Eltern die ihre Kinder für hochintelligent halten
Hallo!
Mir ist neulich was recht unangenehmes passiert. Ich arbeite hin und wieder mal im Jugendzentrum, wo ich Kinder bei den Hausaufgaben betreue, Nachhilfe in bestimmten Fächern gebe oder auch auf Gruppen von Kleinkindern aufpasse. Seit einiger Zeit haben wir nun auch einen 8 jährigen Jungen bei uns, dessen Eltern nach der Schule noch nicht zu Hause sind und die deshalb eine Betreuung für den Jungen haben wollten. Der Junge kommt also von der Schule, isst eine Kleinigkeit und spielt dann ein wenig mit den anderen Kindern, bevor er sich an die Hausaufgaben setzt. Seine Eltern kommen ihn dann um drei Uhr wieder abholen.
Da ich dem Jungen hin und wieder bei seinen Hausaufgaben helfe, merke ich natürlich auch, wie Leistungsstark das Kind ist. Letztes Mal bin ich allerdings von den Eltern des Jungen angesprochen worden. Diese meinten doch tatsächlich, dass ihr Sohn mit Sicherheit ein überdurchschnittlich Intelligentes Kind sei und dass sie es gut finden würden, wenn ich ihnen ein paar Adressen geben könnte, wo man das Kind hin schicken könnte, um seine Intelligenz und Lernfähigkeit noch zu fördern. Das Jugendzentrum hat tatsächlich einige Beratungspersonen beriet, die Empfehlungen für Kurse und Gruppen haben, in die man überdurchschnittlich intelligente Kinder schicken kann um sie zu fördern.
Ich war um ehrlich zu sein etwas überrascht, denn mir war überhaupt nicht aufgefallen, dass der Junge irgendeine besondere Stärke zu haben schien. Die Aufgaben in den verschiedenen Fächern meisterte er mit normaler Geschwindigkeit und der Fehlerquotient war absolut im Durchschnitt. Es gab so einige Kinder bei der Betreuung, die besser waren als er und somit über dem Durchschnitt lagen, aber er tat es nun mal nicht. Er ist ein guter, mittelmäßiger Schüler, aber er ist nicht überdurchschnittlich gut. Sicherlich bekommt man in der kurzen Zeit, die ich ihn sehe nicht alles mit, aber wenn ein Kind wirklich hoch intelligent wäre, hätte man das doch wohl merken können oder etwa nicht?
Ich habe mich um ehrlich zu sein nicht getraut, die Eltern darauf anzusprechen und habe ihnen nur den Infozettel in die Hand gedrückt und sie gehen lassen. Laut den Eltern hat der Junge schon im Kindergarten seinen Namen schreiben können (konnten wir das nicht alle?), hätte das Schreiben und Lesen schneller gelernt, als die anderen Mitschüler (davon habe ich aber irgendwie nichts bemerkt) und rechne auch deutlich schneller (habe ich auch nie bemerken können). Nun ist natürlich auch fraglich, ob diese Kriterien ausreichen um ein Kind als hochintelligent zu bezeichnen. Meiner Meinung nach gehört da noch ein bisschen mehr zu.
Ich weiß nicht, wie das in der Klasse des Jungen so zugeht, aber kann es sein, dass es dort vielleicht viele ausländische Kinder gibt, die nicht direkt mit der Deutschen Sprache aufgewachsen sind und diese deshalb etwas langsamer lernen? Angenommen es würde tatsächlich einen hohen Anteil solcher Kinder geben, dann ist das doch nicht unbedingt die Art von Schüler, mit denen man ein solches Kinder vergleichen könnte oder? Wenn der Junge nun scheinbar schneller lernt, als die anderen Kinder, aber es in Wirklichkeit so ist, dass die anderen Kindern nur langsamer lernen, als normal?
Meiner Meinung nach neigen viele Eltern einfach viel zu schnell dazu, ihr Kind als hochintelligent zu erklären. Es ist nicht der erste Fall, den wir im Jugendzentrum hatten und mich erstaunt es immer wieder, was Eltern zu dieser Behauptung bringen kann. Einige sind schon voll auf begeistert, wenn das Kind was völlig normales tut und meinen die andern Kinder würden das nicht so toll machen, wie ihr eigenes. Ist es einfach nur die Angst, dass das Kind vielleicht doch nicht so intelligent sein sollte und nachher auf der Hauptschule landet und nicht im Gymnasium, wie das Nachbarkind? Finden Eltern solche Vorstellungen so schrecklich, dass sie ständig nach Anzeichen von Intelligenz an ihren Kindern suchen? Ist es euch auch schon mal aufgefallen, wie schnell Eltern dazu neigen, ihre Kinder als übermäßig begabt hinzustellen?
Ich kenne das auch aus meiner eigenen Familie. Die Eltern meiner jüngeren Kusine meinen tatsächlich, dass sie extrem klug sei, und noch dazu sehr hübsch. Dabei entspricht es direkt dem Gegenteil! Im Grunde wäre es ihnen oder zumindest der Mutter immer lieber gewesen, wenn ich ihre Tochter geworden wäre, das hat jedenfalls die Oma der Frau zu meiner Oma gesagt.
Und aus dem Grund hat die Mutter meiner Kusine (gleichzeitig meine Patin) irgendeinen Hass gegen mich entwickelt und ihrer Tochter eingeredet mich schlecht zu machen, damit sie wenigstens im Vorschein aller steht. Das hat sie aber nie geschafft! Seit dem bin ich mit ihr verstritten.
Nun, aber diese "Überintelligenz" wie es manche nennen, ist sehr oft immer weit hergeholt. Denn wenn es so wäre, wäre ich ein glattes Genie! Leider bin ich es aber nicht. Solche Eltern sollten vielleicht mal darüber nachdenken, ob es jemanden in der Familie gab, der eine solche hohe Intelligenz besitzt. Falls dass nicht der Fall sein sollte, wäre es keinen Gedanken mehr wert. Einfach lächerlich irgendwie.
Ich habe auch schon häufiger mitbekommen, dass Eltern ihre Kinder als wahre Wunderkinder präsentieren, obwohl diese eigentlich ganz durchschnittliche Leistungen ablieferten. Das Problem vieler Eltern ist einfach, dass sie sich insgeheim ein außergewöhnlich intelligentes Kind wünschen, einen echten Übflieger haben wollen, auf den sie dann stolz sein können. Oft genug sollen die Kinder das kompensieren, was die Eltern in ihrem Leben nicht erreicht haben. Die wenigsten Kinder können die Anforderungen solcher Eltern erfüllen.
Das Problem ist, dass manche Eltern einfach nicht wahrhaben wollen, dass ihr Kind lediglich durchschnittlich begabt ist, und die dann jede scheinbar außergewöhnliche Regung ihrer Kinder direkt als Zeichen einer weit überdurchschnittlichen intellektuellen Befähigung ansehen. Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig ist, solche Eltern schließlich davon zu überzeugen, dass ihr Kind wohl nicht das Superhirn ist, das sie sich erhofft haben. Ich denke, dass bei solchen Eltern einfach sehr viele persönliche Interessen eine Rolle spielen und das Kind, vielleicht unbeabsichtigt, zum Statussymbol wird.
Ich wäre in der Situation, die du erlebt hast, wahrscheinlich auch erst einmal überrascht gewesen. Wahrscheinlich ist es richtig gewesen, dass du den Eltern dieses Infoblatt mitgegeben hast, denn oft genug ist es nicht möglich, mit solchen Eltern über die sehr wahrscheinliche Normalbegabung ihres Kindes zu sprechen, ohne dass diese sich direkt angegriffen fühlen oder einen als Lügner darstellen. Gerade wenn du kein direkter Ansprechpartner für hochbegabte Kinder und deren Eltern bist, werden dir die Eltern, die von der Hochbegabung ihres Kindes besessen sind, nicht unbedingt Glauben schenken. Daher ist es schon ganz sinnvoll, wenn sich die Leute, deren fachliche Meinung von diesen Eltern sicher geschätzt wird, mit dieser Geschichte auseinandersetzen.
Ich finde es auch nicht ungewöhnlich, dass ein Kind bereits im Kindergarten seinen Namen schreiben konnte. Ich denke, dass das wohl auf die meisten Schüler zutrifft. Ich konnte das auch und ich konnte auch schon ein bisschen zählen und rechnen, bevor ich in die Grundschule kam. Vor dem Wechsel auf das Gymnasium haben wir zuhause auch schon ein bisschen englisch gesprochen, obwohl ich diese Sprache erst auf dem Gymnasium bekommen habe und nicht schon in der Grundschule. Solche Kleinigkeiten sind aber nichts Außergewöhnliches und ich kenne einige Leute, auch aus meiner damaligen Schule, die schon kleine Vorkenntnisse hatten, bevor sie die entsprechenden Kenntnisse in der Schule vermittelt bekamen.
In einem Punkt muss ich dir allerdings widersprechen. Eine Hochbegabung äußert sich nicht zwangsläufig durch sehr gute schulische Leistungen. Manche hochbegabten Kinder sind sogar schlecht in der Schule, oft genug weil sie sich in der Schule unterfordert fühlen und dann einfach abschalten. Mittlerweile werden sicher mehr hochintelligente Kinder auch als solche entdeckt, aber es gibt nach wie vor sicher einige Fälle, in denen solche Kinder wirklich nicht richtig gefördert werden.
Alle Eltern denken eine Weile lang ihre Kinder wären die schönsten und die klügsten. Na ja, fast. Aber in der Tendenz schon. Problematisch wird es nur, wenn sie glauben ihre Kinder wären wahnsinnige Überflieger und müssten unbedingt wie wild gefördert werden, bis den armen Kindern das Hirn in Dampfform aus den Ohren tritt.
Dabei kann man den Eltern sooft sagen wie man will: Wenn das Kind wirklich hochbegabt ist, dann sucht es sich schon Herausforderungen selbst und die könnt ihr dann fördern. Hat auch den Riesenvorteil: Das Kind wird sich Herausforderungen nach den eigenen Interessen suchen.
Bei uns in der Familie sind musische Begabungen weit verbreitet, was meine Eltern dann auch bei mir und meiner Schwester gefördert haben. Bei mir war es immer das zeichnerische, ergo hatte ich immer tolles Zeichenmaterial und meine Mutter (selbst Grafikerin) baute auch schon mal für uns Stilleben auf oder lenkte meine Aufmerksamkeit auf neue Techniken. Meine Schwester ist eine bessere Fotografin und musikalisch, also wurde sie dahingehend unterstützt. Aber letztlich kam der Wunsch das zu vertiefen von uns selbst. Denn eines vergessen die lieben Eltern gerne: Universelle Hochbegabungen sind nicht drinn. Jeder hat auch Gebiete die ihm gar nicht liegen.
Es gibt auch extrem intelligente Kinder, aber selbst die sind nicht für alles zu begeistern und tendieren ebenfalls dazu sich ihre interessanten Themen zu suchen. Fördern kann man seine Kinder, aber auf Teufel komm raus bringt es nicht viel, außer ziemlich viele überforderte Kinder.
Es mag ja durchaus sein, dass Eltern ihre Kinder tendenziell für überdurchschnittlich wenn nicht sogar hochbegagt halten. Das hatten wir aber schon mal ausführlicher im Thread Eltern überschätzen die eigenen Kinder diskutiert.
Allerdings finde ich es etwas vermessen ein Kind nur auf Grund einer Beobachtung beurteilen zu wollen. Sicher fügt sich erst aus der Gesamtheit der Beobachtungen ein Bild, aber gerade bei überdurchschnittlich oder eben hochbegabten Kindern ist es eben so, wie Nephele schon anmerkte, dass die wenigsten Kinder Hans Dampfs in allen Gassen sind. Und daher sagen schulische Fähigkeiten nur bedingt etwas über die Begabung meines Kindes aus. Damit will ich Dich jetzt nicht niedermachen, Crispin, sondern einfach darauf hinweisen, dass nicht alles so ist, wie zu sein scheint.
Ich denke, dass Du schon völlig richtig gehandelt hast, in dem Du den Eltern die gewünschten Informationsmaterialien gegeben hast. Was letzten Endes daraus wird, darauf hast Du ohnehin keinen Einfluss. Wenn es positiv ausgeht, wirst Du mit Sicherheit davon hören
Link dieser Seite https://www.talkteria.de/forum/topic-124603.html
Ähnliche Themen
Weitere interessante Themen
- Palmen Pflanzen - brauche Tipp / Empfehlung 1079mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Triops · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Palmen Pflanzen - brauche Tipp / Empfehlung
- Gartenbambus im Treppenhaus überwintern? 1134mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: ZappHamZ · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Gartenbambus im Treppenhaus überwintern?
- Intimrasur - Bekomme immer Pickel! 1510mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Wifey · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Fingernägel, Haut & Haare
- Intimrasur - Bekomme immer Pickel!
- Anleitung für Star Frisur 1134mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Osterhasi · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Fingernägel, Haut & Haare
- Anleitung für Star Frisur
- Ist Sprühwachs für die Haare schädlich? 2320mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: winny2311 · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Fingernägel, Haut & Haare
- Ist Sprühwachs für die Haare schädlich?