Filme nach wahrer Begebenheit - Veränderungen

vom 09.02.2010, 23:26 Uhr

Schon in der historischen Literatur gab es Werke, deren Handlung auf wahren Begebenheiten fußen soll. Da war es natürlich klar, dass auch andere Mediengattungen solche Geschichten als Basis haben können. Und so gibt es heute Filme, Hörspiele, und so weiter, die auf wahren Geschichten basieren sollen. An sich finde ich die Idee nicht schlecht. Wenn interessante Dinge geschehen, dann kann man sie ruhig weiter verbreiten, sei es in halbfiktionaler Form oder nicht. Einige Geschehnisse sind einfach spannend und dass man sie gerne erzählt, das verstehe ich auf jeden Fall. Auch sind eigene Erlebnisse für Schriftsteller (und so wohl sicherlich auch für Regisseure und Drehbuchautoren) häufig Ideenquellen für bestimmte fiktive Handlungen. Für mich alles kein Problem.

Wo ich mich aber wundere, ist manchmal, wie diese Filme, die auf wahren Begebenheiten basieren sollen, manchmal künstlerisch verändert werden. Dass man bestimmte Dinge ändert, damit es als Film einfach besser wirkt, Ver"besserungen"(?) aus dramaturgischen Gründen, die kann ich verstehen, wenn man eine Handlung für einen Film oder Roman fiktionalisiert. Einige Dinge zu kürzen oder auch leicht zu verlängern, das kann zum Verständnis eines Filmes einfach notwendig sein. Wobei man sich bei einer Vielzahl an Änderungen manchmal fragen kann, ob man dann überhaupt noch damit werben sollte, dass der Film eine wahre Begebenheit behandle. Denn je größer die Abweichungen, desto un-originalgetreuer wäre der Film dann ja. Irgendwann wäre es nur noch Fiktion, meiner Meinung nach.

Aber, worauf ich eigentlich hinaus wollte, ist das Folgende: Einige Änderungen kann ich, wie ich bereits schrieb, nachvollziehen. Aber ich stoße auch immer wieder auf Veränderungen, die ich irgendwie sinnlos finde. Zwei Beispiele kann ich hier ja nennen, die sich interessanterweise auch ein wenig ähneln.

Das erste Beispiel: Einige von euch kennen vielleicht den Disney-Film "Antarctica". Ich bekomme den Inhalt leider nicht mehr komplett zusammen, aber irgendwie hatte auf jeden Fall ein Forscherteam in der Antarktis ihre Schlittenhund zurücklassen müssen. Der Film behandelte dann hauptsächlich das Überleben der allein gelassenen Hunde dort. Im Film waren es US-amerikanische Forscher. Die Handlung, so hieß es immer, basiere auf einer wahren Begebenheit. Ja, die gab es so ähnlich tatsächlich, allerdings waren das japanische Forscher. Wieso musste man im Film Amerikaner daraus machen?

Das zweite Beispiel ist relativ aktuell. Es geht um "Hachiko - Eine wunderbare Freundschaft". Ob das von Disney verbrochen wurde, weiß ich gerade nicht, aber es ist auch mehr oder weniger ein Hunde-Film, wenn man so will. Hintergrund ist der japanische Hund Hachiko, der nach dem Tod seines Herrchens immer an einem Tokioter Bahnhof wartete. Eine wahre Geschichte, die sich in den 1920er Jahren abspielte. In Japan ist sie weit bekannt, der Hund Hachiko hat mehrere Denkmäler bekommen und gilt quasi als Sinnbild für Treue schlechthin.

Dass diese Geschichte verfilmt werden würde, wäre eigentlich nicht schlecht, dachte ich mir erst. Aber wieso spielt die Verfilmung in den USA und es kommen nur US-Amerikaner darin vor? Mit keinem Wort wird erwähnt, dass irgendein Bezug zu Japan bestünde (abgesehen davon, dass der Hund ein japanischer Akita ist, also eine japanische Hunderasse, und wohl deswegen den japanischen Namen trägt, so wird das wohl im Film begründet). Japanische Darsteller (oder zumindest andere Asiaten) gibt es im gesamten Film nicht. Nur US-Amerikaner.

Ja, wieso muss man solche Handlungen in die USA verlegen? Wenn es US-amerikanische Produzenten sind, dann ist das natürlich logisch erklärbar. Nur ich persönlich finde es dennoch etwas blöd, wenn man solche Handlungen in ein anderes Land verlegt, weil ich mich immer frage: Wozu? Kommen die Handlungen bei den US-Amerikanern nicht an, wenn da keine "Amis" mitspielen, sondern "irgendwelche Ausländer", oder wie?

Ich persönlich empfinde das einfach als unnötig, denn meinem Empfinden nach kommt es ja auf die Handlung an. Und wenn etwas in Japan spielt, dann spielt es halt in Japan. Natürlich kann man es ruhig verlegen, nur irgendwie kommt mir das dann "falsch" vor. Einfach unnötig. Denn man sollte sich als Zuschauer ja wohl in Menschen hinein versetzen können, auch, wenn sie einer anderen Ethnie angehören. Meinem Gefühl nach wirkt es, wenn man solche Geschichten von der ursprünglichen in eine andere Kultur verlegt, immer so, als wenn dies als unmöglich betrachtet wird, und das finde ich irgendwie traurig.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Eine Aussage, dass der Film auf einer wahren Begebenheit basiert, bedeutet ja nicht, dass alles wirklich so passiert ist. Kann es ja nicht, weil selbst Augenzeugen dieser wahren Begebenheit nur eine subjektive Wahrnehmung haben. Außerdem werden die letzten Details sowieso nicht übermittelt. Aber gerade das Fokussieren auf einen Haupthandlungsstrang erfordert ja das Ausschmücken der Geschichte. Wenn nur zuverlässig übermitteltes, also die Tatsachen, dargestellt werden würde, hätte mancher 90-Minuten Film der zeitlichen Länge nach auch in eine Werbepause gepasst.

Dann zur Frage, wieso die Geschichten verlegt werden. Dazu kann man eigentlich mehrere Gründe nennen. Das eine ist ein ganz pragmatischer Grund: wenn ein US-Studio den Film hauptsächlich für den US Markt drehen will, dann sollte wenigstens die Sprache nicht synchronisiert werden müssen. Da machen sich Muttersprachler ganz gut.

Dann auch der Geschmack auf dem Heimatmarkt: ja, ich denke die US-Amerikaner sehen sich lieber Filme an, in denen US-Amerikaner zu sehen sind. Der Bruch allein dadurch, dass hauptsächlich (oder eben nur) Asiaten zu sehen wären, wäre zu Groß. Und das Risiko wird keiner eingehen wollen, der auf Erfolg angewiesen ist. Hinzu kommt, dass es sicher Unterschiede bei Verhaltensmustern gäbe. Hier ist ja auch eine kulturelle Grenze, die es zu überschreiten gäbe. Sieht man übrigens deutlich, wenn man deutsche (oder auch österreichische) Horrorthriller anschaut, die nach US-Amerikanischem Vorbild (die ihrerseits in letzter Zeit öfter in Japan abgeschaut haben) gedreht wurden (z.B. "Gonger", aber es gibt zahlreiche weitere Filme, die hier als sog. "Weltpremiere" liefen ;)). Hier passt schlicht das gespielte nicht in den vorgegebenen Rahmen. Einfache Kopien funktionieren also nicht. Anpassungen sind notwendig!

Ich finde eher, dass das Attribut bzw. die Bezeichnung "nach einer wahren Begebenheit", zu inflationär benutzt wird. Das verlegen der Handlungsorte usw. stört da eher weniger.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


derpunkt hat geschrieben:Das eine ist ein ganz pragmatischer Grund: wenn ein US-Studio den Film hauptsächlich für den US Markt drehen will, dann sollte wenigstens die Sprache nicht synchronisiert werden müssen. Da machen sich Muttersprachler ganz gut.

Also, sofern ich weiß, sind die USA nicht gerade ein bevölkerungsarmes Land. ;) Die genaue Anzahl japanischer Einwanderer kann ich dir jetzt nicht nennen, aber es gibt allgemein doch recht viele asiatische Immigranten in den USA. Du meinst, da wäre es nicht möglich, ein paar Schauspieler aufzutreiben, die sowohl Englisch als auch Japanisch sprechen? Ja, sie müssten ja nicht einmal Japanisch sprechen können, für einen amerikanischen Film. Sie müssten lediglich äußerlich Japaner sein (und die englische Sprache beherrschen, aber das sollte kein Problem darstellen, bei US-Amerikanern mit japanischen Wurzeln). Das würde doch genügen.

derpunkt hat geschrieben:Dann auch der Geschmack auf dem Heimatmarkt: ja, ich denke die US-Amerikaner sehen sich lieber Filme an, in denen US-Amerikaner zu sehen sind. Der Bruch allein dadurch, dass hauptsächlich (oder eben nur) Asiaten zu sehen wären, wäre zu Groß. Und das Risiko wird keiner eingehen wollen, der auf Erfolg angewiesen ist.

Irgendwie steht das ja, wenn es auch nachvollziehbar ist, in einem krassen Gegensatz zu bestimmten Filmen, die in den USA erfolgreich sind oder waren, die absichtlich pseudo-exotisch wirken sollten. Es gibt ja mittlerweile schon mehrere, die asiatisch wirken sollen, aber eigentlich US-amerikanische Produktionen sind. Und man denke mal an Mel Gibsons Produktionen, wie "Die Passion Christi" oder "Apocalypto". Beide liefen mit nicht englischsprachigem Ton, mit englischen Untertiteln. Nun gut, die Popularität des Jesus-Filmes kann man vielleicht noch mit der Religiösität vieler US-Amerikaner erklären, aber was ist mit dem anderen Film? Kein englisches Wort, kein "typisch amerikanischer" Schauspieler. Und dennoch ein Kino-Erfolg. Wieso sollte man also nicht einen Film in Japan spielen lassen können, mit japanischen Darstellern? Man muss ja nicht einmal die Sprache beibehalten, es geht mir hier nur einmal um die Darsteller beziehungsweise deren (echter oder äußerlich scheinbarer) Ethnie.

derpunkt hat geschrieben:Hinzu kommt, dass es sicher Unterschiede bei Verhaltensmustern gäbe. Hier ist ja auch eine kulturelle Grenze, die es zu überschreiten gäbe.

Ich als in Deutschland aufgewachsener Asiat, der sowohl verschiedene asiatische Kulturen als auch die deutsche kennt, kann dir eines sagen, auch, wenn das kaum einer glauben möchte: Es gibt zwar einige kulturelle Differenzen, aber im Grunde sind die Menschen sich weltweit gar nicht so unähnlich. Die Sprachen mögen anders sein, Äußerlichkeiten und auch einige Traditionen, aber bestimmte Emotionen oder auch Denkweisen, die kennt jede Kultur! Dieses ewige "Andere Kulturen kann man gar nicht verstehen"-Gehabe fußt alleinig auf der Ignoranz bestimmter Menschen, die einfach nicht wahrhaben wollen, dass Menschen doch nicht so unterschiedlich sind.

Und das zeigt sich meiner Meinung nach auch direkt, wenn wir es auf den einen von mir genannten Film beziehen: Da ist ein Hund so treu, dass er noch nach Jahren auf sein verstorbenes Herrchen wartet. Das hat die Japaner gerührt, das rührt in Europa und in Nordamerika ebenfalls die Menschen! Wo ist hier die konkrete kulturelle Differenz? In der Geschichte gibt es keine. Man hätte sie also genauso gut im eigentlichen Ursprungsland der Geschichte, Japan, spielen lassen können.

derpunkt hat geschrieben:Sieht man übrigens deutlich, wenn man deutsche (oder auch österreichische) Horrorthriller anschaut, die nach US-Amerikanischem Vorbild (die ihrerseits in letzter Zeit öfter in Japan abgeschaut haben) gedreht wurden (z.B. "Gonger", aber es gibt zahlreiche weitere Filme, die hier als sog. "Weltpremiere" liefen ;)). Hier passt schlicht das gespielte nicht in den vorgegebenen Rahmen. Einfache Kopien funktionieren also nicht. Anpassungen sind notwendig!

Ehrlich gesagt, verstehe ich dich hier nicht. Ich habe diesen "Gonger"-Film gesehen, und fand ihn genauso dumpf, wie die US-Produktionen, die man damit wohl imitieren wollte. Für mich gab es da keinen Unterschied. Und wenn man meint, es müsse einen geben, wären das nicht eigentlich auch bloß vorurteilhafte individuelle Erwartungen? Nach dem Motto "Amis dürfen dieses und jenes, aber wenn Deutsche das machen, ist das dämlich"? Das verstehe ich einfach nicht. Aber ich verstehe das Konzept von Nationen sowieso kaum, also, ich erkenne da irgendwie keine emotionale Bindung, und werde wohl mein Leben lang nie verstehen können, wie man sich darauf versteifen kann, irgendeinem bestimmten Volk anzugehören.

Ich finde eher, dass das Attribut bzw. die Bezeichnung "nach einer wahren Begebenheit", zu inflationär benutzt wird. Das verlegen der Handlungsorte usw. stört da eher weniger.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich finde solche Veränderungen durchaus verständlich. Für dich als jemand, der in einem multikulturellen Umfeld aufgewachsen ist, ist es vielleicht unproblematisch, sich auch in einen Japaner oder Senegalesen hineinzuversetzen, aber viele Menschen, die eben nicht an andere Kulturen gewöhnt sind, werden das schwer finden. Wenn sie so einen Film sähen, würden sie sich mehr auf die Andersartigkeit der Darsteller konzentrieren als auf die eigentliche Handlung, und sie würden vermutlich auch viele Geschehnisse dahingehend interpretieren, dass das eben nur passiert sei, weil die Charaktere eben eine bestimmte Herkunft haben. Natürlich ist das schade, aber ein Filmproduzent will eben nicht die Vorurteile von Menschen bekämpfen, sondern das Geld für seinen Film wieder reinbringen.

» channale » Beiträge: 1371 » Talkpoints: 37,37 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



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