Was passiert beim Stockholm Syndrom?
Fast jedesmal, wenn eine längere Geiselnahme vorrüber geht, liest man in den Zeitungen von diesem Stockholm Syndrom. Besonders, wenn die Täter das Opfer lange festgehalten haben, entwickeln diese Opfer ein inniges Verhältnis zu ihrem Peiniger.
Ich frage mich schon lange, was mit dem Körper und den Gefühlen des Opfers passiert, wenn das Opfer mit dem Peiniger derart sympathisieren kann. Ist das eine Art psychische Erkrankung? Ist das ein Schutzmechanismus? Aber wenn es ein Schutzmechanismus wäre, dann würde das Opfer doch dann, wenn es frei ist, von dem Täter lassen und ihn nicht noch in Schutz nehmen.
Wenn ich sowas höre, dann denke ich auch immer darüber nach, ob mir das auch passieren könnte. Aber wahrscheinlich muss man selber in diese Situation kommen um sich das richtig vorstellen zu können.
Hallo,
Ich kann mir das ganz gut vorstellen, denn wenn man so eine lange Zeit mit seinem Peiniger zu tun gehabt hat, dann hat man nur dieses Erlebnis woraus man positive Sachen ziehen kann so werden völlig unmenschliche Dinge noch in gut oder böse unterteilt. Irgendwann entwickelst du eben das Gefühl für die Situation und der Mensch ist sehr Manipulierbar. Indem du dich immer mehr mit der Situation abfindest lernst du sie zu akzeptieren und sie wird zum Bestandteil deines Lebens somit ist sie das Leben selbst und du kannst auf dieser anderen Ebene zwischen richtig und falsch beziehungsweise gut und schlecht unterscheiden.
Ich glaube vorerst ist es eine "Schutzfunktion" des Menschen. Das Opfer verbringt meist viel Zeit mit dem Peiniger. Ausser das Opfer festzuhalten ist er jedoch auch die einzige Bezugsperson. Er gibt nach einer Zeit "Schutz" oder "Halt". Er hält das Leben des Opfers aufrecht. Es ist quasi ein Abhängigkeitsverhältnis.
Das kann die menschliche Psyche schonmal auf eine harte Probe stellen. Ob es einem selber so gehen würde kann man, denke ich, wirklich erst sagen, wenn es jemals so kommen sollte. Was man natürlich nicht hofft.
Ich finde dieses Phänomen auch absolut spannend und kann mir nicht vorstellen, dass man sich in die Situation der Opfer wirklich hineinversetzen kann, solange man eine solche Situation nicht selbst erlebt hat. Ich selbst könnte mir aus heutiger Sicht überhaupt nicht vorstellen, eine wohlwollende, positive Haltung zu jemandem zu entwickeln, der meine Freiheit beschneidet und vielleicht sogar mein Leben bedroht. Allerdings handeln Menschen in solchen Situationen nicht unbedingt rational.
Eine Geiselnahme oder Entführung stellt eine absolute Extremsituation dar, die mit einem großen Kontrollverlust einhergeht. In Extremsituationen versucht sich der Körper auf physischer und psychischer Ebene zu schützen, so gut es geht. Ich denke, dass das Stockholm Syndrom ein Beispiel für einen solchen Schutzmechanismus ist.
Manche Opfer werden sicher in einer solchen Situation dankbar für jede kleine Aufmerksamkeit oder Erleichterung sein, die ihnen von Seiten des oder der Täter zuteil wird. Das kann die Erlaubnis sein, sich in eine bequeme Position zu setzen oder etwas zu essen. Das Wissen, dass die Situation ja prinzipiell noch schlimmer sein könnte, lässt die Täter sicher ein bisschen menschlicher und damit milder erscheinen. Ein Opfer, das sich innerhalb der Gefangenschaft relativ frei bewegen kann, könnte die Idee entwickeln, dass die Täter letztendlich eine gewisse Großzügigkeit besitzen und gut für das Opfer sorgen, trotz der Umstände. Dabei wird der Umstand ausgeblendet, dass das Opfer ohne den Täter gar nicht erst in dieser Situation wäre.
Gerade wenn sich das Opfer mit den Zielen des Täters identifizieren kann, könnte sich ein gewisses Sympathie-Verhältnis aufbauen. Verständnis für den Täter ist der erste Schritt auf dem Weg zur Sympathie.
Zudem kann es auch vorkommen, dass sich ein Opfer hilflos fühlt weil die Polizei es nicht so schnell aus den Fängen des Täters befreien kann. Für ein Opfer kann es sehr schwer begreifbar sein, wenn keine Hilfe von außerhalb kommt. Dadurch drehen sich die Rollen eventuell um und die scheinbar untätige Polizei wird zum Bösen, während der Täter, der immerhin in einem gewissen Rahmen für das Opfer sorgt, ein gutes Ansehen erhält.
Insgesamt ist das Phänomen sicher recht vielschichtig und nicht so leicht zu erklären. Es spielen sicher viele Dinge eine Rolle, von der speziellen Situation über den Charakter von Opfer und Täter bis hin zu der Behandlung der Opfer durch die Täter.
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