Bei Firmen aus moralischen Gründen nicht arbeiten wollen?
Vorweg muss ich erst mal was zu meiner Schande gestehen. Den ersten Artikel den ich zu dem Thema ( also diese Schule und den Vorwurf) gelesen habe, den habe ich auch gelesen. Es macht mich trotzdem stutzig, das scheinbar damals gar nicht gehandelt wurde. Und ich hätte das bei vielen anderen Institutionen hingenommen, weil Missbrauchsvorwürfe ja eh eher unter dem Deckmäntelchen des Schweigens behandelt werden. Nur störte mich in dem besagte Fall enorm, das es in dem Zeitungsartikel ( und die Bildzeitung war es nicht, die ich da gelesen habe) darum ging, das damals gar nicht gehandelt wurde. Auch hier eventuell nachvollziehbar. Aber wie gesagt die Schule ist sonst so weltoffen und was weiss ich eingestellt und dann kehrt man sowas unter das Mäntelchen des Schweigens? Habe ich kein Verständnis für.
Erst recht war ich heute dann über eine Kurzmeldung schockiert mit der Überschrift, das sich die damalige Schulleiterin gegen die Vorwürfe ausspricht. Zu meiner Schande muss ich aber gestehen, ich hatte den Artikel nicht gelesen, bevor ich hier gepostet hatte. Mich regte die Schlagzeile einfach auf. Besagte Schulleiterin ist hier recht bekannt. Und vorallem auch dafür bekannt, das sie für ihre Schüler Wege ging, die weit über das hinausgingen, was Schulleiter sonst machen. Und zum Teil auch unkonventionelle Wege. Ich habe dann später den Artikel gelesen. Es geht nun wohl darum, das man ihr den Vorwurf macht, das sie nicht gehandelt hat. Das hat sie aber wohl getan. Somit sieht die Sachlage für mich persönlich anders aus. Bisher bin ich davon ausgegangen, das man halt die Sache unter den Teppich gekehrt hat. Und gerade weil die Schule halt einen solchen offenen Ruf hat, konnte ich das nicht akzeptieren.
Wie weit man für einen Job moralisch gehen würde. Ich habe da auch in anderen Aspekten heute viel darüber nachgedacht. Mir läuft heute noch ein Schauer über den Rücken, wenn die Firma IG Farben fällt. Die Firma ist für mich die bekannteste die während des Holcausts Juden "beschäftigt" hat. ich kann den Schauer nicht erklären und die heutige IG Farben hat da ja auch gar nichts mehr mit zu tun, aber irgendwie läuft es mir halt eiskalt über den Rücken.
Eine ähnliche Situation wie Diamante sie beschrieb kenne ich auch. Ich bin gelernte Fachverkäuferin im Nahrungsmittelhandwerk, Schwerpunkt: Fleischerei. Mich wollte das Arbeitsamt mal in ein Fischgeschäft vermitteln, ich sei ja schliesslich Fachverkäuferin im Nahrungsmittelhandwerk. Ich esse so gut wie keinen Fisch, kann ihn nicht riechen und erst recht nicht anfassen. Bewerben musste ich mich trotzdem. Gut moralische Gründe gab es da keine. Aber ich war ehrlich gesagt damals froh, das ich den Arbeitsplatz nicht bekommen habe.
Allerdings stand ich auch schon vor der Wahl, was zu machen, was für mich moralisch nicht wirklich möglich gewesen wäre. Ein "Bekannter" hat bei der Bundeswehr gearbeitet. Was genau weiss ich nicht. Gelegentlich hatte er eine Ausgehuniform an, hat aber wohl im Büro gearbeitet. Bei mir sah es nach meiner oben genannten Ausbildung so aus, das ich am überlegen war, noch was anderes zu machen. Damals schrieb sein Arbeitgeber Ausbildungsplätze aus. Ich war in den Monaten vorher aktiv in der örtlichen Friedensbewegung tätig. Damals zum Teil sicherlich auch eher links radikal orientiert. Besagter "Bekannter" bot mir an, ich solle mich doch bewerben und er würde das unterstützen. Aber irgendwie wollte ich auf keinen Fall was mit der Bundeswehr zu tun haben. Weiteres Problem war, das ich wohl mit besagtem "Bekannten" hätte schlafen müssen. Seine älteste Tochter könnte knapp meine Mutter sein und sein jüngster Sohn ist ein paar Jahre jünger als ich. Und ich fand den Mann einfach nur eklig. Und das war mir die Sache dann doch nicht Wert. Mir wird heute noch von gemeinsamen Bekannten vorgeworfen, warum ich damals das Angebot nicht angenommen habe. Klar sähe mein Leben heute mit Sicherheit anders aus. Aber irgendwie bin ich auch froh den Weg nicht gegangen zu sein.
Die Geschichte mit IG Farben ist ja noch einmal ein ganz anderes Kaliber. Für mich macht es schon einen Unterschied, ob ein Betrieb Zwangsarbeiter beschäftigt, die sich zu Tode schuften und keine Alternative haben, oder ob eine Firma einfach Niedriglöhne zahlt. Natürlich kann man so argumentieren, dass die Beschäftigten auch keine großartigen Alternativen haben, wenn sie bei diesen Firmen arbeiten. Allerdings gibt es eben doch Alternativen, wenn auch nicht allzu viele. Zudem ist ein schlecht bezahlter Job im großen und ganzen immer noch nicht mit der Zwangsarbeit bei IG Farben und Co. zu vergleichen und vor allem sind die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen überhaupt nicht vergleichbar.
Ich war in meiner frühen Jugend wohl das, was man einen hoffnungslosen Idealisten nennt. Mittlerweile bin ich in der Realität angekommen und weiß, dass Tierschutzt und der Weltfrieden nicht in dem Ausmaß umgesetzt werden können, wie man es gerne hätte, wenn man gerade 14 ist. Einen Job bei der Bundeswehr würde ich auch heute noch nicht annehmen, da mir das einfach nicht reichen würde. Ich kann daher verstehen, dass du dieses Jobangebot abgelehnt hast. Zudem kommt ja bei dir noch hinzu, dass dieser Typ offensichtlich ganz gezielte Vorstellungen von einer Gegenleistung hatte. Dass du so etwas ablehnst, finde ich nur zu verständlich und dieser Umstand für sich betrachtet hat ja nichts mit der Ablehnung der Bundeswehr zu tun.
Naja die Zwangsarbeit bei IG Farben fand in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts statt. Das ist nun fast 70 Jahre her. Und ich kann mein Schauern auch nicht erklären. Und die arbeiten heute sicherlich nicht mehr so wie damals. Ich weiss aber nicht, ob ich bei einer Firma, mit einer solchen Geschichte, ohne Schauern arbeiten könnte. Oder ob mich das immer wieder an das Grauen erinnern würde, welches damals die jüdischen Zwangsarbeiter empfunden haben. Ich kanns nicht genau erklären was da in mir abläuft, vielleicht kann mir aber jemand folgen.
Um es an einem anderen Beispiel zu beschreiben, ich würde höchstwahrscheinlich auch nie bei der Firma Mercedes Benz anfangen zu arbeiten. Egal als was. Weil die halt auch kriegswichtige Fahrzeuge herstellen. Das ist was, was ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann.
Das es besagtem Bekannten damals wohl eher um einen Gegenleistung ging, war mir damals nicht unbedingt bewusst. Mein Hauptgrund war damals wirklich, das ich mein Engament in der Friedensbewegung damit nicht vereinbaren konnte. Da besagter Bekannter aber sowohl vor dem Angebot, wie auch danach, seine Finger auch nach mehrfacher Aufforderung nicht von mir gelassen hat und nun aus der Ferne betrachtet, ich mich an sich glücklich schätzen kann, das es halt nie zu mehr kam, gehe ich stark davon aus, das er eine Gegenleistung gefordert hätte. Vorallem nach so Aufforderungen, das seine Frau ja nicht mehr will und ich nun dafür herhalten soll ( und ich war damals zum Teil noch minderjährig). Da wäre sicherlich noch was gekommen in Richtung: Ich hab dir doch den super Job verschafft.
Ich denke man muss und sollte immer zwei generelle Aspekte dabei im Blickfeld haben, dann kann man es auch mit seinen Gewissen vereinbaren. Ich arbeite beispielsweise in der Suchtberatung und bekomme sehr viele sogenannte brisante Fälle auf den Tisch. Hierbei könnte ich manchmal an der vorhandenen Gesetzeslage zweifeln, denn ich kann sehr oft nicht allen Bedürftigen optimale Hilfe anbieten. Auch das macht mich sehr oft schon traurig.
Aus diesem Grund habe ich eine Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen und kann damit das ausgleichen, was ich im Job nicht so schaffe. Andere Kollegen finden diese Variante auch sehr gut und unterstützen mich dabei. Es ist eben die kleine Hilfe oder besser gesagt die kleinen Schritte, die hier einfach weiter helfen. Und ich kann beides in einen gewissen Einklang bringen. So ist für mich die vorhandene Situation optimal.
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