Sind wir denn wirklich so schlechte Eltern?

vom 22.08.2009, 17:31 Uhr

Manchmal frage ich mich ernsthaft, wie der Großteil der jetzigen Elterngeneration es überhaupt verantworten kann, Kinder in die Welt zu setzen. Die armen Kinder von heute sind ja mit ihren Eltern schlecht dran. Gut, das war ironisch gemeint, aber trifft es irgendwo schon.

Früher haben die Kinder mehr draußen an der frischen Luft gespielt, tun sie es denn heute überhaupt noch, außer die eigenen? Können sie sich heute auch noch ohne PC, TV und ähnliches unterhalten und beschäftigen? Haben sie überhaupt noch Respekt? Und sind sie nicht eigentlich alle faul und verzogen? Wenn ich mal irgendwas über die Kinder von heute lese, dann ist dies zum großen Teil der Tenor und schuld sind natürlich wir Eltern!

Aber mal ehrlich sind wir denn wirklich so schlimm? Ich kenne kein Kind, dass nicht so ziemlich täglich draußen ist und gemeinsam mit anderen Kindern ganz klassische Spiele spielt, die auch ohne neuartige Technik auskommen. Außerdem werden sie zu respektvollen, pflichtbewussten Kindern erzogen und nicht als kleine Erwachsene behandelt - was Kinder meiner Meinung nicht sind. Sicher umgebe ich mich dauerhaft nur mit Personen, die wenigstens eine ähnliche Einstellung wie ich haben, aber das sind ja auch schon einige Eltern und da gibt es sicher noch mehr, die sich genauso für ihre Kinder engagieren und ihre Kinder nach bestem Wissen und Gewissen erziehen.

Warum also unterstellen Eltern aus älteren Generationen bzw.einige Supereltern der heutigen Generation erst mal allen (anderen) Eltern der heutigen Generation, sie wären in der Erziehung nicht so gut? Müssen die sich selbst beweisen, wie toll sie sind bzw. waren? Können sie Unterschiede nicht vielleicht akzeptieren, weil auch früher nicht alles super und richtig war und manche Dinge heute eben anders aber deswegen nicht schlechter laufen bzw. es keinen perfekten Erziehungsstil gibt?

Mag sein, dass ich mich manchmal zu unrecht angegriffen fühle, aber wenn ich höre oder lese: die Kinder von heute sind..., die Kinder von wissen gar nicht mehr wie ... geht, dann ist das in meinen Augen schon ein Angriff auf alle Eltern. Da wäre ein wenig Differenzierung schon angeraten.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ähm, was hat es damit zu tun, dass die Kinder angeblich früher mehr an der frischen Luft waren? Als Elternteil kann man heute auch dafür sorgen,dass das Kind an die frische Luft kommt und für den Fall, dass man in der Stadt wohnt, muss man halt mal ein paar Meter weiter bis zum nächsten Park oder Spielplatz laufen.

Und wieviel und ob ein Kind TV schaut ist auch eine Erziehungsfrage. Bei uns gab es eine bestimmte Anzahl an Minuten oder Stunden und zu bestimmten Zeiten Fernsehen. Und ich bin ziemlich sicher,dass meine Mutter das heute auch noch so handhaben würde.

Technik sollte das Leben erleichtern und nicht erschweren und in erster Linie müssen das die Eltern verstehen lernen. Wenn ich mich nicht um mein Kind kümmere und es einfach machen lasse, dann schaut es eben Fernsehen und ich hab als Elternteil auch das Problem, wenn ich nicht konsequent bin.

Früher war sicher nicht alles besser und da gab es auch inkonsequnte Eltern. erfahrungsgemäß ist es aber so, dass Konsequenz damals notwendig war, wenn die Eltern hart und lange arbeiten mussten. Da konnten die Kinder eben nicht machen, was sie wollten.

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» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge


JotJot hat geschrieben:Warum also unterstellen Eltern aus älteren Generationen bzw.einige Supereltern der heutigen Generation erst mal allen (anderen) Eltern der heutigen Generation, sie wären in der Erziehung nicht so gut? Müssen die sich selbst beweisen, wie toll sie sind bzw. waren? Können sie Unterschiede nicht vielleicht akzeptieren, weil auch früher nicht alles super und richtig war und manche Dinge heute eben anders aber deswegen nicht schlechter laufen bzw. es keinen perfekten Erziehungsstil gibt?

Mal eine Gegenfrage. Warum unterstellen wir der jetzigen Jugend, das sie so viel schlimmer sind, als wir früher? Weil wir einerseits unsere eigene Jugend gern so sehen, wie sie uns gefällt. Das man auch hier und da oftmals zu tief ins Glas geschaut hat, freche Antworten gegeben hat etc pp. Kann man unendlich weiter schreiben. Wir geben es nicht gern zu.

Genauso geben unsere Eltern und Großeltern ungern zu, das auch sie nicht die perfekte Erziehung hatten und versuchen halt dann gewisse Dinge von früher schön zu reden. Mein Vater war als Kind täglich an der frischen Luft. Aber weniger zum spielen, sondern zum Arbeiten, da meine Großeltern eine Landwirtschaft hatten. Dazu waren Fernseher in dieser Zeit im ganzen Dorf nicht zu finden. Demzufolge konnten die Kinder, wenn sie die Zeit dazu hatten gar nicht davor abhängen.

Es liegt also einzig an der Sichtweise des Betrachters. Und wer sich da angegriffen fühlt, der sollte eben dann mal die Fragen zurückgeben und dann gezielt die Vergleiche ziehen. Wobei man bei uns in der Strasse wirklich keine Kinder sieht, wenn mal Regenwetter ist. Ansonsten ist da ausserhalb der Schul- und Kitazeiten wirklich immer was los.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ich denke, dass die Vorwürfe eher an den vielen Negativbeispielen heutzutage liegen. Ich kenne kaum oder sogar gar keine Kinder, die nur zu Hause sitzen und vorm PC oder Fernseher versauern.

Meiner Meinung nach werden die Negativbeispiele in unserer Zeit mehr publik gemacht als früher. Gerade in Sendungen wie "Die Supernanny" oder "Frauentausch" sieht man manchmal Eltern bei denen man nur den Kopf schütteln kann. Solche Sendungen zwingen die ältere Generation schon fast dazu zu denken wir jungen Leute wären allesamt unfähig. Man sieht eben lieber die schlechten Beispiele und verschließt vor den guten Beispielen lieber die Augen, denn über die kann man nicht so wunderbar herziehen.

Auf der Straße begegnet man den "schlechten Eltern" heute nicht öfter weil es mehr gibt. Ich glaube, dass wir heute einfach mehr in der Öffentlichkeit leben und die Kinder eher mal ins Café oder so mitnehmen. Eltern, die ihren Babys Zigaretten ins Gesicht gehalten haben gab es früher wohl auch schon. Früher hat sich das Ganze eben mehr hinter geschlossenen Türen abgespielt.

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» Habbelchen » Beiträge: 127 » Talkpoints: 0,72 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich finde diese Stammtischparolen, die uns weismachen wollen, dass alles immer schlimmer wird und wir kurz vor dem absoluten Super-Gau stehen, als einseitig und undifferenziert. Viele Leute haben einfach kein Interesse daran, sich eine eigene Meinung zu bilden und nehmen Fakten nur selektiv wahr. Es gab sicher zu allen Zeiten problematische Kinder und auch unfähige Eltern.

Gerade von unseriösen Medien werden reichlich Sendungen verbreitet, in denen immer nur schwer erziehbare Kinder und Jugendliche präsentiert werden, die schon lange durch jedes Auffangsystem gefallen sind. Die Eltern sind natürlich auch gute Vertreter der untersten sozialen Schicht. Solche Asi-Familien gibt es natürlich auch in diesem Land, allerdings bin ich nicht der Meinung, dass man aufgrund solcher Personengruppen auf alle anderen Familien schließen sollte.

Ich kenne ein paar Leute, die Kinder haben, und völlig anders leben. Die Kinder werden nicht mit billigem Elektromüll wie Playstation und Fernseher aufgezogen, sondern verbringen viel Zeit draußen beim spielen mit Freunden oder bei gemeinsamen Unternehmungen mit der Familie. Dass Kinder mit Computern aufwachsen, finde ich nicht problematisch, solange die Eltern ihren Kindern einen verantwortungsvollen Umgang mit diesem Medium vermitteln. Ich bin der Meinung, dass es durchaus kompetente Eltern gibt, die ihrem Kind wirklich wichtige Werte mit auf den Weg geben.

Ich denke, dass solche Vorurteile gegenüber den heutigen Eltern einfach durch selektive Wahrnehmung zustande kommen. Ich denke schon, dass heutige Kinder ein bisschen freier aufwachsen als die Kinder vor fünfzig oder hundert Jahren. Das ist aber in meinen Augen kein Manko, sondern sehr sinnvoll. Kinder sollen ja in erster Linie nicht zu reinem Gehorsam erzogen werden, sondern zu selbstständigen und denkenden Menschen heranwachsen.

Ich denke auch, dass diese Leute, die die heutigen Eltern herunterputzen, ein bisschen differenzierter an das Thema herangehen sollten. In den meisten Fällen ist das aber leider nicht gewünscht, da es viel leichter ist, das eigene Hirn auszuschalten und irgendwelche vorgefertigten Vorurteile nachzuplappern.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Punktedieb hat geschrieben:Warum unterstellen wir der jetzigen Jugend, das sie so viel schlimmer sind, als wir früher?

Ich weiß nicht wer das macht, aber ich habe schon vor Jahren bei solch Sprüchen immer geantwortet, dass es gar nicht mehr möglich ist, die verschiedenen Generationen wirklich objektiv zu vergleichen. Das liegt wohl auch daran, dass ich den Spruch: seid dankbar, ihr habt es viel besser als wir! schon in meiner Kindheit in der Großfamilie gleich von zwei Großelternpaaren bis zum Erbrechen gehört habe.

Darum verweise ich auf solche Diskussionen dann auch heute gern darauf, dass man bestimmte Dinge einfach nicht vergleichen kann. Lediglich bei Dingen, die sich wirklich objektiv vergleichen lassen, schüttele ich dann gern mal mit dem Kopf. Das letzte Mal war das bei der Rechtschreibung der Fall und ich meine hier nicht die Änderungen der letzten Reformen sondern Wörter, die schon seit Großmutters Zeiten in Gebrauch sind.

Ich hatte erst gestern wieder eine Begegnung, die mal wieder typisch war, für das was ich meine. Auf dem Landeserntedankfest war auch wieder ein Händler mit Holzspielzeug anwesend. Der verkaufte in diesem Jahr besonders günstig Peitschenkreisel. Als ich den genauer ansah, kam ein Elternpaar in meinem Alter dazu und war auch gleich begeistert. Wir fragten dann nach dem Preis und für 5 Euro hatte der gute Mann auch gleich zwei verkauft.

Das sah eine ältere Dame, die sich zu uns gesellte und gleich schnippisch meinte, dass die Kinder das heute nicht mehr können. Der Verkäufer meinte lächelnd, dass die Kinder früher das auch erst lernen mussten. Darauf meinte die Dame, dass die Eltern ihre Kinder heute eh nur vor dem Fernseher parken würden. Das andere Elternpaar und ich schauten uns inzwischen stirnrunzelnd an. Der Verkäufer meinte dann ans uns gewandt, dass wir die Kreisel doch sicher gekauft hätten, weil wir ein Spielzeug, dass wir als Kinder gemocht hätten, unseren Kindern nahe bringen wollten. Das bejahten wir. Der Dame sagte der Verkäufer dann noch, dass sie ihre Ansprache wohl an die verkehrten Adressaten gerichtet hätte. Worauf diese sich entschuldigte. Ich unterhielt mich kurz mit der Dame und stimmte ihr durchaus zu, dass es einfacher ist, sein Kind heute ruhig zu stellen. Sie stimmte mir dann zu, dass es aber immer von den Eltern abhänge, ob die Kinder nun dauerhaft vor der Glotze landen würden oder eben nicht

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Auch wenn ich mal wieder provokativ wirke: Ist das nicht ersten ein Generationskonflikt und zweitens auch so ein bisschen eine Ost- West- Sache? Von zwei deren die in dem Thread gepostet haben weiss ich, das sie in den 70er Jahren im Osten aufgewachsen sind. Soll kein Vorwurf oder Kritik sein, aber irgendwie habt ihr manches anders erlebt als ich.

Ich bin auch in den 70er Jahren aufgewachsen. Sozusagen im goldenen Westen. Die ersten Fernsehgeräte dürften Ende der 50er Jahre auf den Markt gekommen sein. Ich weiss, das meine Grosseltern vor meiner Geburt schon einen hatten. In meinem Elternhaus gab es von Anfang an einen Fernseher. Und ja wir Kinder sind da auch durchaus vor geparkt worden. Ich bin noch dazu in einer Grossstadt gross geworden. Auf der Strasse spielen gab es nicht wirklich. Zumindest nicht für uns Kinder aus "besserem Hause" ( mich hat es angekotzt). Das durften wir erst recht spät- also auf der Strasse spielen und dann natürlich auch nur mit ausgewählten Spielkameraden. Und da unsere Spielkameraden auch nur mit uns unterwegs waren, ging es denen wohl ähnlich.

Damals, also in den 70ern, war der Fernseher noch nicht ganz so verbreitet. Es war was neues. Klar fanden die Eltern damals es halt gut. Aber die Generation von heute hat doch auch daraus gelernt. Zuviel Fernsehen ist nicht gut. Deshalb wird es nicht mehr gemacht. Und ich finde, das Fernsehprogramm hat sich in den letzten drei bis vier Jahrzehnten doch stark verändert. Zu meiner Kinderzeit gab es ein paar wenige kindgerechte Sendungen. Während der 80er und 90er Jahren wurde das Kinderprogramm doch ein wenig mehr von Gewalt angehaucht. Mittlerweile tendiert das Kinderprogramm doch eher wieder in die Richtung: pädagogisch wertvoll.

Ich für meine Generation weiss, wie es ist von den Eltern vorm Fernseher geparkt zu werden. Für mich ein Grund das mal nicht zu tun. Trotzdem würde ich nicht wollen, das meine Kinder ganz darauf verzichten müssen.

Ach ja lange Zeit war es der Fernseher, der die Kinder vorm Spielen auf der Strasse abhielt. Wenn man so die "öffentliche Meinung" hört. Das wird so langsam aber sicher durch das Internet abgelöst. Und ich finde mittlerweile Internet und vorallem der Umgang damit gehört zum Leben. Ich würde wollen, das meine Kinder damit aufwachsen und es nicht als was verbotenes und schlechtes erleben. Oder halt irgendwann mal ins kalte Wasser fallen.

Kann man früher wirklich mit heute vergleichen? Meine Mutter und mein Vater sind noch in einer Generation gross geworden, da gehörten Schläge noch mit dazu. Inklusive der Stockhiebe in der Schule. Ich selbst bin auch nicht ganz gewaltfrei aufgewachsen. Aber die Gewalt war wesentlich geringer als das was meine Eltern erleben durften. Das soll es nicht entschuldigen. Mir zeigt es, das sie auch daraus gelernt haben.

Früher wurden Erziehungstipps über die Generationen weiter gegeben. Dann kamen Bücher auf. Erziehungsratgeber etc. Heute werden die zum Teil durch das Internet ersetzt. Auch die Informationsflut trägt zum Wandel bei.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge



Einen Ost-West-Konflikt sehe ich dabei nicht. Denn ich kenne nicht wirklich jemanden der aus meiner Generation nicht auch mit dem Fernseher aufgewachsen ist. Man staune, auch im Osten gab es in den meisten Haushalten während der 70er Jahre schon einen Fernseher. Und wüsste nur eine Hand voll Leute aus meinem damaligen Umfeld die keinen besessen haben. Waren alles ältere Damen.

Auch meine Eltern sind so etwas in der Zeit aufgewachsen, wie deine Eltern LittleSister. Und meine Eltern sind nicht mit Prügel in dem Sinne gross geworden, wie du das beschreibst. Klar gab es auch mal eine Backpfeife für meinen Vater, wenn er mit seinen Geschwistern oder Freunden blödsinn angestellt hat. Aber wirkliche Prügel hat mein Opa nicht verabreicht.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


winny2311 hat geschrieben:Früher war sicher nicht alles besser und da gab es auch inkonsequnte Eltern.

Wie kannst du nur! Aber selbstverständlich war früher alles besser! Wißt ihr denn nicht mehr, damals™!

JotJot hat geschrieben:Früher haben die Kinder mehr draußen an der frischen Luft gespielt, tun sie es denn heute überhaupt noch, außer die eigenen? Können sie sich heute auch noch ohne PC, TV und ähnliches unterhalten und beschäftigen? Haben sie überhaupt noch Respekt? Und sind sie nicht eigentlich alle faul und verzogen?

Nein, nein, nein und nochmals nein, und zu guter letzt was positives: Ja.

Mal im Ernst. Auch die aktuelle Elterngeneration kriegt nur das zu hören, was man der letzten noch hinter ihrem Rücken oder gegenüber der eigenen Familie nachgesagt hat. Das einzige was sich dabei die ganze Zeit verändert, ist die Gesellschaft, und deswegen werden heute auch mal die Eltern direkt angeblafft - was früher höchstens der Oberschicht erlaubt war weil die Unterschicht selbstverständlich das Maul zu halten hatte, die hat das deswegen mehr hinterrücks absolviert. Und die Oberschicht in der zweiten Hälfte auch, denn die wusste wenigstens noch, was sich schickt. Da könnt ich auch meine über 90-jährige Oma zu fragen, selbstverständlich war früher alles besser, aber zu Zeiten ihrer Oma soll's ja noch viel besser gewesen sein!

Geht wahrscheinlich alles auf die Bibel zurück, am Anfang war das Paradies und seitdem wird's immer beschissener - ein Teufelskreis (liebe Talktfreunde. Das Fernsehen war auch früher besser!)

Selektive Wahrnehmung liegt in der Natur des Menschen. Sofern man eine halbwegs normale Kindheit hatte und diese ohne psychische Störungen überstehen durfte war für uns früher auch alles besser, als es noch kein Internet gab (mein Vergleich, denn Fernseher waren ja schon Standard). Und wenn man dann zur Großelterngeneration gehört waren die Kinder früher auch viel besser erzogen und sie sind nicht Amok gelaufen und es gab keine Menschen, die einsam und allein in ihren Wohnungen sterben mussten und erst 3 Wochen später gefunden wurden weil sich ein Nachbar wegen des Geruchs beschwert hat.

Nein, das gab es früher tatsächlich alles nicht - aber was gab es denn früher? Es gab Krieg, es gab kaum Essen, es gab viel körperliche Arbeit zu erledigen, es gab keine "Mode" und es gab Schläge, und wahlweise auch die Stasi und die Mauer. Da kann man sich jetzt selber fragen, was einem lieber ist, früher oder heute. Aber all jenes aus der eben getätigten Aufzählung wird durch die selektive Wahrnehmung ja ausgeblendet. Weil der Mensch manchmal auch gar keine andere Wahl hat.

Und wenn die Kinder heute in einem objektive zu beurteilendem Feld wie Rechtschreibung schlechter sind als früher, dann macht das meiner Meinung nach nicht wirklich was, denn dafür kann die heutige Kindgeneration dir wahrscheinlich später gerne die ganze haus- oder wohnungsinterne Elektronik (die sich in den nächsten 20 Jahren sicherlich vervielfachen wird) reparieren ohne mit der Wimper zu zucken - so wie Oma besser Socken stopfen kann. Die Kinder heute selektieren ja auch beim Lernen. Warum muss ich Rechtschreibung perfekt beherrschen wenn ich alles was irgendwie wichtig ist sowieso am PC schreibe und es da ne Rechtschreibprüfung gibt (solange man noch Grammatik beherrscht jedenfalls :D )? Wenn dafür mein PC den Geist aufgibt bin ich schlecht dran - also lerne ich lieber, wie ich den wieder flott kriege. Mutti hat früher auch nicht mehr geübt fleißig gerade Brotscheiben schneiden zu können, immerhin gab es ja schon dank Bortschneidemaschinen geschnittenes Brot direkt beim Bäcker. Insofern kann man selbst einen scheinbar so objektiven Vergleich theoretisch vergessen, weil man zwischen Generationen dafür nicht vernünftig gewichten kann. Rechtschreibung ist einfach nicht mehr so wichtig um sie aus dem Effeff zu beherschen. Es gilt damals wie heute das Selbe: Das Endergebnis zählt - und wenn ich dafür verschiedene Wege wähle ist das egal, solange die Qualität gleich bleibt.

Die menschliche Gesellschaft befindet sich nunmal in einem ständigen Wandel, das war schon immer so und wird auch nicht anders. Selektive Wahrnehmung liegt wie gesagt in der Natur des Menschen und wird da auch nicht verschwinden bis der Mensch ausstirbt. Und genau deswegen wird früher auch immer alles besser gewesen sein. Nur wer das wie und wann und wo äußert, das wandelt sich mit unserer Gesellschaft. Und genau deswegen bekommt man das Gemecker jetzt mit und hat in seiner eigenen selektiven Wahrnehmung wieder einen neuen Aspekt den man berücksichtigen kann. Denn in Zukunft wird sicher nicht nur gemerckt, sondern seinem Unmut noch auf weitere Wege Luft gemacht, öffentliche Diffamierungen oder was die Zukunft da sonst noch so bereit hält. Und dann werden wir auch sagen: Früher war alles besser, da hat man sich zwar mal anmaulen lassen von den besserwisserischen Nachbarn, aber man hat nicht gleich seinen Job deswegen verloren (oder was auch immer dann eine schlimme Lebenskrise wird).

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