Wolfgang Thierse beteiligt sich am 1. Mai an Sitzblockade
Hallo,
die meisten von euch müssten es eigentlich schon mitbekommen haben, da es für großen Wirbel gesorgt hat. Der Vizepräsident hat sich am 1. Mai 2010 bei der großen Sitzblockade in Berlin beteiligt, um einen Naziaufmarsch zu verhindern.
Der Aufmarsch wurde erfolgreich verhindert, Thierse steht allerdings heftig unter Beschuss, da er dem braunen Pack das Recht auf Demonstration genommen hat, indem er sich an der Sitzblockade zwischen mehreren 1.000 Menschen beteiligt hat. Er soll zurücktreten, heißt es. Wie steht ihr dazu?
Ich finde die Forderung, Herrn Thierse für seine unrechtmäßige Sitzblockade seines Amts indirekt zu entheben (nichts anderes ist der Hintergedanken aller, die seinen Rücktritt fordern) völlig überzogen. Bekanntermaßen ist der Ortsteil, durch den die Demonstration der Neo-Nationalen gehen sollte, der Wahlkreisbezirk von Herrn Thierse, also lag ihm persönlich als Anwohner und Angehöriger dieses Ortsteils an der Verhinderung des Aufmarsches. Natürlich wird diese Aktion zu Recht kritisiert, denn auch Politiker jeder Stufe, egal ob Kommunalpolitiker oder Bundestagsvorsitzender, müssen sich an die selben Gesetze halten wie der Normalbürger. So stet es im Grundgesetz, und was anderes erwarte ich auch nicht.
Nur, die Forderung, deswegen direkt zurückzutreten, ist lachhaft. Es gibt Politiker, die haben richtigen Dreck am Stecken bzw. aus grober Fahrlässigkeit oder falschen Aktionismus negativen Mist gebaut, und müssen dafür nicht mit der selben Konsequenz gerade stehen. Gerade die derzeitige Justizministerin von NRW hat viele Missstände zu verantworten, die zum Teil den Schutz der Bevölkerung gefährden. Nur ist sie immer noch im Amt. Inzwischen scheint es allerdings zur politischen Mode gekommen zu sein, alles und jeden aus seinem Amt werfen zu wollen. Dadurch verspielen die Politiker meiner Meinung nach das Vertrauen der Bürger, die bei diesem Schauspiel nur noch kopfschüttelnd zuschauen können und zur Passivität verdammt sind. Und da wundert einen noch die niedrige Wahlbeteiligung?
Na wer fordert denn Thierses Rücktritt? Der Chef der Gewerkschaft der Polizisten, also eines Vereins, der selber eher als mitte-rechts als links zu bezeichnen sowie irgendein FDP Politiker (?) namens Jotzo, den vorher keiner kannte und den auch nachher keiner kennen wird. Böse Zungen würden sagen: Trittbrettfahrer , vor allem da auch andere Berliner Politiker (nicht nur dem Namen nach) an der Aktion teilnahmen außer Thierse.
Abgesehen davon: Wo ist das Problem? Thierse saß da rum und hat nach einer freundlichen Aufforderung durch die Beamten vor Ort seinen Platz geräumt, anstatt dass es zu einer gewaltsamen Räumung kommen musste.
@ Subbotnik
Ich sehe das genauso wie du! Dank Presse schreien aber auch viele Zivilisten schon laut nach Rücktritt Thierses ohne daran zu denken, was andere Politiker_innen so für Dreck am Stecken haben. Doch das würde zu weit führen. Na ja, sehr aufgebauscht das Ganze und im Großen und Ganzen hat Thierse ja auch eher Zuspruch als Ablehnung. Sind wir doch mal ehrlich: Wollten wir nicht alle schon mal auf den Straßen Berlins sitzen und einfach nur gepflegt chillen, während 600 Nazis in 5 Stunden 150 Meter aufmarschieren?
Es stellt sich mir die Frage, ob es nicht auch so ist, dass auch ein Thierse keine Schwierigkeiten zu fürchten gehabt hätte, wenn man ihn hätte wegräumen müssen? Es ist doch entschieden, dass friedliche Sitzblockaden keine strafbare Handlung darstellen und man sich erst dann strafbar macht, wenn man sich gegen das Wegtragen wehrt und eben dann Widerstand leistet, wenn Beamte einen anpacken.
Hinzu kommt ja auch die Forderung an die Zivilgesellschaft, auch gegen den staatlichen Widerstand für seine Überzeugungen und zum Schutz der Demokratie einzutreten. So was läuft unter zivilem Ungehorsam. Gelehrt hat den die Geschichte und ich kann ehrlich gesagt keine bessere Gelegenheit konstruieren, diesen zivilen Ungehorsam zu praktizieren, als im Kampf gegen Rechts.
Thierses Rücktritt zu fordern bringt daher höchsten Publicity. Es deutet aber nicht darauf, dass man über die Forderung nachgedacht hat. Dass natürlich die Polizeigewerkschaft die Forderung stellt, ist klar. Die wissen ja nicht, wie man mit den friedlichen Blockaden umzugehen hat.
daturaferox hat geschrieben:Sind wir doch mal ehrlich: Wollten wir nicht alle schon mal auf den Straßen Berlins sitzen und einfach nur gepflegt chillen, während 600 Nazis in 5 Stunden 150 Meter aufmarschieren?
Auch Nazis haben ein Recht demonstrieren zu dürfen, genauso wie andere mit einer eher, nunja, schwierigen Meinung. Von daher haben sie auch das Recht ungestört demonstrieren zu dürfen.
Dass die meisten Bürger hier ihre Toleranzgrenze weit überschritten sehen ist halt die andere Seite der Medaille und hier auch Wege suchen, friedlich dagegen zu protestieren. Und solange es nicht zu gewaltsamen Protesten kommt habe ich persönlich damit kein Problem, jedoch auch in gewissem Grenzen Verständnis für die Polizei - denn letztendlich hat die ein Problem, wenn die Nazis sich davon (mal wieder) provozieren lassen und es zu gewalttätigen Eskalationen kommt, die die Beamten als erste abbekommen.
Für mich hat hier Thierse meiner Meinung nach als Privatperson und Anwohner gehandelt, da er eben, um Rainer Wendt aufzunehmen, nicht mit dem Chauffeur zur Demo anreiste, sondern mehr oder weniger nur das Haus verlassen musste - so wie die anderen, vertretenen Politiker.
Ein Problem bei diesen friedlichen Protesten ist natürlich immer wieder, dass sich oft auch die teilweise gewaltbereiten Extremisten der Antifa unter die Protestierenden mischen und es so leicht eskalieren kann, wenn rechte und linke Gewalttäter aufeinander prallen und die Polizei und friedliche Demonstranten die Leidtragenden sind.
@ Subbotnik
Das habe ich ja in meinem ersten Post bereits geschrieben. Genau deshalb wird Thierse doch teilweise scharf kritisiert. Nicht, weil er klare Position gegen Rechts bezogen hat, sondern weil er anderen quasi das Grundrecht auf Demonstration verwehrt hat. Solange friedliche Proteste möglich sind, sind diese auch klar erwünschenswert.
Ob nun nur einzelne Personen der Antifa zu den Steineschmeißern gehören, wage ich mal zu bezweifeln. Ich finde, gerade viele Videos der Vergangenheit zeigen, dass die Randalierer keiner eindeutigen „Gruppe“ zugewiesen werden können / konnten. Klar kommen auch immer wieder ausm schwarzen Block gewalttätige Spacken, nur der Block muss sich, wenn man ehrlich ist, von den Polizist_innen auch das meiste gefallen lassen. Die schwarz gekleideten Demonstrant_innen sind immer vorgeprägt und gelten prinzipiell als gewaltbereiter. Dadurch sind sie auch die ersten, auf die mit Schlagstöcken und Pfefferspray losgegangen wird.
Was ich erwähnenswert und echt gut finde, ist, dass an diesem 1. Mai wirklich viele „Zivilisten“ dabei waren. An der Sitzblockade haben Student_innen, Familien, Gewerkschaftsmitglieder, Schüler_innen, Unpolitische usw. teilgenommen. Halt echt alles durcheinander und gerade das hat die Blockade so anders als sonst gemacht.
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