Asexualität / asexuelle Menschen
channale hat geschrieben:Natürlich trifft man immer mal wieder Menschen, die behaupten, dass Sex für sie nicht so wichtig ist, aber häufig stellt sich dann im Nachhinein doch heraus, dass sie das nur gesagt haben, weil sie eben gerade nicht so wirklich die Möglichkeit hatten, ihren Sexdrang auszuleben. Ich will damit nicht sagen, dass ich nicht glaube, dass es Menschen gibt, die wirklich kein Interesse an Sex haben, aber gerade bei jungen Menschen, die schon längere Zeit keinen Sex mehr hatten, fällt es oft auf, dass sie behaupten, dass wäre ihnen egal, weil sie Sex sowieso nicht wirklich brauchen. Sobald sie dann aber wieder einen Partner finden, ist Sex plötzlich Thema Nummer eins.
Hallo,
Das sind aber wieder keine Asexuellen. Diese angebliche Asexualität fällt für mich dann eher in die Schublade "dumme Ausrede". Man will sich eben nicht eingestehen, dass man Sex vermisst, weil man keinen Partner oder allgemein keine Gelegenheit dazu hat. Das ist etwas ganz Anderes, als wirklich gar kein sexuelles Interesse zu haben, und zwar wirklich, nicht nur vorgeblich im Gespräch mit nderen Menschen.
Es gibt ja auch genügend Asexuelle, die in einer Partnerschaft mit einem anderen asexuellen oder auch einem sexuell interessierten Menschen sind. Da könnten sie dann, bei einem sexuell interessierten Partner, ja immer Sex haben und haben es vielleicht auch dem Partner zu liebe manchmal. Wie gesagt, einige gehen Kompromisse ein, was eigentlich schon funktionieren kann, wenn man nicht gerade richtig phobisch vor Sex ist. Aber selbst diese sexuell tätigen Asexuellen oder die, die die Möglichkeit zu Sex haben, die mögen es einfach nicht. Es interessiert sie nicht.
Ich hätte beispielsweise auch täglich die Möglichkeit zu Sex. Nutze ich die? Nein. Ich finde Sex langweilig. Da gehe ich dann lieber einem meiner Hobbies in der Zeit nach. Das macht einfach mehr Spaß für mich persönlich. Und das bei einem Partner, der sexuell absolut keine Niete ist. Nur das Interesse ist eben trotzdem nicht da.
Wie ich schon schrieb, man muss ja nicht alles mögen, nur weil "alle anderen" das auch tun. Viele wohl auch allein des Gruppenzwangs wegen. Das ist ja bei ungeouteten Asexuellen zum Teil richtig schlimm. Allgemein finde ich es schlimm, wenn man sich zu Dingen zwingt, wie man eigentlich nicht möchte, egal ob das nun das Essen eines Gerichts, das man nicht mag, ist, oder auch Sex.
Wieso betonst du eigentlich, dass es junge Menschen wären? Meinst du, es gibt keine alten Menschen, die gerne Sex hätten, den aber nicht bekommen, und daher behaupten, sie wöllten ja eigentlich gar keinen, damit es ihrer Meinung nach weniger "peinlich" wirkt? Wobei, dieses "Peinlichkeitsempfinden", wo keines sein müsste, ist ja gerade bei jüngeren Leuten wohl öfters verbreitet. Ältere Leute sind wohl nicht mehr so darauf bedacht, bei anderen Leuten ein bestimmtes Bild von sich zu erzeugen. Sie sind oft gelassener. Aber natürlich gibt es da auch Ausnahmen.
Wawa666 hat geschrieben:Das sind aber wieder keine Asexuellen. Diese angebliche Asexualität fällt für mich dann eher in die Schublade "dumme Ausrede". Man will sich eben nicht eingestehen, dass man Sex vermisst, weil man keinen Partner oder allgemein keine Gelegenheit dazu hat. Das ist etwas ganz Anderes, als wirklich gar kein sexuelles Interesse zu haben, und zwar wirklich, nicht nur vorgeblich im Gespräch mit nderen Menschen.
Da hast du natürlich recht. Ich wollte damit auch eigentlich zum Ausdruck bringen, dass ich wie gesagt keine wirklich asexuellen Menschen kenne, sondern nur solche, die sozusagen so tun, weil sie es ihnen peinlich ist, dass sie keine Gelegenheit haben, ihren Sexualtrieb auszuleben. Das sind natürlich keine Asexuellen, aber eben die einzige "Variante" davon, die mir persönlich schon begegnet ist.
Wawa666 hat geschrieben:Wieso betonst du eigentlich, dass es junge Menschen wären? Meinst du, es gibt keine alten Menschen, die gerne Sex hätten, den aber nicht bekommen, und daher behaupten, sie wöllten ja eigentlich gar keinen, damit es ihrer Meinung nach weniger "peinlich" wirkt?
Wie du schon selbst sagst, haben ältere Leute weniger häufig das Bedürfnis, sich vor anderen mit ihren Sexualabenteuern zu brüsten. Es ist auch bei älteren Menschen generell akzeptierter, ein "nicht so tolles" Sexleben zu haben als bei jüngeren. Eigentlich bedeutet das natürlich überhaupt nichts, da es hier nur um die Erscheinung nach außen geht und es in der Realität wahrscheinlich gerade andersrum ist, aber unter jungen Menschen erzählt man sich halt gerne, wie oft, wie lang, wie hart und wie ausgefallen man doch Sex hat, während ältere Mitbürger darüber einfach nicht so viel reden.
Die Medien vermitteln doch aber auch generell dieses Bild: Junge Menschen haben immer und überall tollen Sex, ältere Menschen genießen gutes Essen und Kunst. Wenn es nach Werbung und Fernsehserien ginge, wäre jeder jenseits der vierzig sowieso asexuell.
channale hat geschrieben:Eigentlich bedeutet das natürlich überhaupt nichts, da es hier nur um die Erscheinung nach außen geht und es in der Realität wahrscheinlich gerade andersrum ist, aber unter jungen Menschen erzählt man sich halt gerne, wie oft, wie lang, wie hart und wie ausgefallen man doch Sex hat, während ältere Mitbürger darüber einfach nicht so viel reden.
Die Medien vermitteln doch aber auch generell dieses Bild: Junge Menschen haben immer und überall tollen Sex, ältere Menschen genießen gutes Essen und Kunst.
Hallo,
Genau das ist übrigens für viele Asexuelle, gerade jüngere, ein sehr großes Problem: der Gruppenzwang. Von allen Seiten, egal, ob durch Medien oder Gleichaltrige, wird einem vermittelt, dass man oft Sex haben müsste, und mittlerweile auch, wie genau man das tun sollte. Das überfordert viele Leute, die dem einfach nicht gerecht werden können oder wollen.
Dazu kommt dann die Ausgrenzung durch "Freunde", die einen seltsam finden, weil man eben keinen Sex hat und auch nicht mit irgendwelchen Abenteuerchen prahlen kann. Ich kenne das selbst noch, man wird einfach für seltsam gehalten, manchmal wird dann auch getuschelt und man muss sich weiß ich was für Unterstellungen und Vorurteile anhören. Das nimmt viele Leute mit.
Bei mir sorgte es nur für Ablehnung gegenüber den Menschen, die mich nicht akzeptieren, wie ich bin. Da suche ich mir eben andere Freunde, so einfach ist das. Zum Glück gibt es ja nicht nur Idioten. Übrigens bin ich erst 22 Jahre alt, also so lange ist meine Schulzeit nicht her und im Studium ist es jetzt ja auch nicht sonderlich anders. Aber einige Leute stecken das eben nicht so weg, sondern suchen dann in sich irgendeine Schuld.
Außerdem sind viele Asexuelle dann in richtig schlimmen Selbstzweifeln gefangen, wenn überall über Sex geredet wird, und sie eben nicht daran teilnehmen können oder das Thema einfach schon absolut uninteressant finden, und damit dann auf Ablehnung stoßen. Sie merken, dass sie nicht "normal" sind, dass sie anders sind, als die meisten anderen Menschen, und für viele Leute ist das erst einmal schlimm oder schockierend. Wobei ich persönlich meine, dass man allgemein nicht normal sein muss, aber viele Leute sehen das eben anders. Aber einige Leute fragen sich dann eben, ob sie vielleicht krank oder psychisch gestört wären. Das kann zu Selbstzweifeln, Minderwertigkeitskomplexen und sogar Depressionen führen.
Daher finde ich es wichtig, Menschen zu zeigen, dass man sie akzeptiert, wie sie sind. Egal, ob sie sexuelle oder asexuelle Menschen sind.
Übrigens nervt mich die allgegenwärtige Präsenz von Sex auch (wobei ich aber auch sexuelle Menschen kenne, die das langsam aber sicher ziemlich nervt, weil es einfach zu viel für sie ist). Es erscheint mir komisch, dass da so viele Menschen drauf anspringen und dass man damit alles vermarkten kann. Ich kann es eben nicht nachvollziehen, weil es auf mich selbst gar keine Wirkung hat. Daher finde ich Menschen, die darauf reagieren, komisch.
Daher akzeptiere ich es aber auch, wenn andere Menschen Asexuelle komisch finden. Man ist eben nicht gleich. So lange man einander aber dennoch akzeptiert und toleriert, und dennoch höflich und freundlich miteinander umgeht, sehe ich da gar kein Problem.
Hallo,
Jetzt, wo ich das lese und weiß, dass es Asexualität gibt, glaube ich beinahe, dass ich das habe. Ich weiß auch nicht, ich mag viele Menschen sehr gerne und habe momentan auch einen jungen Mann in Aussicht, aber ich habe irgendwie überhaupt nicht das Bedürfnis Sex zu haben! Hatte das noch nie; ich weiß nicht, aber ich kann an Sex nichts besonders Schönes entdecken. Nähe ist schön, aber ich muss keinen Mann in mir haben, möchte ich auch irgendwo gar nicht. Nicht, dass ich das eklig finden würde, aber es gibt mir irgendwie nichts. Ich habe kein Verlangen danach. Mit Selbstbefriedigung kann ich auch nichts anfangen. Ich mache mir gerne schöne Gedanken, ich kuschel gerne, werde gerne berührt, aber jetzt dieser "Akt" an sich, reizt mich nicht.
Keine Ahnung, wie man nun am besten damit umgeht. Soll man auf einen lieben Partner verzichten, weil er Sex will und ich nicht oder soll man es ihm zu Liebe mitmachen oder soll man darauf warten, dass man eines Tages mal jemandem begegnet, der ebenso kein Verlangen danach hat?
Hallo Mandragora,
Das klingt wirklich sehr nach Asexualität.
Mir geht es übrigens fast genau so und meinem Lebensgefährten ebenfalls (wobei wir ab und zu sexuelle Phasen haben, aber das ist dann vielleicht so ein kurzer Moment alle paar Monate ). Allerdings sieht man daran ja schon, dass es auch Beziehungen zwischen Asexuellen oder auch Menschen mit einem extrem geringen Bedürfnis an Sexualität geben kann, die sogar sehr gut klappen können, und das eben auch über viele Jahre (wir sind jetzt schon fast 7 Jahre ein Paar, und das ist ziemlich lange, wenn man bedenkt, dass wir erst 22 und 24 Jahre alt sind). Aber es kann klappen, vielleicht macht dir das ja Mut.
Wir haben uns zwar nicht extra als sexuell eher desinteressierte Menschen kennen gelernt, aber es gibt mittlerweile mehrere Websites, die sich mit Asexualität befassen und auch Plattformen, auf denen Asexuelle einen Partner suchen und finden können. Da findet man dann also jemanden, mit dem man zumindest sexuell harmonisiert, wenn man so will. Da sind ganz verschiedene Menschen unterwegs, also man trifft immer jemanden, mit dem man sich zumindest gut unterhalten kann, und das wäre ja schon einmal etwas. Selbst, wenn man ungewöhnlich ist, man kann dort Gleichgesinnte finden. Schau mal beispielsweise hier.
Ich denke, Liebe kann man schlecht beeinflussen. Wenn man als Asexueller sich in einen anderen Asexuellen verliebt, dann ist das natürlich super. Aber ich denke, genauso kann man sich als Asexueller auch in einen sexuell aktiven Menschen verliebten. Tja, was macht man da?
Ich glaube, ob man die Beziehung wegen der Sexualität nicht anfängt, oder ob man nur dem Partner zuliebe mit ihm Sex hat, ist die Entscheidung jedes einzelnen selbst. Wobei ich denke, viele Leute sind auf Dauer nicht damit zufrieden, mit dem Partner Sex zu haben, obwohl sie es eigentlich gar nicht wollen, und auch einem sexuellen Partner kann das manchmal unbefriedigend werden, wenn er weiß, sein asexueller Partner hat nur aus "Pflicht" mit ihm Sex und nicht aus Lust.
Also meine ich, eine Beziehung zwischen zwei Asexuellen, wo keiner den anderen enttäuscht und sich keiner zu etwas zwingen muss, läuft meist doch besser. Aber in wen man sich verliebt, kann man manchmal schwer beeinflussen.
Ich denke, dass vor zehn Jahren kaum einer den Begriff Asexualität kannte, liegt daran, dass das "Asexuality Visibility and Education Network", AVEN, damals noch nicht existierte. AVEN ist so der Verband asexueller Menschen schlechthin und setzt sich in verschiedenen Ländern der Welt dafür ein, dass Asexuelle nicht mehr ausgegrenzt werden und Asexualität als gewöhnliche sexuelle Neigung anerkannt wird, statt dass weiterhin geglaubt wird, es sei krankhaft und müsste, auch gegen den Willen des Menschen, der Sex nicht mag oder langweilig findet, behandelt werden.
Ich kann nur von mir selbst sprechen: Vor zehn Jahren war ich 12, fast 13, Jahre alt. Damals wusste ich schon, dass ich nicht so an Sexualität interessiert bin, im Gegensatz zu so ziemlich allen Gleichaltrigen. Einen Namen dafür hatte ich nicht, und ich wusste auch nicht, dass es sehr viel mehr Menschen gibt, die genauso empfinden. Das wusste ich dann erst, als ich auf den Begriff Asexualität online gestoßen bin, das müsste schon so im Jahr 2005 gewesen sein. Die AVEN-Website in der deutschen Version ist auch genau in diesem Jahr eröffnet worden.
Also im Prinzip bestünde seit mindestens vier bis fünf Jahren die Möglichkeit, sich online und auch in deutscher Sprache über Asexualität zu informieren. Aber ich denke, das betrifft dann zum Großteil nicht asexuelle Menschen, die diese Informationen benötigten. Denn ein asexueller Mensch, der weiß ja, wie er empfindet, ob er nun einen speziellen Namen für den Zustand hat, oder nicht, ist ja mehr oder weniger unwichtig. Wobei es natürlich stimmt, dass für viele Menschen wichtig ist, einen Namen für ihre sexuelle Orientierung zu haben, und vielleicht auch, zu wissen, dass sie damit nicht alleine da stehen. Auch können die AVEN-Foren sehr praktisch sein, damit Asexuelle sich über Alltagsprobleme, die man beispielsweise in Sachen Diskriminierung wegen seiner sexuellen Orientierung, mit solchen Diskriminierungen umgehen kann. Der Austausch mit Gleichgesinnten kann in solchen Fragen ein fach hilfreich sein.
Wer aber auch informiert werden müsste, damit Diskriminierungen ein Ende haben, wären natürlich nicht asexuelle Menschen. Sie müssten begreifen, dass Asexualität genauso "normal" ist, wie Hetero- und Homosexualität, als Beispiel. Da könnten Aktionen von AVEN und anderen Asexuellen-Netzwerken (wobei ich sonst ganz ehrlich keine kenne, aber es gibt ja auch erst relativ wenige geoutete Asexuelle) hilfreich sein.
Andererseits gibt es da natürlich aber auch ein Problem: Ein sexuell aktiver und interessierter Mensch, den interessiert es vielleicht gar nicht, dass es Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen gibt. Vielleicht können sie es sich auch gar nicht vorstellen, dass Leute existieren, die Sex langweilig und unnötig finden, und daher keinen haben. Also wie sollten Leute mit solchen Auffassungen je auf die AVEN-Website gelangen und sich da über Asexuelle informieren? Normalerweise kommt man auf so eine Website ja nur, wenn man gezielt nach dem Thema recherchiert, und man liest sie auch nur, wenn das Thema einen interessiert. Ich glaube, Asexualität ist für viele nicht asexuelle Menschen einfach langweilig oder irrelevant. Vorurteile bauen viele ja auch nicht gerne freiwillig ab, denn es würde sie ja Mühen kosten.
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