Kind erkennt Mama nach Friseur nicht mehr!

Hallo,

ich arbeite als Kindergärtnerin in einer Gruppe mit Kindern im Alter von ein bis drei Jahren und habe letzte Woche eine Beobachtung gemacht, die ich gerne mit euch teilen möchte. Ein Kind wurde nachmittags von seiner Mutter abgeholt, die zuvor noch beim Friseur war. Sie hat sich dort einen neuen Schnitt und auch eine neue Haarfarbe zugelegt, sodass das Kind völlig verstört war.

Der Junge hat seine Mutter erst gar nicht erkannt und hat dann sogar geweint, als sie mit ihm nach Hause gehen wollte. Zwar denke ich durchaus, dass ihm klar war, dass es seine Mutter war, aber dennoch hat sie für ihn natürlich völlig anders und fremd ausgesehen.

Kennt ihr solche Situationen von euren Kindern? Wie lange haben eure Kinder gebraucht, um sich an eine so radikale Veränderung zu gewöhnen? Kann man die Kinder irgendwie sanft auf so eine Überraschung vorbereiten?

Ja sowas kennen wir hier auch. Meine Mutter hat sich damals wieder die Haare geschnitten. Mein Bruder weinte nur noch und konnte sich ihr auch erst einmal gar nicht nähern. Er hat sie zwar stark beobachtet und auch das Verhalten analysiert, dennoch wollte er erst einmal nicht mehr zu ihr. Durch die Verhaltensweisen hat er dann, denke ich, auch erkannt das es seine Mutter ist. Misstrauisch war er aber trotzdem ein paar Tage lang und hat den Kopf gar nicht mehr aus den Augen gelassen. Er hat schon sehr darunter gelitten.

Als ich dann von Brille auf Kontaktlinsen umgestiegen war er zwar auch etwas misstrauisch, allerdings nicht so schlimm wie bei der neuen Frisur meiner Mutter. Er hat mein Gesicht ersteinmal aus sicherer Ferne begutachtet. Danach kam er etwas näher um es sich dann mal feiner anzugucken, da fiel ihm dann auch sichtbar auf, dass er sieht was "fehlt". Dann kam er zu mir und hat durch mein Gesicht getastet und gefühlt ob sich die Brille irgendwo versteckt. Das war schon ziemlich süß.

Ich denke, dass man die Kinder da nicht großartig drauf vorbereiten kann. Vielleicht wäre es hilfreich, so etwas wie eine neue Frisur nur in gewohnter Umgebung zu präsentieren. Also am besten Zuhause und nebenbei sollte auch auf jeden Fall eine 2. Vertrauensperson da sein. Diese kann sich dann ja langsam der Person mit der Frisur nähern und zeigen, dass das Kind keine Angst haben muss und alles wie früher ist.

Auch Kinder können Zusammenhänge erkennen, man muß es ihnen nur ausführlich erklären. Wenn eine vertraute Person auf einen Schlag völlig anders aussieht und das Kind absolut keine Vorstellung davon hat, wie es zustande gekommen ist, kann ich gut verstehen das es manche Kinder ängstigt.

Ich erinnere mich noch gut daran, wie meine Schwester vor vielen Jahren eine Wandlung von dunkelhaarig auf blond und lockig durchlebte. Mein Neffe (damals 4) und meine Nichte (2) blieben mit mir zu Hause und ich erzählte ihnen einfach das ihre Mama jetzt zu einem Friseur ginge, der würde sich um ihre Mutter kümmern und sie noch hübscher machen. Ich erzählte ihnen auch was man dort alles machen lassen konnte und das sie bestimmt auch bald mal zum Friseur gingen. Letztlich konnten sie es kaum noch erwarten das Mama nach Hause kam und als sie dann verwandelt durch die Tür marschierte, quietschten die 2 vor Freude und waren ganz begeistert von der neuen Mama.

Selbst ich glotze manchmal blöd aus der Wäsche, wenn mich eine Freundin besuchen kommt und ohne Vorwarnung eine völlig veränderte Frisur mitbringt. Wie soll es da erst einem Kind ergehen, das von Friseuren noch nie gehört hat.

Ich musste jetzt erstmal kurz herzhaft lachen, als ich das hier gelesen habe. Die Frau muss ja ganz schön ausgesehen haben, wenn ihr eigenes Kind sie nicht mehr erkennt. Nein, im Ernst, ich habe das so noch nicht gehört. Meine dreijährige Nichte erkennt ihren Vater im Weihnachtsmannkostüm und mit heraushängenden Haaren (er hat lange Haare) zwar auch nicht, aber da handelt es sich ja nun auch um eine Ganzkörperverkleidung und die Stimme hat er auch verstellt. Nicht-mehr-erkennen auf Grund einer Frisur ist schon, ja, ein Phänomen. Aber wenn wir ehrlich sind, passiert uns das auch manchmal, dass wir jemanden nicht gleich erkennen, weil er sich hat umstylen lassen oder weil wir ihn mal ein Jahr lang nicht gesehen haben.

Vor drei Jahren stand ich auch mal bestimmt 10 Sekunden vor meiner ehemals besten Freundin und habe sie einfach nicht erkannt. In der 7. Klasse hatte ich sie damals das letzte Mal gesehen, dann ist sie umgezogen und kam zwei Jahre später mal auf Besuch. Ich hab ihr die Hand gegeben, weil ich sie für irgendeine mir unbekannte Begleitung gehalten habe. Erst als sie mich eindringlicher angeschaut hat und ich mich über diesen Blick gewundert habe, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Und manchmal merkt man es auch gar nicht. Da kann das einem KInd ja vielleicht auch mal passieren?

Ich kenne dieses Problem zwar noch nicht aus eigener Erfahrung, da ich mich bzw. irgendetwas in der Umgebung meiner Tochter sich in letzter Zeit nicht verändert hat.

Aber genauso wie du es beschrieben hast ist es einer Freundin von mir gegangen. Sie hatte immer schulterlanges Haar und hat es sich, als ihr Sohn so ca. 1,5 - 2 Jahre alt war, relativ kurz abschneiden lassen. Als sie nach Hause gekommen ist, hat ihr ihr Sohn aus Freunde, dass Mama heim kommt, die Türe aufgemacht. Als er sie dann gesehen hat, ist er schreihend davon gelaufen. Es dürfte auch ein Schock gewesen sein, als er sie momentan so verändert gesehen hat.

Der Sohn meiner Freundin hatte es ja im Vergleich mit deinem Kindergartenkind noch leicht gehabt, da er zu Hause war und sich dann langsam an die Veränderung von Mama gewöhnen könnte. Aber dass es für ein Kind wirklich schwer ist, aus dem Kindergarten geholt zu werden, von Mama, die sich so verändert hat, dass sie momentan gar nicht erkannt wird, kann ich mir schon vorstellen.

Ich hatte schon mal das selbe Problem! Damals war meine Maus gerade 1 Jahr alt. Papa ist mir ihr zur Oma und ich zum Friseur. Von langen Haaren plötzlich einiges kürzer! Als die 2 wiederkamen fing sie direkt an zu heulen und wollte nur zum Papa! Nach 1-2 Stunden hat sich das aber gelegt. Das selbe wenn ich meine Brille aufgesetzt hab.

Die Kurze ist jetzt 2 und findet es jetzt immer richtig cool wenn ich beim Frisör war und die Haare kurz hab oder meine Brille trage.

So schlimm habe ich es noch nicht erlebt. Als mein Bruder seine Wandlung von schlundrig zu gestylt durchgemacht hat war das für meinen Neffen zwar befremdlich aber nicht so ein Schock, das er davongelaufen wäre. Er hat sich damals die Haare von Beatleslook zu modernen Schnitt schneiden lassen, diese gegelt und saß dann so und frisch gebräunt vor meinem Neffen. Ich muss dazu schreiben, dass diese kleinen Veränderungen damals sehr viel ausgemacht haben.

Der Kleine hat ihn nicht wie sonst immer begrüßt und war ziemlich zurückhaltend. Er schlich um seine Mama rum und versteckte sich hinter ihr sobald er von meinem Bruder angelächelt wurde. Dieses schüchterne Verhalten kannte man von ihm nur fremden Menschen gegenüber. Nachdem meine Schwester dem Kleinen erklärt hat, dass das der Onkel ist, war sofort alles wieder in Ordnung und er hat sich normal verhalten.

Mir fällt gerade ein, dass so etwas ähnliches schon mal passiert ist. Das hatte zwar nichts mit der Frisur zu tun war aber für den Kleinen ein richtiger Schock. Als mein Schwager das erste Mal mit Motorradhelm vor meinem Neffen stand und der Kleine nur die Stimme erkannt hat, hat er furchtbar zu schreien angefangen. Er konnte sich auch erst beruhigen als der blöde Helm weg und Papas Kopf wieder da gewesen ist. So wie er das mit dem Helm nicht verstanden hat, verstehen kleine Kinder es vielleicht nicht, dass man sich durch einen neuen Haarschnitt äußerlich extrem verändern kann.

Dieses Problem hat der Entwicklungsforscher Jean Pieaget ja bereits recht ausführlich thematisiert. Kleine Kinder haben ihre Schwierigkeiten mit Veränderungen, weil sie nur die Zustände, nicht aber den Prozess begreifen. Und Äußerlichkeiten sind sehr wichtig für die Indentifikation einer Sache oder Person. Selbst wenn diese direkt vor ihren Augen ablaufen, sie quasi sehen, wie ihre Mutter sich in den Weihnachtsmann verkleidet, fällt es ihnen schwer zu begreifen, dass es nur Mama mit Kostüm ist und nicht ein fremder Mann mit rotem Mantel.

Natürlich ist eine neue Frisur weniger drastisch als eine echte Kostümierung, aber ich nehme mal an, dass da das Problem des Kindes liegt. Es war verunsichert, ob die Frau wirklich seine Mama sei oder doch eine Fremde. Jean Piaget hat bei seinen Beobachtungen zum Teil etwas übertrieben, was die kognitiven "Defizite" von kleinen Kindern angeht. Aber in den Grundtendenzen hat er schon Recht mit dem was er beschreibt.

Eigentlich solltest du als Erzieherin auch schon mit den Theorien dieses Herrn in Kontakt gekommen sein. Hier in Deutschland gehört der zum Pflichtprogramm. Auch wenn manche seiner Erkenntnisse mittlerweile als überholt(So nahm er etwa an, dass Babys kaum oder gar nicht strukturiert denken, einfach weil sie dies nicht wie die älteren Kinder verbalisieren konnten.) oder nur teilweise richtig betrachtet werden, so muss man sich hierzulande sowohl in der Erzieherinnenausbildung, als auch im Lehramtsstudium doch damit befassen. Wie tiefgreifend ist sicher unterschiedlich, aber zumindest so im Groben hat jeder, der in diesem Bereich tätig ist Piagets Ideen schon einmal erörtert.

Ist das in Österreich nicht der Fall? Das verwundert mich nun gerade doch ein klein wenig, denn sehr viele seiner Forschungsergebnisse ermöglichen einen ganz guten Einblick in das Denken und Handeln von Kindern, wenn natürlich auch immer aus der verzerrten Perspektive des Erwachsenen. Und sowas ist ja in der täglichen Arbeit mit Kindern unerlässlich.