Streit unter Kindern im Hort

vom 07.06.2010, 19:22 Uhr

Heute habe ich folgende Geschichte gehört, zu der ich auch um Rat gebeten wurde. Leider fiel mir das recht schwer. Zwei Kinder J und L gehen gemeinsam in den Hort, J geht in die dritte Klasse, L in die erste. Nun spielen die beiden Kinder gemeinsam, wobei L J auf einmal grundlos mehrmals schlägt und auch schubst. J sagt L, es solle das lassen, was L aber nicht tut, darauf wendet sich J an die anwesende Erzieherin, die aber nur abwiegelnd meint, L möge das bitte lassen. Das tut L aber nicht, worauf J das Kind bei der nächsten Attacke schubst. Darauf fällt L um und schreit wie am Spieß, nach Js Ansicht völlig übertrieben. Die nun aufmerksam gewordene Erzieherin kümmert sich um L und fordert von J am nächsten Tag eine schriftliche Entschuldigung gegenüber L.

Was soll man nun dazu raten? Da diese Schilderung allein von J stammt, habe ich dazu geraten, dass J gemeinsam mit dem Vater, der das Kind morgen vom Hort abholen wird, noch mal das Gespräch mit der Erzieherin sucht und der Erzieherin die Sichtweise des Vorfalles aus Js Sicht schildert. J hat nämlich durchaus eingesehen, dass es über reagiert hat und ist auch bereit sich bei L zu entschuldigen, fordert aber nun von L, dass L sich auch bei ihm entschuldigt.

Hinzuzufügen ist noch, dass L und J aus Sicht von Erwachsenen beides keine Unschuldslämmer sind und beide schon mal etwas flunkern. J Schilderung klingt aber schon glaubwürdig, denn ich kenne J ja gut.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Zuerst einmal finde ich es absolut in Ordnung, dass J. diese Entschuldigung schreiben muss. Es ist nun einmal nicht ganz richtig, auf Gewalt mit gewalt zu reagieren und ich persönlich kann es mir nicht vorstellen, dass es für J. keine andere Möglichkeit gegeben haben soll, sich gegen L. zur Wehr zu setzen. Wenn sich die Situation tatsächlich so zugetragen hat, dann muss J. auch lernen, dass es manchmal besser ist, dem Streit aus dem Weg zu gehen, sich beispielsweise in unmittelbarer Nähe zur Erzieherin aufzuhalten, anstatt sich weiterhin mit L. abzugeben.

Trotzdem ist es natürlich klar, dass J. sich ungerecht behandelt fühlt, da derjenige, der seiner meinung nach angefangen hat, ganz ohne Strafe davonkommt und sogar noch von der erzieherin umsorgt wird. Kennst du die Erziehrin? Wie verständnisvoll ist sie? Meine Idee wäre nämlich, dass J. nicht nur eine reine Entschuldigung verfasst, sondern neben der Entschuldigung an L. auch schreibt, was er ungerecht gefunden hat und dass er es schön fände, wenn sich L. ebenfalls bei ihm entschuldigen könnte. Er könnte ja auch schreiben, dass er L. eigentlich gerne mag und wieder mit ihm spielen möchte, dass ihm aber diese Entschuldigung wichtig ist. Vielleicht macht das Eindruck auf den anderen Jungen. Das Ganze könnte auch im Vorhinein mit der Erzieherin abgesprochen werden.

Wenn das nicht klappt, wäre das natürlich sehr schade und für J. bestimmt nicht gerade angenehm. An diesem Beispiel kann man ihm aber dennoch sehr gut erklären, warum es besser ist, sich aus einem derartigen Konflikt zurückzuziehen. Auch muss er lernen, manchmal mit etwas zu leben, das er ungerecht findet, weil man seine Version der Geschichte nicht nachweisen kann. Das ist nicht schön, aber passiert eben hin und wieder.

» Anemone » Beiträge: 1740 » Talkpoints: 764,26 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Hat es eigentlich einen tieferen, mir nicht bekannten psychologischen Hintergrund, dass die Erzieherin hier zwischen der angeblichen Tat und der Bestrafung so viel Zeit verstreichen lässt? Was sollte J aus der Geschichte denn bitte schön lernen? Klar, er geht in die dritte Klasse. Dennoch denke ich, dass es sich hier um ein Kind handelt. Die Situation, so schwer es für die Erzieherin auch sein mag, sollte sofort aufgelöst werden. Eine Aburteilung in der Form ist eigentlich nicht tragfähig. Und ich würde auch mit den Eltern des J reden, so dass diese sich der Sache auch mit der Erzieherin annehmen und darauf bestehen, dass erläutert wird, was an der Schilderung von J nicht stimmen kann oder soll.

Eine Entschuldigung kann natürlich verlangt werden, weil es keine Lösung ist, seine körperliche Überlegenheit so einzusetzen. Aber die Entschuldigung darf eben nicht der als Strafe dienen oder so missverstanden werden. Nebenbei wäre die Entschuldigung sicher nicht die Tinte wert, mit der sie verfasst worden wäre.

An Stelle der Erzieherin würde ich übrigens vielmehr den Aggressor L in die Pflicht nehmen. Und sollte dies nicht er erste Vorfall in der Richtung gewesen sein, sollten hier auch die Eltern von L mit ins Boot genommen werden. Auch hier handelt es sich um ein kleines Kind. Jetzt aus der ersten Klasse. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass dieses im sozialen Verhalten eine Art Narrenfreiheit genießen würde.

Noch mal: am besten wäre wohl gewesen, die Situation an Ort und Stelle sofort aufzulösen oder aber deutlich zu machen, dass sich beide falsch verhalten haben und man noch bzgl. der Gewichtung über die Sache nachdenken wird.

Leider klang es aber so, als sei die Erzieherin in der Situation zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, dass das so nicht hat passieren können. Traurig auch, dass sie so schnell zu einem Urteil gekommen ist, ohne den Vorlauf der Geschichte entsprechend der Bedeutung zu würdigen.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Anemone hat geschrieben:Es ist nun einmal nicht ganz richtig, auf Gewalt mit gewalt zu reagieren und ich persönlich kann es mir nicht vorstellen, dass es für J. keine andere Möglichkeit gegeben haben soll, sich gegen L. zur Wehr zu setzen.

Sieht man das ganze so, dann kann man aber auch hinein interpretieren, dass J ja erst durch die Reaktion der Erzieherin auf die (zugegeben nicht richtige) Lösung kam, das es ja in Ordnung ist Gewalt anzuwenden. Denn auf die Beschwerden Js hat ja die Erzieherin nach Js Schilderung nicht reagiert.

Anemone hat geschrieben:Wenn sich die Situation tatsächlich so zugetragen hat, dann muss J. auch lernen, dass es manchmal besser ist, dem Streit aus dem Weg zu gehen, sich beispielsweise in unmittelbarer Nähe zur Erzieherin aufzuhalten, anstatt sich weiterhin mit L. abzugeben.

Der Klügere gibt nach? Genau so lange, bis er der Dumme ist. Ich denke, wenn sich denn alles wirklich so zugetragen wie geschildert, dann J L doch schon zurecht gewiesen und sich zusätzlich bei der Erzieherin Rückenhalt gesucht, das sollte eigentlich reichen.

@derpunkt: Mir schien nach der Schilderung die Erzieherin auch reichlich abwesend, fast so als hätte sie von der Rangelei nichts mit bekommen. In einem solchen Fall finde ich es grundsätzlich schlecht urteilen zu wollen. Und daher würde ich auch gar nicht L in die Pflicht nehmen wollen. Wer weiß, welche Version L von der Geschichte erzählt. Und da fände ich es sinnvoller, eine Aussprache herbei zu führen.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



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