Nachhilfe: Wie Umgangssprache erklären?

vom 31.01.2010, 23:09 Uhr

Ich gebe einem 10-jährigen Jungen Nachhilfe. Er ist in der 5. Klasse Realschule und ich helfe ihm in Deutsch, Mathe, Englisch und manchmal auch in den Lernfächern. Er ist ziemlich gut in Mathe, hat aber leider ein paar Probleme mt der deutschen Sprache, weil seine Muttersprache Türkisch ist. Er spricht fast ohne Akzent Deutsch, eigentlich redet er wie jedes andere Kind in seinem Alter. Sein Vater spricht fast kein Deutsch aber seine Mutter kann es sehr gut, zumindest das Alltagsdeutsch.

Und genau hier liegt das Problem. Mein Nachhilfeschüler begreift den Unterschied zwischen Umgangssprache und Schriftdeutsch nicht. Er schreibt einfach, wie er spricht und dabei kommen Sätze heraus, die grammatikalisch falsch sind. Ich versuche, ihm zu erklären, dass es zwei Arten von Deutsch gibt, das gesprochene und das geschriebene Deutsch. Aber ich muss ihm bei jedem Fehler einzeln erklären, was er falsch gemacht hat; er erkennt nicht von selbst, welche Wörter oder Sätze man so nicht im Aufsatz schreiben kann.

Natürlich verstehe ich, dass er das nicht wissen kann. Seine Eltern sprechen auch vorwiegend Türkisch mit ihm und von den Kindern in der Schule kennt er nur die Umgangssprache.

Sein letzter Aufsatz war ein Brief, der Aufbau, die Ideen und die Form waren gut, aber seine Lehrerin bemängelte die schlechte Sprache. Fast in jedem Satz hat sie einen Grammatik- oder Ausdrucksfehler angestrichen. Deshalb hatte er nur eine Vier.

Würde er mehr lesen, würde er den Unterschied vielleicht auch selbst bemerken, aber das würde zu lange dauern. Deshalb möchte ich euch fragen, ob ihr Ideen habt, wie ich ihm das begreiflich machen kann, sodass er seine Fehler selbst erkennt. Bei der Schulaufgabe kann ich ihm ja nicht helfen. Klar, es gibt Regeln, aber meist sind ihm die zu kompliziert und er kann sie nicht anwenden. Hier noch ein Beispielsatz, damit ihr euch besser vorstellen könnt, wie er schreibt: "Ich muss jetzt aufhören, weil ich muss auf meine kleine Schwester aufpassen. Viele Grüße." Der Satz stand in seinem Brief.

» -luzie- » Beiträge: 99 » Talkpoints: -0,53 »



Deutsch ist eine komplizierte Sprache. Die Eigenschaft, dass man hier zwischen einer geschriebenen und einer gesprochenen Variante unterscheidet, ist eine Eigenheit, welche das Deutsche wohl mit kaum einer anderen Sprache gemein hat. Problem dabei ist, dass du das deinem Nachhilfe-Schüler nicht kurzfristig beibringen kannst.

Du kannst ihm Regeln etc. beibringen und ihn das lernen lassen. Dennoch wird er, und das hast du selbst auch schon bemerkt, diese kaum selbst umsetzen können. Er bekommt von daheim in dieser Richtung nichts vorgelebt und er liest zu wenig, als dass er es begreifen könnte. Da wirst du nun nicht von heute auf morgen etwas ändern können.

Die einzige Möglichkeit die ich sehe, ist tatsächlich mit ihm anzufangen, Bücher zu lesen. Er muss daran gewöhnt werden, wie deutsche Sätze, sobald man sie zu Papier bringen möchte, klingen sollen. Dafür braucht er aber Beispiele und Vorbilder. Und das geht eben nur mit Literatur. Du musst ihn dazu bringen, dass er auch in seiner Freizeit gerne liest. Mach ihm Lust auf spannende Kinderbücher. Anders wird das nicht klappen. Wenn er nicht liest, wird er es nie begreifen und immer im schlechten Notenbereich bleiben. Das Problem haben auch genug Kinder, deren Muttersprache eigentlich deutsch ist. Zu wenig lesen fördert einfach einen falschen Umgang mit der Sprache.

» steffi11191 » Beiträge: 1275 » Talkpoints: -2,88 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


steffi11191 hat geschrieben:Deutsch ist eine komplizierte Sprache. Die Eigenschaft, dass man hier zwischen einer geschriebenen und einer gesprochenen Variante unterscheidet, ist eine Eigenheit, welche das Deutsche wohl mit kaum einer anderen Sprache gemein hat.

Das halte ich für vollkommenen Blödsinn. Jede Sprache hat umgangssprachliche Redewendungen und Formen, die man nicht in einen Aufsatz schreiben kann. Und in jeder Sprache werden im Alltag auch Dinge gewohnheitsgemäß schlicht falsch benutzt, die dann in der Schriftsprache natürlich auch nicht gebraucht werden können.

Ich glaube kaum, dass du deinem Nachhilfeschüler Schriftdeutsch beibringen kannst, ohne dass er anfängt zu lesen. Denn geschriebene Dinge sind nun mal die einzige Plattform für Schriftdeutsch. Dieser Prozess wird zwar lange dauern, aber je mehr er liest, desto mehr wird sich seine Schriftsprache verbessern. Dabei musst du ja nicht mal hohe Literatur auswählen, auch belanglose Jugendbücher sind ja trotzdem korrekt geschrieben.

» channale » Beiträge: 1371 » Talkpoints: 37,37 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Die Eigenschaft, dass man hier zwischen einer geschriebenen und einer gesprochenen Variante unterscheidet, ist eine Eigenheit, welche das Deutsche wohl mit kaum einer anderen Sprache gemein hat.

Spontan würde ich sagen, dass das nur jemand von sich geben kann, der sonst keine Fremdsprache beherrscht. Du hast vermutlich noch nie Amerikaner oder Engländer reden hören ;) Da kennt man die Wörter als Ausländer teilweise nicht, weil sie so sehr anders sind. Das gibt es in jeder Sprache. Ich gehe aber davon aus, dass du kein türkisch kannst, sonst kannst du ihm das so erklären.

Ansonsten ist es in der Tat eine gute Idee, wenn man mit ihm Bücher liest oder wenn er eine Wort umgangssprachlich sagt, dass man ihm das "richtige" Wort erklärt. Spontan fällt mir trauriger Weise nicht einmal ein Beispiel ein, weil wir hier auch nicht sonderliche viel Dialekt sprechen und bei uns fast alles so geschrieben wird, wie man es sagt.

Hast du denn mal ein Beispiel?

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» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge



Ok, da hab ich mich wohl etwas missverständlich ausgedrückt. Ich selbst beherrsche mehrere Fremdsprachen fließend und bin auch der deutschen Sprache mächtig. Was ich sagen wollte, ist folgendes: kein anderes Land hat ausdrücklich eine Formulierung a lá "Schriftdeutsch". es gibt kein Schriftenglisch oder Schriftfranzösisch. Es gibt Varianten, die verwendet man im Schriftverkehr nicht. Aber so eine deutliche Unterteilung wie es das Deutsche mit Schriftsprache und gesprochener Standardsprache macht, gibt es sonst nicht.

Historisch bedingt lässt sich diese Entwicklung auf Luther zurückverfolgen, der eben ein Schriftdeutsch als einzige Möglickeit sah, angesichts so vieler regionaler Dialekte und Mundarten, das Deutsche überregional zu verbreiten. Umgangssprache und andere Varietäten hat klarerweise jede Sprache.

Nur gibt es eben zwischen gesprochener Standardsprache, welche sich nach und nach mehr der Umgangssprache anpasst, und dem Schriftdeutschen, Unterschiede, die sich so nicht einfach erklären lassen. Da hilft einfach nur lesen, lesen und nochmals lesen.

» steffi11191 » Beiträge: 1275 » Talkpoints: -2,88 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


winny2311 hat geschrieben:Spontan fällt mir trauriger Weise nicht einmal ein Beispiel ein, weil wir hier auch nicht sonderliche viel Dialekt sprechen und bei uns fast alles so geschrieben wird, wie man es sagt.

Hast du denn mal ein Beispiel?

Ja, da habe ich ein paar Beispiele. Wir wohnen in Bayern und deshalb benutzt er öfters auch bayerische Wörter, ohne es zu merken. Oft schreibt er "gscheit" statt "richtig", was natürlich ein grober Fehler ist. Aber er merkt das einfach nicht. Oder er schreibt "was" anstatt "etwas" und "nochmal" statt "noch einmal", etc. Einer seiner Sätze, an den ich mich zufällig noch erinnere, ging so: "Jetzt will ich dir von Italien was erzählen, weil wir waren da im Urlaub". :? Als ich das gelesen hatte, fragte ich ihn, ob ihm noch bessere Wörter einfielen, mit denen man die anderen ersetzen könnte. Sein Vorschlag: Das "Jetzt" durch ein "Nun" zu ersetzen. :lol:

Ich mag den Jungen sehr gerne und würde ihm wirklich gern helfen. Vielleicht fallen euch ein paar Übungen ein, mit denen er es sich besser merken kann? Würde mich sehr freuen!

» -luzie- » Beiträge: 99 » Talkpoints: -0,53 »


-luzie- hat geschrieben:Oder er schreibt "was" anstatt "etwas" und "nochmal" statt "noch einmal", etc.

Solche Fehler kann man doch aber recht einfach erklären. Es ist doch ganz logisch, dass beim Sprechen Dinge verkürzt werden, damit es schneller geht. Wenn du ihm das so erklärst und ich zum Beispiel die Silben (beim Sprechen) zählen lässt, wird er das sicherlich verstehen.

-luzie- hat geschrieben:Einer seiner Sätze, an den ich mich zufällig noch erinnere, ging so: "Jetzt will ich dir von Italien was erzählen, weil wir waren da im Urlaub". :? Als ich das gelesen hatte, fragte ich ihn, ob ihm noch bessere Wörter einfielen, mit denen man die anderen ersetzen könnte. Sein Vorschlag: Das "Jetzt" durch ein "Nun" zu ersetzen. :lol:

Das ist doch aber gar nicht falsch. Wenn man in einem Text schon sehr oft "jetzt" geschrieben hat, sieht es sogar besser aus, wenn man das Wort ab und an mal durch "nun" ersetzt. Das ist keine Umgangssprache oder Mundart!

Du hast jetzt in zwei Beispielen seiner Sätze eine falsche Verwendung von "weil" als nebenordnende Konjunktion genannt. Das ist meiner Meinung nach etwas, was du ihm einfach als schlicht falsch erklären musst. Korrigiere ihn auch jedes Mal, wenn er das so sagt. Auf "weil" einen Hauptsatz folgen zu lassen, ist nämlich nicht nur Umgangssprache, sondern falsch - egal ob gesprochen oder geschrieben.

Trotzdem wiederhole ich noch mal: Der Junge muss anfangen zu lesen, selbst wenn es nur kurze Zeitungsartikel oder so sind. Nur so wird er sich langfristig richtiges Schriftdeutsch einprägen.

Ich mag den Jungen sehr gerne und würde ihm wirklich gern helfen. Vielleicht fallen euch ein paar Übungen ein, mit denen er es sich besser merken kann? Würde mich sehr freuen!

» channale » Beiträge: 1371 » Talkpoints: 37,37 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Erstens: Natürlich habe ich ihm erklärt, warum man Umgangssprache benutzt, nämlich weil es einfacher und schneller geht, und dass man ím Aufsatz eben die schriftdeutsche Variante verwenden muss. Das Problem ist aber, dass es bei diesem Jungen nichts bringt, ihm das einfach nur zu erklären. Oder ich erkläre es ihm falsch. (Deshalb habe ich diesen Thread gepostet). Er versteht es zwar, aber wendet es nicht an. Und so muss ich ihn bei jedem Fehler wieder aufs Neue drauf hinweisen. Du hast natürlich Recht damit, dass er mehr lesen muss. Das habe ich ihm auch schon gesagt. Leider ist er nachmittags meistens allein zu Hause und guckt dann lieber fern :( Und außerdem brauche ich jetzt eine Methode, damit ihm die Regeln in Fleisch und Blut übergehen, denn sein nächster Aufsatz soll ja besser werden. Wenn es nach mir ginge, müsste der Junge das Jahr sowieso wiederholen, aber das wollen die Eltern auf gar keinen Fall und ich bin ja auch nur die Nachhilfelehrerin.

Zweitens: Das "Jetzt" durch ein "Nun" zu ersetzen ist natürlich immer gut, weil die Satzanfänge ja abwechslungsreich sein sollen. Aber angesichts der haarsträubenden Grammatik und der Wortwahl fand ich seine Antwort ziemlich erschreckend. Ich meine, dass ihm an diesem Satz sonst nichts auffiel, war schon schockierend! Das war es auch nicht, was ich mit Mundart meinte; ich meinte die Verwendung des Wortes "gscheit" statt "richtig".

Drittens: Leider gestaltet es sich sehr schwierig, ihm die Sache mit dem Nebensatz zu erklären, da er noch nicht das Verständnis für Grammatik hat. Er schreibt einfach nach Gefühl - und sein Sprachgefühl ist halt noch nicht so gut. Entweder muss er sich daran gewöhnen, beim Schreiben mehr nachzudenken, oder diese Regeln müssen ihm einfach ins Gefühl übergehen. Genau deshalb suche ich nach Methoden, die ihm dabei helfen, das zu lernen.

Bitte fass meine Antwort jetzt nicht als Krizik auf: Ich weiß deine Antwort sehr zu schätzen, aber ich habe anscheinend ein paar Dinge missverständlich ausgedrückt, die du dann falsch verstanden hast. Deshalb wollte ich einige Sachen richtig stellen.

» -luzie- » Beiträge: 99 » Talkpoints: -0,53 »


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