiere ich echt allergisch und mittlerweile reiße ich mich da auch gar nicht mehr zusammen. In meinem indirekten Umfeld habe ich jemanden, der ist jetzt um die 75 Jahre und einfach mal grundsätzlich der Ansicht, die jungen Leute von heute arbeiten ja so oder so nicht hart und was er so als junger Kerl alles hätte leisten müssen, davon hätten wir ja alle gar keine Ahnung und richtiges 'Schaffen' könnten wir uns auch gar nicht vorstellen.
Wie man so bescheuert, weltfremd und arrogant sein kann, ist mir echt ein Rätsel und ich finde, du musst da wirklich mal dagegensteuern. Ich würde einmal etwas dazu sagen, meinen Standpunkt klar machen, ihm erklären, dass es auch heute hart, körperliche Arbeit gibt und dann wäre das Ding aber für mich auch gegessen. Diskussionen in der Hinsicht würde ich direkt ausschlagen und mich gar nicht auf ein Gespräch einlassen. Solche Leute sind einfach der Ansicht sie seien das Non-plus-ultra, unersetzlich und nur sie wüssten überhaupt wie das wahre, harte Leben so aussieht. Dann musst du ihn das glauben lassen; aber meine Zeit wäre mir echt zu schade, mit so einem noch zu diskutieren. Von seinem Standpunkt wird er ohnehin nie abweichen.
Hallo channale, ich verstehe Deine Aufregung schon etwas, wobei ich sagen muss, dass ich fast vermute, dass Du Euch unter Wert verkauft hast. Denn wenn ich es richtig verstehe, dann blieben Euch gar nicht so viele Wochenenden, an denen Ihr viel unternehmen könnt, da Dein Freund sich ja auch sozial engagiert. Das darf man absolut nicht vergessen!
Außerdem habe ich bei vielen älteren Leuten einfach auch das Gefühl, dass da die Erinnerung doch sehr geschönt ist. Bei meiner Oma war es auch immer so, dass sie der Meinung war, wir hätten im Haushalt und so weiter weniger Arbeit, da wir so viele Haushaltshelfer. Da könnte man dann doch mehr machen, sie dagegen hätten das ganze Wochenende zu tun gehabt. Andererseits hatten sie erstaunlicherweise aber immer noch genug Zeit, um am Wochenende dies, das und noch jenes zu tun. Was ich damit sagen will: irgendwas kann da nicht stimmen. Deshalb sollte man sich von den Behauptungen älterer Leute nicht verrückt machen lassen.
Was ich aber bei mir selbst bemerke, mit klaren Zielen vor Augen und genug Antrieb in der Tat viel weniger erschöpft bin und länger durchhalte. Bei mir ist es eher so, dass meine Eltern dann mal kopfschüttelnd nachfragen, wie das sein kann. Dann stellen wir aber meist fest, dass es bei ihnen nicht anders ist. Vielleicht hatte Dein Bekannter ja früher auch mal mehr Motivation und bei Euch ist sie derzeit nicht so ausgeprägt?!
Ich bin nach der Arbeit meistens auch ziemlich erschöpft und manchmal muss ich mich gleich nach dem Nach hause kommen eine Stunde hinlegen, weil ich so wahnsinnig müde bin und mich wie gerädert fühle. Auf Arbeit spüre ich meistens noch nichts davon, das kommt alles erst auf dem Heimweg. Wenn ich mich dann wieder aufgerappelt habe (ich könnte eigentlich auch liegen bleiben und bis frühs durchschlafen), eine Kaffee getrunken ahbe, dann geht es schon wieder und ich kann für meinen Freund da sein.
Am Wochenende bin ich dann aber auch nicht für größere Unternehmen zu haben, sowas muss im Urlaub gemacht werden oder wenn zumindest einer von uns Urlaub hat. Nicht, weil ich dann schwach bin, aber irgendwie bleibe ich auch gerne mal zu Hause bzw. gehe kleineren Aktivitäten nach wie Theater oder Kino oder Essen gehen. Ich möchte dann einfach ganz viel innige Zeit mit meinem Freund verbringen uhnd nicht so viel draußen herumgondeln. Da freue ich mich immer schon das ganze Wochenende darauf.
Aber ich weiß auch nicht, warum man als junger Mensch nicht erschöpft sein darf. Die Tätigkeiten sind dieselben wie die von älteren Menschen, also darf man doch eigentlich auch mal müde sein, oder? Natürlich sind unsere Knochen fiter, aber unser Kopf ist genauso schnell müde. Da gibt es keinen Unterschied.
Allerdings tut mir nach der Arbeit auch alles weh. Meine Mutter sagt dann auch immer: du hast Beschwerden wie ne alte Frau. Naja, aber wenn es doch nunmal nicht einfach ist. Mit Motivation hat das aber nicht viel zu tun. Ich bin durchaus sehr motiviert und gehe gerne meiner Arbeit nach, nur ist sie manchmal wirklich eben auch sehr anstrengend.
Was meine Mutter immer anmerkt, ist, dass sie selbst in jungen Jahren mehr Energie hatte als heute. Wenn sie etwas wirklich anstrengendes hinter sich hat, behauptet sie immer mit 30 hätte ihr das nichts oder jedenfalls viel weniger ausgemacht und ärgert sich, dass sie nun, mit knapp 60 völlig erschöpft ist. Inwieweit das stimmt, kann ich nicht nachvollziehen, ich war ja nicht dabei. Aber tendenziell wird sie wohl Recht damit haben, dass sie "in den besten Jahren" leistungsfähiger war als mittlerweile in Rentennähe.
Irgendwo habe ich mal die Kritik gelesen, dass das Leben immer schneller wird. Ein Stück weit stimmt das sicher. Ich mag mein Handy und ich bin gerne im Internet, keine Frage. Das hat alles viele Vorteile und ist sehr bequem. Aber es baut eben auch zusätzlichen Stress auf. Es hatte sicher auch seine guten Seiten nicht dauerhaft erreichbar zu sein. Und nicht nur über die technischen Neuerungen oder die Medien, auch in vielen anderen Belangen ist das Leben unentspannter geworden. Vom Druck im Beruf, der momentan von Seiten der Wirtschaftskrise ausgeht mal ganz zu schweigen. Die welt ist größer, bunter, lauter und vielfältiger geworden und wir haben quasi die Qual der Wahl. Klar, wer automatisch den gleichen Beruf lernt wie sein Vater und dessen Betrieb übernimmt kann sich nicht entfalten. Er muss sich aber auch keine Gedanken darüber machen, was er mit seinem Leben anfangen will.
Und ich denke, dass das ebenfalls ein Faktor ist, der eine Rolle bei der Belastbarkeit spielt. Wir arbeiten vielleicht körperlich nicht so hart wie die jungen Menschen der vorherigen Generation, aber die emotionale und intellektuelle Belastung ist eher gestiegen. Insofern kann man nicht gut generationenübergreifend argumentieren, weil die Lebensumstände sich einfach gravierend unterscheiden. Und natürlich ist jeder Mensch, wie auch schon oben angemerkt, eine eigene Persönlichkeit mit eigenen Stärken und Schwächen und damit auch unterschiedlich belastbar in unterschiedlichen Bereichen. Von daher: Wenn es deinen Bekannten alles nicht stresst ist das ja schön für ihn, deswegen kann es dich und deinen Freund ja aber trotzdem anstrengen und nerven. Dafür findet ihr vermutlich andere Dinge einfach, die dem Bekannten Probleme machen. Da meckert ihr ja auch nicht rum, warum er damit Schwierigkeiten hat.
Und Ausflüge zu machen ist nicht nur eine Frage der Energie, sondern auch eine Frage der Lust. Wenn ihr also keine habt, und sei es nur, weil es euch zu anstrengend ist, müsst ihr auch keine machen, warum muss man das kritisieren und hinterfragen?
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