Selbstständigkeit aufgeben - peinlich?

vom 08.02.2010, 19:39 Uhr

Danke für Eure Rückmeldungen. Mal ein paar kurze Anmerkungen. Ich bin selbst nach einigen Jahren der Selbstständigkeit seit Anfang des Jahres hauptberuflich angestellt. Durch die Gemeindegebietsreform und Umstrukturierungen einiger Bildungsträger war abzusehen, dass ich einige Aufträge verliere und ich habe mich daher beizeiten um neue Kunden bemüht. Herausgekommen ist dabei das Angebot einer Angestelltentätigkeit bei einem deutschlandweit operierenden Unternehmen, dass seinen Hauptsitz hier in der Region hat. Dabei verdiene ich recht gut (jeweils alle 6 Monate wird es bis zu einer sehr schönen Obergrenze besser), kann trotzdem sehr viel eigenverantwortlich arbeiten und es gab auch keine Probleme mit der nebenberuflichen Fortsetzung der Selbstständigkeit. Finanziell hatte ich zwar noch keine Sorgen, aber es wäre möglich gewesen.

Die Selbstständigkeit war übrigens im Vorstellungsgespräch nur insoweit Thema, als das eben gefragt wurde was ich wo genau an Berufserfahrung gesammelt hätte. Gut, bei mir war es vielleicht auch eine andere Situation. Aber wenn man will, findet man mit Sicherheit auch eine gute Begründung, die nicht zu blöd aussieht.

Im Freundes- und Bekanntenkreis wurde meine Veränderung durchaus positiv aufgenommen, wohl auch wegen dem guten Ruf meines derzeitigen Arbeitgebers, der relativ krisenfesten Branche und meiner Stellung dort. Da hier aber leider viele ihre Erfahrungen mit Arbeitsagentur und ARGE haben, glaube ich auch nicht, dass es bei einem anderen Arbeitgeber anders gewesen wäre. Denn in meinem Bekanntenkreis gibt es zwei Frauen, die bisher ihre jeweiligen Partner in deren Unternehmen unterstützt haben. Mit wegbleibenden Aufträgen wurde Arbeit und Geld knapper, so dass sich beide einen Job suchten - auch darüber wurde nicht gelacht. Das will aber besagter Bekannte nicht glauben. Dem ist meines Erachtens nicht zu helfen.

Klar war die Rückkehr zu Anfang nicht ganz so einfach, weil man eben in der Selbstständigkeit doch mehr Freiheiten hat. Andererseits bezahlt man für diese Freiheiten auch einen nicht zu niedrigen Preis.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Also ich finde das ist nicht peinlich. Ich kenne Leute die waren sehr gut in Ihrer Selbstständigkeit, haben diese aber aufgegeben oder führen es als zweites Standbein nun neben einem Angestelltenverhältnis weil es einfacher und bequemer für sie ist. Als Angestellter trägt man das Risiko nicht mehr, bekommt Urlaub und Urlaubsgeld etc.

Es ist nur schade wenn ein bestimmter Traum von der Selbstständigkeit nicht in Erfüllung geht. Das ist sicher traurig und für denjenigen auch schwer sich einzugestehen.

Ich arbeite auch an meiner Selbständigkeit. Ich studiere und möchte dann ein zweites Standbein aufbauen in der Hoffnung einmal ganz damit mein Auszukommen zu haben und ich hoffe ich werde nicht auch einmal frustriert aufgeben müssen. Aber wenn es sich nicht rentiert muss man Konsequenzen daraus ziehen.

Mit den in der Selbstständigkeit erworbenen Qualifikationen findet man sicherlich einen gut bezahlten Job. Das habe ich schon bei meiner Mutter gesehen die auch die Selbstständigkeit aufgeben musste und das war wirklich keine schlechte Entscheidung.

» Una » Beiträge: 11 » Talkpoints: -0,94 »


Hallo JotJot,

ich schließe mich der allgemeinen Meinung meiner Vorredner an, denn auch ich finde es nicht peinlich, eine Selbständigkeit aufzugeben. Weshalb auch? Für das Scheitern einer Selbständigkeit kann es unzählige Gründe geben. Manches kann man selbst beeinflussen, teilweise sogar schon im Vorfeld durch gute Vorbereitung, manches eben weniger oder gar nicht. Und selbst, wenn man einfach nur schlecht vorbereitet war und sich der Erkenntnis geschlagen geben muss, dass man nicht weit genug gedacht hat, als man seine Existenz gründete, so ist das doch trotzdem noch kein Grund, dieses Scheitern als peinlich zu empfinden. So sehe ich es jedenfalls.

Meine erste eigene Selbständigkeit habe ich damals ordentlich an die Wand gefahren, weil ich überhaupt nicht vorbereitet war und mir sämtliche möglichen Konsequenzen meines Handels nicht oder nicht im richtigen Maß vor Augen gehalten habe. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige mein Aufgeben als peinlich bezeichnet haben, denn man kann meine damalige Vorgehensweise wirklich als naiv bezeichnen. Dennoch ist mir auch das nicht peinlich, denn ich habe trotzdem einen Nutze daraus ziehen können: persönliches Reifen.

Ob man eine gescheiterte Selbständigkeit als peinlich oder nicht bezeichnet, ist meiner Meinung nach deshalb also hauptsächlich eine Frage der eigenen Persönlichkeit, des eigenen Charakters und der eigenen ursprünglichen Motivation, die zur Gründung beigetragen hat.

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» moin! » Beiträge: 7218 » Talkpoints: 22,73 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich finde nicht, dass es peinlich ist, die Selbstständigkeit aufzugeben. Wenn eine Firma nicht gut läuft und es keine Möglichkeit gibt, sie zu retten, ist das nur vernünftig.

Es ist im Gegenteil eher peinlich, an einem Unternehmen festzuhalten, von dem jeder auf den ersten Blick sieht, dass es nicht mehr zu retten ist. Es zeugt dann eher von Klugheit aufzuhören, bevor man noch tiefer sinkt. Denn wenn man das Unternehmen nicht aufgibt existiert einerseits die kleine Chance, es doch noch retten zu können, andererseits aber auch die um vieles größere Möglichkeit, dass man nur noch mehr verliert. Man sollte wissen, wann man verloren hat.

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» JulietMay » Beiträge: 1078 » Talkpoints: -0,56 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Nein, peinlich finde ich es nicht, aber meiner Erfahrung nach ist es denjenigen ausgesprochen peinlich. Sich selbständig zu machen ist in Deutschland relativ leicht. Jeder kann zum Beispiel einen Verlag gründen und nun im Selbstverlag die eigenen literarischen Ergüsse herausbringen. Oder fremde Bücher verlegen. Das machen auch sehr viele (und nicht selten sind es Autoren, die bis dahin vergeblich versuchten, bei großen Verlagen unterzukommen) und sehr viele davon verschwinden sehr bald wieder. Komplett, von den Personen hört und liest man dann nie wieder etwas. Insofern würde ich durch das, was ich so mitbekomme, also schon sagen, dass es den Betroffenen sogar extrem peinlich ist und sie sich gar nicht mehr unter ihre gewohnten Kontakte trauen, wenn sie mit dem eigenen Gewerbe gescheitert sind.

Aus meiner Sicht ist es nur vernünftig, wenn man einen Betrieb aufgibt, wenn klar abzusehen ist, dass es damit nichts wird. Das ist allemal viel besser, als sich (und eventuell andere, nämlich die eigenen Mitarbeiter) damit in die Schulden zu bringen. Die Mitarbeiter, wenn man nicht mehr fähig ist, ihren Lohn zu entrichten.

Und sich trotz Selbständigkeit bei der ARGE anstellen zu müssen und um Geld zu bitten, finde ich weit peinlicher. Denn das ist doch ein ganz deutliches Indiz dafür, dass da etwas ganz und gar schiefläuft. Unterstützung am Anfang zu brauchen, okay, ist noch vertretbar. Aber dann sollte man es entweder alleine auf die Reihe bekommen oder sein lassen.

» Morgaine » Beiträge: 2701 » Talkpoints: 9,09 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Es kommt natürlich auf die Branche an .Falls er auch noch in dem Bereich arbeitet, indem seine Ausbildung absolviert hat, werden die zukünftigen Arbeitgeber ihm Unfähigkeit vorwerfen. Der zukünftige Boss geht immer davon aus, dass irgendetwas mit dem ehemaligen Selbstständigen nicht stimmt. Entweder besitzt er nicht genügend Fachwissen, kein wirtschaftliches Denken oder ist faul.

Es wird schwer werden einen neuen Arbeitgeber zu finden, der damit umgehen kann. Meinen Freund ging es genauso. Er bekam dann die Change zu einen wirklich miesen Gehalt und vielen unbezahlten Überstunden. Aus diesem Job hat er sich dann weiterhin beworben und ungefähr nach einem Jahr eine vernünftige Anstellung bekommen. Die Zeit war hart für uns, weil der Chef ein reiner Ausbeuter war und ihm auch keinen Respekt entgegen gebracht hat.

» moosmutzelfisch » Beiträge: 58 » Talkpoints: 0,17 »


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