Keine Castingkarriere ohne tragische Hintergrundgeschichte?
Da mir das bei der diesjährigen DSDS-Staffel wieder einmal auffällt und auch im Supertalent extrem ausgeschlachtet wurde: Wieso müssen die Casting-Kandidaten immer irgendeine tragische Hintergrundgeschichte haben? HIV-positiv, Haftstrafen, Selbstmordversuch, schreckliche Kindheit, schwerer Unfall - die Liste ist schier endlos.
Gehen nur solche Leute zum casting,m die etwas Schlimmes erlebt haben und bereit sind, das in der Öffentlichkeit breitzutreten? Oder lässt man genau solche Leute besonders gerne weiterkommen? oder sucht man so lange, bis man etwas findet, das sich entsprechend vermarkten lässt?
Beim Supertalent 2008 gewann Michael Hirte, Hartz4-Empfänger, Straßenmusiker, halbblind, leicht hinkend, schweren Autounfall gehabt. Er spielt wirklich schön Mundharmonika, aber hätte er auch solch eine Publicity erlebt und einen solchen Erfolg gehabt, wenn er ein gesunder Mann mit einem festen Job gewesen wäre, also nicht an der Armutsgrenze gelebt hätte, vielleicht auch eine liebevolle Familie hinter ihm gestanden hätte mit Frau und Kindern?
Supertalent 2009 brachte zu fast jedem der Finale-Kandidaten eine tragische Geschichte; Vater verloren, schreckliche Kindheit, Armut, behinderte Schwester, Blindheit, Krankheit.
Bei DSDS ist es in diesem Jahr auch wieder so, dass munter auf der tragischen Vergangenheit der Kandidaten herumgeritten wird. Wer schon im Knast saß, wer wie viele Kinder hat, Selbstmordversuch, überfallen worden. Alles ist dabei. Kommen die Kandidaten in die Schlagzeilen, dann meist, weil wieder irgendetwas Neues, Tragisches aus ihrer Vergangenheit ans Licht gekommen ist.
Geht die Karriere übers Casting also nur, wenn eine entsprechende Story im Hintergrund wartet? Möglichst tragisch, möglichst voller schlimmer Schicksalsschläge. Oder gehen solche Leute zu Castings, die gerne alle intimsten Geheimnisse von sich preisgeben? denn die schamgrenze ist ja bei den Castings äußerst gering, besonders bei den Kandidaten, die nicht bis unter die besten Zehn kommen.
Ich denke nicht, dass nur Menschen mit tragischen Hintergrundgeschichten zu solchen Castingshows gehen. Ich glaube, das dort tatsächlich Leute aus allen Bevölkerungsschichten mit allen politischen, finanziellen und kulturellen Hintergründen auflaufen, aber Otto Normalverbraucher lässt sich eben nicht so gut vermarkten.
Es ist doch ganz logisch, dass die Produzenten solcher Sendungen nach Menschen suchen, die entweder außergewöhnliche Dinge zu erzählen haben oder sich besonders ausgefallen verhalten. Wer würde schon regelmäßig eine Sendung schauen und weiterempfehlen, in der ein Haufen talentierter Leute mit einem gesunden Bedürfnis, private Dinge für sich zu behalten, herumsitzt und langsam von erfahrenen Spezialisten auf das Showbusiness vorbereitet wird? Eben, das ist langweilig und verkauft sich nicht. Für so eine Show könnte man sich auch einfach die Anlernung der neuen Praktikantin am eigenen Arbeitsplatz ansehen.
Ich glaube nicht, dass bei den Castingshows nur Menschen mitmachen, die entweder kriminell oder krank waren, sondern das es ist ein gesunder Durchschnitt ist. Natürlich werden es einige mehr versuchen, die außer ihrem Talent nichts anderes vom Leben zu erwarten haben, denn das ist ihre einzigste Chance.
Wenn sie dann einmal weiter gekommen sind, sind sie erst für die meisten Zuschauer erst wirklich interessant. Dann wird besonders genau hingeschaut und die Medien oder vielleicht sogar die Macher der Shows bringen weniger oder mehr Interessantes aus dem Leben der Teilnehmer ans Licht. Ich bin sicher, dass man bei fast allen etwas finden kann, was bei vielen aus dem Rahmen fällt, um es dann über Wochen in den Medien auszuschlachten.
Ich denke auch nicht, dass nur Menschen mit einer tragischen Hintergrundgeschichte zu Castings gehen oder eben durch diese Castings bekannt werden. Eine ähnliche Diskussion fand ja schon mal im Thread Jeder 2. Castingteilnehmer ist arbeitslos statt. Ich denke mal, dass es mit einer tragischen Hintergrundgeschichte eher der Fall ist, dass jemand ohne Arbeit ist. Und wie im oben schon mal verlinkten Thread ist es doch eben wesentlich risikofreier an einer solchen Show teilzunehmen.
Ein anderer Grund ist natürlich auch, das bestimmte Casting-Teilnehmer die Öffentlichkeit suchen, andere durch ihre Bekanntheit einfach keine andere Wahl mehr haben. Und da werden nun mal tragische Geschichten lieber genommen als ein völlig normaler und damit auch langweiliger Lebenslauf.
Ich glaube zwar auch nicht, dass nur Leute mit einem tragischen Erlebnis oder Hintergrund zu so einem Casting gehen, jedoch habe ich mir insbesonder bei dieser Staffel genau das Gleiche gedacht.
Bei fast jeder Vorstellungsrunde wurde irgendein Schicksal erörtert und hervorgehoben. Ich denke, dass das einfach beim Publikum wirkt. Man hat dann Mitleid und gewinnt so eventuell mehr Sympathie? Ich weiß es nicht. Zumindest habe ich manchmal den Eindruck, dass es so ist. Diese Taktik wirkt nur irgendwann nicht mehr, wenn jeder ein tragisches Schicksal hat.
Diether Bohlen hat ja auch in irgendeinem Interview erwähnt, dass sie in dieser Staffel konkret nach außergewöhnlichen Leuten suchen, damit meinte er jedoch nicht unbedingt nach außergewöhnlichen Musiktalenten, sondern einfach Leute, die kein Null Acht Fünfzig Leben führen. Da sind tragische Schicksale dann natürlich sehr hilfreich.
Dieses Phänomen kann man aber finde ich auch bei anderen Shows wiederfinden. Zum Beispiel Big Brother. Wenn man da die erste mit der derzeitigen (ich glaube 10.?) Staffel vergleicht, sieht man da ebenso wie bei DSDS enorme Unterschiede. Bei beiden waren am Anfang finde ich auch "normale" Bürger. Einfach Leute, wie man sie von nebenan kennt. Mit zunehmender Staffel wurde es immer spezieller. Bei Big Brother mussten immer mehr Challenges bestanden werden und bei DSDS wird es auch immer exotischer.
Und immer wieder werden auch in Fernsehmagazinen, Zeitschriften und Co die tragischen Hintergründe erwähnt und detailliert erörtert. Ich habe die ersten Staffeln eigentlich sehr gerne gesehen, mittlerweile finde ich, dass es immer weniger mit Musiktalenten sondern mehr mit Strategien zu tun hat. Vielleicht war es zu Beginn auch so, aber da ist es mir wesentlich weniger aufgefallen.
Der stinknormale Nachbar von nebenan hat denke ich mittlerweile nur noch eine geringe Chance dabei zu sein, egal wie talentiert er ist, solange er kein besonderes Erlebnis in seinem Leben offenbaren kann.
Schade eigentlich.
tournesol hat geschrieben:Dieses Phänomen kann man aber finde ich auch bei anderen Shows wiederfinden. Zum Beispiel Big Brother. Wenn man da die erste mit der derzeitigen (ich glaube 10.?) Staffel vergleicht, sieht man da ebenso wie bei DSDS enorme Unterschiede. Bei beiden waren am Anfang finde ich auch "normale" Bürger. Einfach Leute, wie man sie von nebenan kennt. Mit zunehmender Staffel wurde es immer spezieller. Bei Big Brother mussten immer mehr Challenges bestanden werden und bei DSDS wird es auch immer exotischer.
Das ist mir auch schon aufgefallen. Zu Big Brother kann ich nichts sagen, da ich das nicht gucke, aber bei DSDS gab es letztes Jahr ja schon bei den Recalls Sachen wie kopfüber am seil hängend singen, bzw. mit einer Python um den Hals singen.
Natürlich müssen die Shows mehr bieten, um Zuschauer anzulocken und zu halten, aber in den ersten Sendungen hat es doch auch ohne funktioniert und soweit ich mich erinnere, ausgesprochen erfolgreich.
Ob diese tragischen Hintergrundgeschichten immer auch der Wahrheit entsprechen, glaube ich auch nicht unbedingt. Denn als zum Beispiel Menowin Fröhlich gerade in die Top 20 kam, hieß es, dass seine Mutter drogenanhängig war und ihm das Leben zur Hölle gemacht hat. Er hat durch seine Mutter eine so schlechte kIndheit gehabt hieß es damals. Heute war die Mutter nach 3 Jahren Gefängnisaufenthalt das erste mal in einer Mottoshow und Menowin ist ihr um den Hals gefallen, weil er sie so vermisst hat. Er hätte sie angeblich 3 Jahre nicht gesehen. Warum ist er nicht auf Besuch in der Haftanstalt gewesen?
Immer wird irgendwie bei irgendwem auf die Tränendrüsen gedrückt. Und das stört mich gewaltig und macht diesen Menschen nicht sympatischer für mich. Im Gegenteil. Ich finde, dass sowas einfach nicht in die Öffentlichkeit gehört. Zumindest nicht dann, wenn man durch Leistung eigentlich weiterkommen sollte. Wenn derjenige es geschafft hat, kann man es immer noch ausschlachten, wenn man unbedingt will. Denn dann kann man auch objektiv bewertet werden und nicht, weil der oder die Arme ja soviel mitgemacht hat.
Ich denke nicht, dass nur die Leute mit tragischen Hintergund zu den Castings gehen. Aber es gehen sehr viele mit tragischem Hintergrund hin. Man muss ja bedenken, dass man im Berufsleben für mehrere Wochen aufällt. So viele Wochen kann man keinen urlaub bekommen. Also ist es schon fast Pflicht auch arbeitslos zu sein. Und Arbeitslosigkeit ist zwar nicht immer, aber oft mit einem tragischen Hintergund verbunden. Und wenn jemand nicht weiß, was er machen soll, weil er keine Berufsausbildung hat, dann geht man eben zu einem Casting.
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