Klassenübergreifender Unterricht

vom 20.01.2010, 07:45 Uhr

Da ich selber keine Kinder habe, habe ich mich bis jetzt nicht mit diesem Thema beschäftigt. Nun bekomme ich durch meine Neffen vieles mit und bin überrascht was sich in den letzten Jahren alles an den Grundschulen getan hat. Während anfang der 90er die 1. und 2. Klassen getrennt gewesen sind, an meiner Grundschule jährlich abwechselnd die normale lateinische und die vereinfachte Ausgangsschrift gelehrt wurden und es kaum möglich gewesen ist zu überspringen, gibt es heute an einigen Schulen den klassenübergreifenden Unterricht.

Die Kinder aus der 1. und 2. Klasse lernen zusammen in Gruppen und arbeiten selbstständiger. Einer der Vorteile an diesem System soll sein, dass die Kinder besser ins Schulleben eingeführt werden. So können sie in ihrem eigenen Tempo lernen und, falls dafür geeignet, direkt aus der 1. Klasse in die 3. wechseln. Genauso haben schwächere Schüler die Möglichkeit den Stoff aus den ersten zwei Jahren auf drei Jahre zu verteilen.

Aber besteht nicht gerade deswegen auch die Gefahr, dass Eltern ihre Kinder unnötig unter Druck setzen damit diese es eben schaffen direkt in die 3. Klasse versetzt zu werden? Dass Kinder, die eingeschult werden, bereits kleine Zahlen addieren können und Buchstaben kennen, ist scheinbar nichts ungewöhnliches mehr.

Was haltet ihr von dieser Unterrichtsform? Habt ihr Kinder an dessen Schulen auch klassenübergreifend gelehrt wird? Was für Vorteile seht ihr noch außer, dass der Unterricht sich an das Lerntempo des Kindes anpasst?

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» Sonty » Beiträge: 1997 » Talkpoints: 20,24 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Meine Kinder gehen derzeit in die erste Klasse und da wir Ende November umgezogen sind, konnte ich jetzt beide Schulsystem kennenlernen. Und ich kann dir sagen, das dieser gemischte Unterricht nicht wirklich gut ist. Jedenfalls aus meiner Sicht. Wobei ich zugebe, das es auch daran liegen kann, da es das erste Schuljahr ist an der alten Schule wo dies so gemacht wurde. Allerdings mit dem Hintergrund, das ab dem neuen Schuljahr diese Unterrichtsform für ganz Thüringen Pflicht ist.

Zum einen fühlten sich die Erstklässler oftmals durch die Grossen nur gestört, weil diese doch ein ganz anderes Verhalten an den Tag legen. Dazu gab es immer einen Wechsel, da es die Stammgruppen und die Kursgruppen gab. Stammgruppe war quasi die Zusammensetzung von 1. und 2. Klasse. Bei den Kursgruppen waren dann die Jahrgänge unter sich, aber es wurden da eben aus insgesamt 6 Stammgruppen halt 3 Kursgruppen Erstklässler und 3 Gruppen Zweitklässler.

Dazu, und das ist hier in Sachsen alles etwas suspekt vorgekommen, gab es einmal in der Woche einen Tagesplan, welche die Kinder selbständig abarbeiten sollten. Und das, wie vorher versprochen wurde, jedes Kind seinen individuellen Lernplan erhält, ist an dieser Schule bis heute nicht realisiert worden.

Das besonders intelligente Kinder von der 1. gleich in die 3. Klasse wechseln können nach einem Jahr bzw. auch die schwächeren eben 3 Jahre Zeit haben um den Stoff von zwei Jahren zu erlernen, klingt im ersten Moment auch gut. Nur war bei meinen Töchtern in der Stammgruppe ein Mädchen, welches schon 2. Klasse war, und eher auf eine andere Schule gehört, als es dort auf biegen und brechen mitzuschleppen. Sie allein braucht leider mehr aufmerksamkeit als die anderen Schüler zusammen und das bremst doch im Weiterkommen.

Sicher wird manchem Kind damit das sogenannte Sitzenbleiben erspart, aber das sollte dann wirklich den Kindern so geboten werden, wo einfach die Chancen auch sichtbar sind, das es den normalen Schulalltag auf Dauer bewältigen kann.

Nun gehen meine Kinder in eine Schule wo die altbekannte Schulform vorhanden ist. Ok, sie haben noch ein paar Defizite, was aber dem unterschiedlichen Lehrplan zwischen Thüringen und Sachsen geschuldet ist. Dafür gibt es aber an zwei Tagen in der Woche morgens Förderunterricht, welche meine Töchter derzeit noch besuchen.

Zu diesem Förderunterricht, wird extra eingeladen, was man im Hausaufgabenheft dann findet. Ein Tag ist für Deutsch und ein Tag für Mathematik vorgesehen. Dieser Unterricht beginnt mit der 1. Stunde und die anderen Kinder kommen dann halt zur 2. Stunde. Damit alle zusammen dann Unterrichtsschluss haben.

Dazu dürfen sehr gute Schüler aus den dritten Klassen in die Hortgruppen der Erstklässler, so das dort Lernpatenschaften entstehen. Was ich persönlich sehr gut finde, weil eben die Kleinen dann ihren grossen Freunden nacheifern, was ja positiv ist und sich nicht nur auf den schulischen Aspekt begrenzt, sondern auch das gesamte Verhalten der Kleinen beeinflusst.

Du siehst also, das aus eigener Erfahrung heraus, die alten Unterrichtsmethoden für mich die besseren sind. Und mit diesen gemischten Klassen wird meiner Meinung nach mit den Kindern experimentiert, was eben zu Lasten der Kinder geht.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Rein vom Prinzip hört sich das System der gemischten Klassen für mich eigentlich ganz gut an. Endlich wird das System auch mal nach oben durchlässiger, im alten, relativ starren Klassensystem war es fand ich immer sehr problematisch Klassen zu überspringen, weil man eben nur seine Klasse kannte und absolut null Kontakte in andere Gruppen hatte, schon garnicht zu größeren Schülern irgendwie. Da war der Schritt in eine fremde Klasse immer ein Hemmnis. Außerdem ist auch das "Klebenbleiben" nicht so schmerzhaft, man verliert im Idealfall nur einen Teil der Freunde, die älteren die eben in die 3. Klasse kommen.

Wenn einzelne Kinder so viel Lehreraufmerksamkeit fordern dass zur Förderung Anderer keine Zeit bleibt, ist das allerdings kein Systemisches Problem sondern eben ein Einzelproblem! Das würde doch auch in jedem Anderen System ein Problem darstellen Punktedieb, ob nun Gemeinschaftsklasse oder Förderunterricht. Dann sitzt eben dieses Kind auch im Förderunterricht und "zerstört" diesen auch für die Anderen, weil es Aufmerksamkeit braucht, Effekt ist derselbe.

Mir scheint dass das Potenzial der Umsetzung entweder in den beschriebenen Fällen hier durch die Lehrer noch nicht genügend umgesetzt wird, oder dass die Innere Abneigung gegen das System eine objektive Bewertung noch behindert. Beides ja recht verständliche Dinge.

Ich finde wie gesagt die Chance auf Förderung wichtig und das heisst hier nicht immer nur die schlechten mit durchschleifen, sondern auch den besseren eine Entfaltungsmöglichkeit geben. Ich beneide die armen Grundschullehrer wirklich nicht wenn ich überlege, wie unterschiedlich die Leistungs- und Selbständigkeitsspanne ihrer I-Männchen so ist.

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» Herr Lehmann » Beiträge: 558 » Talkpoints: 5,56 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Mein Kind kommt ja erst in diesem Jahr in die Schule. Trotzdem habe ich mich schon mal umgehört, wie es an der zukünftigen Schule meines Kindes laufen wird. Dort wird auch teilweise jahrgangsübergreifend unterrichtet. Allerdings nicht in allen Fächern. Das liegt wohl daran, dass man einfach noch keinen gemeinsamen Nenner gefunden hat, der beiden betroffenen Klassenstufen gerecht wird.

Mathematik und Deutsch werden auf jeden Fall nur für den jeweiligen Jahrgang unterrichtet. In Musik und Kunst hat man in diesem Jahr den projektbezogenen jahrgangsübergreifenden Unterricht getestet und ist prinzipiell positiv gestimmt. Daher wird das wohl in Zukunft auch weiter ausgebaut. Auch in anderen Fächern, wie Sachkunde, soll dieses Modell eingesetzt werden. Dort ist man sich aber noch nicht sicher, wie man das genau tun kann.

Dass die Kinder durch diesen Unterricht unter Druck gesetzt werden, sehe ich nicht so. Denn dass die Kinder sich im Zahlenraum bis 10 sicher bewegen können (dazu gehört auch addieren) und auch schon die Buchstaben aufzählen, besser sogar geschrieben erkennen und im Optimalfall auch schreiben können ist weniger den ehrgeizigen Eltern geschuldet. Wenn es nicht so eine Tipparbeit und ohnehin wegen Kopierens verboten wäre, würde ich ja mal die Anforderungen auflisten, die von Kindergarten und Schule aufgelistet wurden, das sind zwei DIN-A4-Seiten aus den verschiedensten Bereichen. Vieles eigentlich selbstverständlich, aber auch die monierten Dinge sind Wünsche von Seiten der Schule.

Dass das System nach oben durchlässiger wird, ist sicher nicht völlig verkehrt. Allerdings frage ich mich, ob denn mit dieser "Reform" nun wirklich die Schüler besser gefördert werden können?! Da habe ich ehrlich gesagt meine Zweifel, lasse mich aber auch gern eines besseren belehren.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



@Herr Lehmann
Ich kann beide Systeme direkt miteinander vergleichen, da ich sie bei meinen Kindern innerhalb eines Schuljahres erlebt habe. Und ich bin eindeutig der Meinung, das dieses Jahrgangsübergreifende nur bedingt tauglich ist. In Fächern, wie Sport oder den künstlerichen Unterricht mag das gut funktionieren.

Aber in Sachen wie Deutsch und Mathe kann man nicht gleichzeitig beiden Gruppen gerecht werden. Noch dazu, wenn solche Problemkinder dabei sind, die spätestens ab der 3. Klasse wirklich in eine entsprechende Förderschule gehören.

Ich habe mich heute auch mit einer Mutter ausgetauscht, wo das Kind noch in die Schule geht, welche meine Kinder bis Ende November besucht haben. Dort ist nun die eine Lehrerin wegen Elternzeit ausgefallen. Die Eltern erhalten bei diesem Tagesplänen, die einmal die Woche von den Kindern abzuarbeiten sind, keine schriftliche Auswertung mehr, ob zu Hause noch etwas besonders geübt werden muss.

Es wird mit dem vorhanden Lehrpersonal ein bisschen rumjongliert, um eben die eine Kursgruppe mit zu bewältigen, wo die Lehrerin nun weggefallen ist. Die Kinder bleiben dadurch teilweise wieder auf der Strecke.

Und was den Förderunterricht angeht. Dieser wird hier an zwei Tagen in der Woche in der ersten Unterrichtsstunde gegeben. Dort werden eben nur einzelne Kinder bestellt und die anderen kommen dann zur zweiten Stunde. So das sich der Lehrer halt nur auf die wenigen konzentrieren muss, die er selbst eingeladen hat. Was dann dem einzelnen Kind wieder zu gute kommt.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


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