"Esra"-Roman verboten
Das BVG hat entschieden - Maxim Billers Roman "Esra" darf nicht erscheinen.
Billers Exfreundin und deren Mutter hatten sich durch mehrere Instanzen geklagt um das Verbot durchzusetzen, da beide sich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt fühlten. In jeder Instanz hatten sie recht bekommen, jedes Mal hatte Billers Verlag Kiepenheuer & Witsch Beschwerde gegen das Urteil eingelegt, bis die Klage letztlich beim BVG landete.
Die Entscheidung war allerdings nicht einstimmig, sondern so knapp wie nur möglich. Fünf Richter stimmten für das Gebot, drei dagegen. Außerdem wurde zum ersten Mal nur der Klage der Exfreundin nachgegeben, mit dem Argument, dass sie eindeutig in der Figur der Esra wiedererkennbar sei und der Roman intimste Details der Beziehung preisgebe. Esras Mutter hingegen sei zwar auch wiederzuerkennen, würde aber "nur" negativ beschrieben, was für eine Verletzung des Persönlichkeitsrecht nicht ausreichend sei.
Die drei Richter, die gegen das Verbot stimmten, merkten außerdem noch an, dass ihre Kollegen nicht die Maßstäber der Kunst, bzw der Literatur angewandt hätten. Für Biller selbst, für seinen Verlag ist dieses Verbot gleichzeitig eine empfindliche Niederlage, als auch eine schwarze Stunde generell für die Literatur.
Ein ähnliches Urteil aus den '70ern kann man übrigens hier nachlesen.
Meiner Ansicht nach ein Skandal, da kann jetzt von mir aus jeder mit dem Schutz der Privatsphäre argumentieren, aber hier geht es um Kunst und dieses Urteil könnte weitreichende Folgen haben, dadurch kann sich nämlich jeder Schriftsteller nun Gedanken machen, ob er mit seinem Werk irgendeine lebende Person zu genau abbildet und damit das Verbot des eigenen Werks provoziert.
Viele Autoren verarbeiten in ihren Büchern Teile ihres Lebens, zeichnen Charaktere, welchen sie selbst begegnet sind oder sich in ihrem engsten Umfeld befinden.
Naja, kommt denke ich drauf an. Wenn sehr eindeutig noch lebende Personen beschrieben werden und es wirklich wie hier beschrieben um intimste Beziehungdetails geht, dann kann ich dieses Urteil schon irgendwie nachvollziehen.
Man muss ja auch mal daran denken, was das für seine Ex-Freundin bedeuten würde: ein jeder könnte in einen Buchladen gehen und da ein Buch kaufen, in dem intimste Beziehungdetails über sie stehen, die eigentlich nie jemand hätte erfahren sollen.
Das könnte im schlimmsten Falle quasi einer Art Brandmarkung gleichkommen.
Ich gebe da Phantomlord recht und es müssen ja schon sehr intime Sachen drin gestanden haben, wenn die Mutter eindeutig zu erkennen war, aber "nur" negativ dargestellt wurde. Alles mit künstlerischer Freiheit zu rechtfertigen geht auch nicht, allerdings werde ich wohl nie erfahren was genau nun drin stand, so dass es nicht gedruckt werden darf, daher kann ich auch kein konkretes Urteil abgeben.
Habe noch nie von diesem Buch gehört. Aber wenn ich von mir ausgehe, wäre es mir auch alles andere als recht, wenn über mich detailliert geschrieben werden würde (mal davon abgesehen, dass es da sowieso nichts zu erzählen gibt). Aber auch wenn der Mensch, um den es geht, tot ist, sollte das nicht so einfach sein? Was geht es den Rest der Welt an, was im Leben einer anderen Person passiert ist?
Ich kenne das Buch nicht und das wird wohl auch in Zukunft so bleiben denn eine höhere Instanz als das BVG gibt es ja nun mal nicht. Aus diesem Grund müssen wir wohl oder übel dem BVG vertrauen, dass Maxim Biller wohl zu pikante Details aus seiner Beziehung preisgegeben hat. "Dank" der heutigen Presselandschaft würde auch jeder bald den realen Namen der "Esra" kennen und dann würde sie ungewollt ins Licht der Öffentlichkeit rücken und auf absehbare Zeit kein Privatleben mehr haben. So ist die Entscheidung des BVG wohl zu begrüßen.
Dass die schriftstellerische Freiheit extrem eingeschränkt wurde, ist für mich nicht ganz so nachvollziehbar. Es ist ja einem Schriftsteller auch weiterhin möglich, Charaktere aus ihrem engen Umfeld in ihren Werken zu nutzen, nur nicht gegen deren Widerstand. Auch in (Auto-)Biografien können ja Bekannte dargestellt werden. Ansonsten gibt es auch noch die Charaktere so zu verfremden, dass die Person nicht eindeutig wieder erkannt wird.
Wenn der BVG entscheidet, dass der Roman höchstwahrscheinlich nicht als Darstellung einer fiktionalen Handlung sondern zur Detailbeschreibung von Privatleben unter dem Deckmantel des Romanschreibens ist, tendiere ich dazu zu glauben, dass dem so ist.
Natürlich lässt sich das ganze jetzt schwer ergründen, vor allem da der Text ja nicht veröffentlicht werden darf. Aus literarischer Seite gibt es jedoch immer das Argument, dass wenn der Text fiktiv ist, er nicht aufgrund der tatsächlich stattgefundenen Dinge geschrieben wurde sondern nur, dass man aufgrund der im Buch erzählten Ereignisse annehmen kann, dass der Autor eine eigene Erfahrung mit einbringt.
Es geht also nicht der Weg: Autor wurde geschieden und hat daher im Buch den Protagonisten von seiner Frau scheiden lassen,
Sondern nur: Im Buch erfahren wir, dass der Protagonist geschieden ist. Dies könnte der Fall sein, weil der Autor selbst einmal geschieden ist.
Von daher lässt es sich nun, ohne den Text zu kennen, absolut nicht beurteilen , ob der Roman gültig ist oder nicht sondern müssen auf die Entscheidung des BVG vertrauen.
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