1. Klasse: Rechtschreibung selber beibringen

vom 24.02.2010, 12:46 Uhr

Subbotnik hat geschrieben:Sieht man ja auch an Idiotenfehlern wie Standart / Standard oder entgültig / endgültig usw. - denn das stimmt schon, dass man 99 % aller Rechtsschreibfehler vermeidet wenn man die Aussprache gut beherrscht. Aber das muss man eben auch erst einmal können und das können fast nur alle oberhalb der A38er Linie ;) von Geburt an, der Rest muss auch das erst lernen.

Wie hier klar ersichtlich ist, unterlaufen derartige Idiotenfehler anscheinend selbst den gebildetsten Leuten, siehe das Wort "Rechtsschreibfehler" in deinem Text :lol:. Bei der richtigen Aussprache hört man auch, dass es nur ein "s" enthält. Das fällt wohl unter die 1%, von denen du gesprochen hast, oder? ;)

Außerdem: Was haben diese Fehler bitte mit Dialekten zu tun? Ich behaupte mal, dass "endgültig" sowie "Standard" überall in Deutschland gleich ausgesprochen werden! Da kannst du mich gerne eines Besseren belehren.

Auch dass man solche Fehler einzig und allein durch richtige Aussprache vermeiden kann, trifft bei deinen Beispielen übrigens nicht zu. Beim Sprechen hört man den Unterschied zwischen "d" und "t" nicht. Als Erwachsener sollte man natürlich trotzdem auf jeden Fall wissen, wie man diese Wörter richtig schreibt, da bin ich ganz deiner Meinung.

Die Idee mit dem Nichtwerten von Rechtschreibfehlern an sich finde ich nicht schlecht. Aber ich schätze, dass das Projekt - wie immer, wenn es um Schulreformen geht - an der Umsetzung scheitert.

Vorteile sehe ich darin, dass man sich bei der Korrektur auf die Verbesserung von Ausdrucks- und Grammatikfehlern beschränken kann und die Kinder nicht zusätzlich noch mit Rechtschreibfehlern "bombardiert" werden. Das macht die Sache für Kinder, denke ich, schon einfacher.

Leider überwiegen meiner Meinung nach aber die Nachteile: Warum wird das Üben hier so sehr den Eltern überlassen? Das kann doch gar nicht funktionieren. Wie soll man den Eltern klarmachen, dass sie wirklich hochdeutsch sprechen müssen? Einige können wahrscheinlich nicht einmal dialektfrei sprechen und versuchen es auch nicht. Dazu kommen die Eltern, bei denen es am Migrationshintergrund scheitert und diejenigen, die sich überhaupt nicht um ihre Sprösslinge kümmern. Ein Gutteil einer ersten Klasse lernt dadurch also gar nichts, zumindest zu Hause nicht.

Ob das oben genannte Argument mit der Konzentration auf richtige Grammatik wirklich zieht, ist auch fraglich. Denn in der ersten Klasse werden ja noch keine richtig langen Sätze mit komplizierter Grammatik geschrieben. Erst einmal geht es ja nur um einzelne Wörter und Drei-Wort-Sätze. Da bleibt doch genug Zeit, um sich um die Schreibweise zu kümmern.

Mal wieder wurde bei der Reform übersehen, dass es auch Kinder gibt, die nicht aus gebildeten Akademikerfamilien stammen. Diese Kinder werden nicht von selbst ein Buch in die Hand nehmen und sich die Rechtschreibung selbst nebenbei aneignen. Sie brauchen meiner Meinung nach klare Rechtschreibregeln, sonst lernen sie nie richtig schreiben.

» -luzie- » Beiträge: 99 » Talkpoints: -0,53 »



Ich bin auch dafür, dass die Schule verbessert wird. Die Frage ist doch aber, in welcher Form und vor allen Dingen, wie werden die Eltern darüber informiert. Es ist doch hier klar ersichtlich, dass die Mehrheit nicht nachvollziehen kann, was man damit bezwecken will, wenn die Kinder die Rechtschreibung erst in der zweiten Klasse erlernen. Ich kann es mir übrigens auch nicht vorstellen, da für mich die Nachteile klar überwiegen. Denn ich sehe es nicht unbedingt so, dass die alte Methode so schlecht war. Also: was soll mit der neuen Methode verbessert werden, welche Methoden gäbe es noch und warum ist genau die gewählte Methode die Beste? Das sind Fragen, auf die ich bisher noch keine Antwort gefunden habe.

Sicher trauen sich die Schüler mehr zu, aber kann man dann solche Texte auch gut lesen? Gerade in Gegenden in denen Mundart gesprochen wird, wohl eher weniger. Außerdem kann ich mir gut die Diskussionen am Anfang der zweiten Klasse vorstellen: wieso ist das was bisher richtig war auf einmal nicht mehr richtig.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


-luzie- hat geschrieben:Wie hier klar ersichtlich ist, unterlaufen derartige Idiotenfehler anscheinend selbst den gebildetsten Leuten, siehe das Wort "Rechtsschreibfehler" in deinem Text :lol:. Bei der richtigen Aussprache hört man auch, dass es nur ein "s" enthält. Das fällt wohl unter die 1%, von denen du gesprochen hast, oder? ;)

Zum Glück macht man ja keine Tippfehler - aber da kannst Du Dich ja gleich auch mit in die Reihestellen, denn nach Satzzeichen wird ein "Abstand" (hier: Leerzeichen) eingehalten. Ob Du Dich nun auch als dämlich betrachten willst oder das womöglich nur ein Tippfehler war überlasse ich mal deinem Urteil ;)...

-luzie- hat geschrieben:Außerdem: Was haben diese Fehler bitte mit Dialekten zu tun? Ich behaupte mal, dass "endgültig" sowie "Standard" überall in Deutschland gleich ausgesprochen werden! Da kannst du mich gerne eines Besseren belehren.

Soll das ein Witz sein? Lass mal einen Ostfrisen, einen Sachsen, einen Bayern, Schwaben usw. diese Wörter schön in ihrer Mundart aussprechen - wenn Du meinst, dass das jedesmal gleich klingt :D.

-luzie- hat geschrieben:Auch dass man solche Fehler einzig und allein durch richtige Aussprache vermeiden kann, trifft bei deinen Beispielen übrigens nicht zu. Beim Sprechen hört man den Unterschied zwischen "d" und "t" nicht.

Sorry, aber zwischen Standard und Standart sowie endgültig und entgültig hört man sehr wohl bei der richtigen Aussprache einen Unterschied bzw. ob ein d oder ein t gesprochen wird. Sonst könnte man auch Schtantart und äntgültik schreiben, klingt ja auch ähnlich und wird auch von den meisten ungefähr so ausgesprochen - wer hochdeutsch beherrscht würde es nie so aussprechen, sondern Standard mit einem harten Ende usw., genauso: in endgültig steckt auch keine Ente oder ein Ent, sondern Ende.

Für mich lässt sich da jeweils eindeutig ein Unterschied heraushören (bei der hochdeutschen Aussprache bzw. das, was man allgemein als solches ansieht).

-luzie- hat geschrieben:Erst einmal geht es ja nur um einzelne Wörter und Drei-Wort-Sätze. Da bleibt doch genug Zeit, um sich um die Schreibweise zu kümmern.

So wie hier schon eingeworfen wurde geht es genau darum, diese Drei-Wort-Sätze auszumerzen, da man sie als unnatürlich ansieht. Auf der anderen Seite stellt sich mir die Frage ob das so schlimm sein soll, denn man beginnt auch in anderen Fächern mit "unsinnigen" Beispielen um die Basics zu erlernen - z. B. in Fremdsprachen. Was man in den ersten Stunden Französisch oder Englisch mal gelernt hat nutzt bzw. sagt kein native speaker jemals in seinem Leben!

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich versuche hier mal ein wenig für Fakten zu sorgen. Das was ihr beschreibt, ist nicht irgend ein wüstes Experiment mit Kindern, sondern eine erprobte und erfolgreiche Lehrmethode. Dass es für Eltern zunächst komisch erscheint, kann ich als Mutter nachvollziehen.

Die Methode, die Du beschreibst geht auf den (nahezu) zeitgenössischen Pädagogen Jürgen Reichen zurück, der im Jahr 2009 gestorben ist. Die Methode heißt "Lesen durch schreiben". Hier könnt Ihr euch mal einen Flyer ansehen, den der Erfinder der Methode an die Eltern seiner Schüler richtet. Darin erklärt er ohne viel Fachchinesisch, was der Kerngedanke seiner Methode ist.

Der Lehrerin von deinem Kind kann man durchaus vorwerfen, dass sie ein Problem hat, ihr noch unbekanntes Konzept den Eltern bekannt zu machen. Wir jedenfalls haben im Studium gelernt, wie man Eltern die Methode am Elternabend erklären kann, da der komplett neue Zugang zur Schriftsprache oft für Befremdung sorgt.

Wer von Euch erinnert sich noch an seinen traditionellen Erstleseunterricht? Wir hatten damals ein Fibel mit einem Jungen namens Uli. Ich kann mich noch lebhaft an eine Seite erinnern, wo Uli an einer Ampel steht und die Ampel rot ist. Da wir fast 30 Kinder in der Klasse waren, musst jeder (!) reihum diesen Text laut vorlesen. Nach drei Vorlesern konnte ich den Text auswendig und konnte ihn nach Aufruf des Lehrer vor mir hersagen, ohne einmal ins Buch blicken zu müssen. Lesen habe ich damals trotzdem gelernt, vor allem, weil meine Eltern mit mir zu Hause viele schöne Kinderbücher gelesen haben und mir alle Fragen beantwortet haben, wie man diesen oder jenen Buchstaben liest. Die schwachen Kinder in der Klasse haben eben erst sehr spät lesen gelernt, da sie auch die Texte irgendwann auswendig konnten. Auch waren diese Fibeln immer irgendwie albern und realitätsfern

Genau das wollte Reichen verhindern. Die Methode ist allerdings schon älter, als man vermutet. Was vielen als skandalös neu erscheint, wurde in den 80ern des 20. Jahrhunderts erstmals in der Praxis erprobt. Seit dem sind einige Forschungen dazu angestellt worden, ob die Methode zweckdienlich ist, oder nicht. Forschungen haben ergeben, dass die Lese- und Schreibleistung von Klassen, die nach der Methode von Reichen und die Leistung der Klassen, die nach der herkömmlichen Methode unterrichtet sind, nicht abweichen. Allerdings ließ sich ermitteln, dass die Lernmotivation bei der Methode nach Reichen weit stärker ausgeprägt ist.

Es ist auch nicht richtig, dass den Kindern gar keine Anweisungen zur Rechtschreibungen gegeben werden. Jedenfalls dann, wenn die Schule sich an Reichen hält. Die Kinder merken ziemlich schnell selbst, dass zig verschiedene Schreibweise für ein Wort, die ja oft möglich sind, anstrengend sind. Sie finden selbst heraus, dass eine Normierung nicht nur eine Begrenzung sonder hauptsächlich eine Erleichterung ist. Sie erkennen selbst, dass man einen Text mit genormter Rechtschreibung schneller und effektiver decodieren kann. Diese Erkenntnis wächst langsam, denn erst müssen die Kinder erkennen, dass es viele mögliche Schreibweisen gibt. Ein klassisches dozieren von Regeln fängt dann eben erst in der zweiten Klasse an.

Wenn man sich die deutsche Sprache ansieht, bevor die Brüder Grimm ein einheitliches Wörterbuch herausgegeben haben, sieht man, dass da lange Jahre Wildwuchs herrschte. Es existierten friedlich nebeneinander viele Schreibweisen für ein Wort gleichberechtigt. Genau dieser Fakt macht manchmal eben Übersetzungen aus dem Mittelhochdeutschen so kompliziert. Irgendwann ist die Menschheit eben auch mehrheitlich zur Einsicht gekommen, dass die deutsche Sprache Schreibregeln braucht. Da Kinder eben auch vernunftbegabt sind, ist es ihnen möglich dies einzusehen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



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