Wie bei Ordnungswidrigkeit richtig verhalten?
Angeregt durch diesen Thread Verkehrskontrolle: Muss man alle Fragen beantworten? möchte ich einen Beispielsfall schildern, wo man ebenfalls Stellung zu etwas, was die Polizei wissen möchte, beziehen soll.
Herr F liebt es schnell zu fahren, dabei vergißt er schon einmal hin und wieder den nötigen Abstand einzuhalten. So auch, als er auf der Autobahn gefahren ist und vermutlich von einer fest installierten Kamera per Video und per Foto aufgezeichnet wurde, dass er bei etwa 140km/h nur einen Sicherheitsabstand von rund 15m eingehalten hätte. Nun kam ein Bescheid der Polizei zu einer Anhörung. Diese Anhörung war ein Papier, auf dem Herr F seine persönlichen Daten berichtigen musste und sich zu dem ihm vorgeworfenen Tatbestand äußern konnte. Da sein Vergehen schon etwa 8 Wochen zurück liegt, kann Herr F nur noch sagen, dass er an besagtem Tag und zu ungefähr der festgehaltenen Uhrzeit am Ort des Geschehens vorbei gefahren ist. An den Tathergang kann er sich allerdings nicht mehr erinnern.
Nun steht auf dem Papierbogen eine Frage, die er nur mit ja oder nein beantworten kann. Es steht da, ob er zugibt, diese ihm vorgeworfene Ordnungswidrigkeit begangen zu haben. Da Herr F sich aber nicht erinnern kann, ob er wirklich so dicht auf ein anderes Auto aufgefahren ist und den benötigten Sicherheitsabstand von 70m nicht eingehalten hat, weiß er nun nicht, wie er auf diese Frage antworten soll. Antwortet er mit ja, so gibt er vielleicht etwas zu, was er gar nicht begangen hat, antwortet er mit nein, hat aber vielleicht dann doch irgendwo zu wenig Abstand eingehalten, wäre das eine Lüge.
Wie würdet ihr euch in so einer Situation verhalten? Würdet ihr die Ordnungswidrigkeit bestreiten oder würdet ihr sie zugeben? Sollte er besser ja oder besser nein ankreuzen? Was könnte Herr F sonst noch machen? Wäre das Einschalten eines Rechtsanwaltes sinnvoll?
Hallo erst mal!
Wenn ich mich nicht irre hast du geschrieben, dass er nur ankreuzen kann ob er die Tat zu gibt oder nicht. Eigentlich ist niemand dazu gezwungen sich selber zu belasten. Deshalb kann er "Nein" ankreuzen, weil er die Aussage verweigern darf. ("Sie haben das Recht zu Schweigen!")
Wenn er allerdings schreiben würde: "Ich habe den erforderlichen Mindestabstand eingehalten.", und es ist nicht wahr, dann hat er eine Falschaussage gemacht und kann dafür bestraft werden.
Bei einer solchen Anhörung (auch schriftlich) muss ja Herr F seine persönlichen Daten angeben. Alles weitere erfolgt freiwillig! Und es ist mir kein Fall bekannt, in dem es Vorteile gebracht hätte, hier etwas auszusagen.
Ich selbst würde F daher raten (neben dem Ratschlag in Zukunft besonnener zu fahren!) keine weiteren Angaben zu machen und den Verstoß eben nicht zuzugeben. Das kann man später immer noch.
Nettie hat geschrieben:Wäre das Einschalten eines Rechtsanwaltes sinnvoll?
Kommt darauf an, wie Herr F mit den Folgen leben könnte. Bei dem Verstoß dürfte sich die Strafe bei über 200 Euro befinden. Entscheidender ist aber die Tatsache, dass eben zusätzlich Punkte anfallen und hier vermutlich auch der Führerschein für mindestens 4 Wochen weg ist.
Ein Anwalt wird den Vorwurf sicher nicht widerlegen können. Aber u.U. kann er die Strafe abändern, wenn Herr F eben nachweislich auf den Führerschein angewiesen ist. Wenn nicht, sollte Herr F die kommende Strafe im nächsten Schritt akzeptieren und daraus lernen. Ob ein gerichtliches Vorgehen lohnt, kann dann auch noch der Anwalt einschätzten. Aber davor muss F sich klar werden, warum er was erreichen will. Auf Grund des hohen Prozessrisikos sollte der Weg auch nur gegangen werden, wenn eine Verkehrsrechtsschutzversicherung einspringt.
SirBoomBoom hat geschrieben:Wenn er allerdings schreiben würde: "Ich habe den erforderlichen Mindestabstand eingehalten.", und es ist nicht wahr, dann hat er eine Falschaussage gemacht und kann dafür bestraft werden.
Das ist eigentlich doppelt nicht wahr. Zum einen ist eine Falschaussage nur bewusst möglich. Alles andere wäre dann nämlich ein Irrtum und der kann nicht bestraft werden! Außerdem darf Herr F hier als Beschuldigter sehr wohl lügen. Auch das kann nicht gegen ihn verwendet werden. Schwieriger natürlich, wenn die Frage einem Zeugen gestellt wird. Denn der darf eben nicht lügen - ist hier aber nicht der Fall.
Wenn man sich unsicher ist: Es gibt keine Pflicht, den Anhörungsbogen zurückzusenden. Nur können dann eben Konsequenzen drohen, z. B. dass die Polizei zuhause vorbeischaut um die Aussage aufzunehmen (auch wenn man nur sagt: "Ich sage nichts") oder man auf dem Revier erscheinen muss - auch wenn man dort wieder nur sagt: "Ich sage nichts".
SirBoomBoom hat geschrieben:Wenn er allerdings schreiben würde: "Ich habe den erforderlichen Mindestabstand eingehalten.", und es ist nicht wahr, dann hat er eine Falschaussage gemacht und kann dafür bestraft werden.
Schwachsinn, siehe derpunkt. Mal weniger Richter TV gucken. Außerdem: Man darf in einem Ermittlungsverfahren bei dem man selbst der Beschuldigte ist Lügen soviel man will. In einem gewissem Umfang geht die Polizei sogar sowieso davon aus.
Die Polizei bzw. die Ermittlungsbehörden müssen den Beweis erbringen, wer die Tat begangen hat, nicht der Beschuldigte.
Ob ein Rechtsanwalt helfen kann? Nunja, ich würde sagen: je nachdem, was auf dem Spiel steht. Geht es "nur" um eine Geldstrafe und ein paar Punkte würde ich (ohne Rechtskenntnis, hab da ja einen kleinen Vorteil ) einfach die Aussage verweigern und warten, was die Ermittlungen so ergeben und falls es mir bewiesen werden kann dass ich es war (da fängt der Spaß schon an) eben zahlen. Falls der Führerscheind dadurch weg sein sollte lohnt sich vielleicht der Gang zum Anwalt für F.
Aber ganz ehrlich: Auch wir können nicht zaubern, wenn die Beweise erdrückend sind.
Subbotnik hat geschrieben:Aber ganz ehrlich: Auch wir können nicht zaubern, wenn die Beweise erdrückend sind.
Klar ist, dass der Zauber durch Rechtsanwälte begrenzt ist. Aber erfahrene Anwälte können vielleicht in Erfahrung bringen, ob wirklich das Messverfahren zu beanstanden ist, weil bei der Protokollierung z.B. Formfehler gemacht wurden oder ähnliches. Wobei auch ich davon ausgehe, dass die Wahrscheinlichkeit auf solche Fehler zu treffen eher gering ist.
Wo aber ein Anwalt (Verkehrsrecht) sicher Sinnvoll ist, ist beim Versuch die Strafe in eine Geldstrafe umzuwandeln. Ich denke, als Amateur vor Gericht wird man sich - gerade als Verkehrssünder - eher eine höhere Strafe einhandeln, wenn man sich selbst verteidigt und versucht, Argumente zu liefern, warum man den Schein dann doch nicht für den Monat abgeben soll. Es kann nämlich Fälle geben, wo die berufliche Existenz tatsächlich daran hängt! Und ein Richter ist in seiner Entscheidung frei, evtl. auf den Entzug der Fahrerlaubnis zu verzichten. Und genau hier ist es schlicht besser, wenn ein Anwalt spricht und die Argumente vorträgt.
Ein Richter ist in diesem Fall nicht sehr frei - ist die Beweislage eindeutig, kann da auch nichts in eine Geldstrafe umgewandelt werden. Vor allem wenn man bereits soviel Punkte gesammelt hat, dass der Führerschein mit der Strafe entzogen werden würde, denn hier gibt`s keine echten Gegenargumente, vor allem da die Punkte ja doch recht schnell getilgt werden und man schon ein echter Experte sein muss, um ausreichend viele Punkte bis zum Entzug der Fahrerlaubnis innerhalb der Fristen zu sammeln.
@Subbotnik
Sorry, offenbar bin ich in letzter Zeit ein wenig schlampig mit den Antworten. Selbstverständlich habe ich bei einer Möglichkeit der Umwandlung der Strafe vorausgesetzt, dass es sich um einen Ersttäter handelt, der vorher noch nicht einschlägig in Erscheinung getreten ist.
Bei dem Führerscheinentzug dachte ich auch nicht an ein Einziehen auf Grund von vielen Punkten, sondern auf Grundlage des zu geringen Abstandes, was ja auch zwischen 1 und 3 Monate sein kann. Und genau für den Fall, dass hier ein Fahrer betroffen ist, für den der Entzug der Fahrerlaubnis eine unverhältnismäßige Härte bedeuten würde, kann eben der Entzug gegen eine höhere Geldstrafe getauscht werden. Selbstverständlich nicht, wenn der Sünder in der Vergangenheit schon als Verkehrssünder auffällig geworden ist.
Und es wäre ja beim Richter und seiner freien Entscheidung nicht darum gegangen, dass er den Tatbestand umdeutet, sondern "nur" das Strafmaß beeinflusst.
Noch als kleine Ergänzung: Herrn F würden 4 Punkte in Flensburg, 350 Euro Bußgeld und 8 Wochen Fahrverbot drohen.
Und das war die Stoßrichtung meiner Überlegung im Fall von Hr. F: da die acht Wochen ja schon lang sein können und F u.U. auf den Führerschein angewiesen ist (und vorher eben nicht auffällig geworden ist!) kann man über einen Anwalt versuchen, die Strafe soweit abzuändern, dass eben 700 Euro zu zahlen sind und der Schein eben nicht abzugeben ist.
Leider schätzen Verkehrssünder die Angewiesenheit auf den Führerschein anders ein, als es Richter machen würden. Es genügt also kaum, wenn man als Argument vorbringt, ohne Auto die Wochenendeinkäufe nicht mehr machen zu können oder die Kinder nicht mehr zur Schule fahren zu können. Mit solchen Argumenten hätte Hr. F keine Chance. Um die Aussicht auf Erfolg einzuschätzen und die Argumente zu sammeln bedarf es - meiner Meinung nach - der Hilfe eines Experten!
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