Wahlplakate und Schilderwald: Kosten für die Steuerzahler?

vom 10.09.2009, 20:58 Uhr

Ich glaube mich zu erinnern, dass vor vielen Jahren, als ich noch ein Kind war oder Jugendlich, dass vielleicht alle zwei Kilometer ein Plakat einer Partei gehangen hat. Bei uns, auf einem Weg von ca. zwei Minuten Gehzeit befinden sich exakt fünf Plakate. Mehr als alle 30 Sekunden also läuft man als Fußgänger an einem Plakat vorbei. Mich machen diese Plakate rasend. Man braucht die doch nicht, wenn man sich mit der Politik beschäftigt und weiß, wer für welche Veränderungen plädiert.

Wenn man sich nicht auskennt, bringen natürlich auch Plakate nichts. Im Gegenteil: Es kostet den Steuerzahler nur bei jedem Wahlkampf unnötiges Geld. Ist es in Deutschland vor der Wahl auch so krass wie bei uns?

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Midgaardslang am 10.09.2009, 22:21, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


Wie kommst Du darauf, dass es den Steuerzahler unnötig Geld kosten würde? Das sehe ich schon in zwei Punkten anders.

Erstens ist das nicht unnötig. Denn Werbung für politische Parteien ist nun mal ein grundlegendes Recht und fester Bestandteil beim sichern und halten einer halbwegs vernünftigen Staatsform. Und es ist nicht richtig, dass man ohne diese Plakate überhaupt von der Existenz ganz kleiner Vereinigungen, Initiativen usw. Kenntnis bekommen muss. Oftmals gibt es nämlich ganz kleine Vereinigungen, die überhaupt nur regional/lokal antreten.

Zweitens kostet das Plakat selbst den Steuerzahler keinen Cent! Die Parteien finanzieren sich zunächst aus den Mitgliedsbeiträgen. Und natürlich aus Spenden und Zuwendungen von Institutionen und Unternehmen. Hier könnte man Kosten für den Steuerzahler festmachen, weil die Spender natürlich die Spende steuerlich geltend machen. Wobei es auch Spender gibt, die lieber unbekannt bleiben, und dann auch keine steuerlichen Ansprüche stellen … ;)

Dann bekommen Parteien auch noch Gelder aus Steuermitteln als Wahlkampfkostenerstattung. Dies geschieht aber in Abhängigkeit vom Wahlerfolg! Eine Stimme bringt den kleinen Parteien also schon auch dann etwas, wenn sie es letztlich nicht über die 5% Hürde schafft. Aber das geschieht unabhängig davon, wofür Gelder ausgegeben wurden! Ob eine Partei dann das Geld in Plakate steckt oder lieber Straßenfeste finanziert oder die Parteizentrale verschönert. Über das eigene Geld entscheiden parteiinterne Gremien.

Du siehst, selbst wenn alle Parteien aufhören würden, Plakate zu kleben (was übrigens von Parteimitgliedern in deren Freizeit geschieht – und oft zahlen diese auch noch privat für Pinsel, Eimer und Leim!) oder eben nicht, es hätte keinen Einfluss auf die Kosten die der gemeine Steuerzahler hat.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Die Frage ist aber, und darauf wollte wirreszeug wohl auch hinaus, ob die Parteien die Steuergelder, die sie für ihren Wahlerfolg bekommen, nicht in eine sinnvollere Wahlwerbung investieren können. Anstatt Plakate könnte man auch mehrere Infostände mit Bratwurstgrillen etc. veranstalten. Das würde beim kleinen Bürger wohl besser ankommen als große Plakate, die im Regelfall gleich mehrere Tausend Euro kosten.

Und auch mich nerven die Wahlkampfplakate an jedem freien Baum, Pfosten oder Verkehrsschild. Noch schlimmer finde ich aber den Wahlkampf der Piratenpartei, die einen jeden zweiten Tag in Internetcommunities (Studivz, MeinVZ, etc.) mit ihrer Präsenz nerven.

» Charlie Brown » Beiträge: 707 » Talkpoints: 7,44 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich kenn auch heute noch Ecken wo nur alle 5 km ein Plakat hängt und andere, wo dutzende auf einmal dastehen. Das liegt wohl daran, dass niemand auf Dorfstraßen, wo alle Jubeljahre mal einer vorbeikommt, hunderte Plakate klebt, aber in der Nähe von großen Menschenansammlungen sowas eher lohnt. Schonmal darüber nachgedacht? Hat was damit zu tun, wo man mehr Menschen erreicht.

wirreszeug hat geschrieben:Man braucht die doch nicht, wenn man sich mit der Politik beschäftigt und weiß, wer für welche Veränderungen plädiert.

Wer beschäftigt sich denn heute noch wirklich mit Politik? "Einmal in die BILD geguckt, das reicht!" ist doch die Mehrheitseinstellung. Welcher Mensch hat denn heute noch groß Ahnung, die kann man mit der Lupe suchen. Und selbst der Teil derer, die etwas politische Bildung haben und alle Ziele (!) ihrer Partei in einer Minute zusammengefasst auf den Tisch bringen können sind eine Minderheit. Die Mehrheit der Menschen in unserem Land hat doch mehr Ahnung vom aktuellen Nachmittagsprogramm und Heidi Klums Privatleben als von Politik. Wir leben, was Politik angeht, in einem Land voller Deppen.

Und gerade deswegen sind Plakate notwendig, damit sie den Idioten in unserem schönen Land wenigstens einen Hauch davon vermitteln, wofür welche Partei eigentlich steht und wen und was man wählt.

Und dass der Steuerzahler dafür aufkommt ist auch sinnvoll, denn:
- schließlich wird er damit ansatzweise gebildet und es handelt sich um Informationen, die sich nur an ihn richten und
- wenn die Kosten für den Wahlkampf größtenteils nur durch Spender gegenfinanziert werden würden wären die Parteien in noch größerer Abhängigkeit von diesen (wie in den USA) als sie es ohnehin sind. Jeder Lobbyist würde sich darüber freuen, wenn es anders wäre.

Die Kosten für den Steuerzahler sichern auf lange Sicht also die Unabhängigkeit der Parteien von speziellen, finanzstarken Interessenverbänden, auch wenn man davon heute bei manchen Parteien nicht mehr so sehr ausgehen kann (da wird schon fleißig von Lobbyisten geschmiert ;)).

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Das ist aber sehr optimistisch von dir gedacht, dass Wahlplakate die "Idioten" weiterbilden. Bei einer Umfrage, warum Leute diese und jene Person wählen, würde wohl kein Mensch antworten, "weil ich den oder die auf dem Wahlplakat gesehen habe". Eher würde man noch mit Inhalten der Bildzeitung argumentieren.

Wenn in einem Bereich verdächtig wenige bis überhaupt keine Wahlplakate hängen, könnte es vielleicht auch daran liegen, dass sich in unmittelbarer Umgebung ein Wahllokal befindet. In einem gewissen Umkreis von diesem darf nämlich keine Wahlwerbung gemacht werden. Zudem haben auch Gemeinden die Möglichkeit, durch gewisse Auflagen Wahlplakate zu verhindern oder zumindest einzuschränken. Beispielsweise wenn die Sicherheit auf den Straßen gefährdet oder das Ortsbild durch Plakate verschandelt werden könnte.

Inwiefern die deutsche Politik auch trotz der Steuergelder von Lobbyisten beeinflusst wird, kann gerne diskutiert werden, ist aber nicht Thema dieses Threads. Hier geht es eigentlich nur darum, ob es sinnvoll ist, die Steuergelder für Plakate zu verwenden. Und hierbei lautet meine Antwort ganz klar: Nein - nicht in diesem Umfang!

» Charlie Brown » Beiträge: 707 » Talkpoints: 7,44 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Naja, Charlie Brown, es ist aber um es noch mal zu schreiben so, dass in dem Moment, in dem die Parteien über das Geld verfügen, es sich nicht mehr um Steuergelder handelt! Über alle Zuwendungen darf eine Partei frei verfügen (außer Zweckgebundene Spenden).

Damit kann ja klar gesagt werden, dass kein einziger Cent an Steuergeldern in Wahlplakate fließen. Und jedem Parteistrategen ist klar, dass ein Straßenfest oder wenigstens ein Infostand mehr bringen würde, als ein Plakat.

Aber ein Plakat bleibt über Wochen hängen. Abgesehen vom Vandalismus; wobei auch hier höchstens ein Plakat abgerissen wird. Das die Ständer zerstört werden ist eher selten. Aber für Parteien ist es eben einfacher, die Plakate neu kleben zu lassen, als eben regelmäßig genügend Leute zu finden, die sich bereit erklären, einen Infostand zu betreuen.

Und das ist wirklich keine dankbare Aufgabe. Denn idR. gehen die Leute stumm vorbei. Wenige geben Dir Recht. Aber der Größte Teil, der an Infoständen stehen bleibt, ist von der Konkurrenz. Wähler, die glaube, Dir mal die Meinung pfeifen zu müssen. Und die Leute, die an den Ständen stehen, sind ja keine Berufspolitiker. Das sind Leute, die einfach einem Job nachgehen und dann so eine Aktion nach Feierabend in ihrer Freizeit machen.

Und es dürfte klar sein, dass selbst wenn Geld durch das weglassen von Plakaten kaum eine Laientruppe eingestellt werden kann, die dann die Politik der jeweiligen Partei vertreten soll.

Was bleibt sind Plakate. Und auch hier gilt, dass wildes Plakatieren schlicht eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Also muss jeder Plakatständer genehmigt werden. Jedes aufgehängte Plakat (bzw. dessen Platz) vorher genehmigt werden. So hat die Stadt/Kommune schon ein gewaltiges Mitspracherecht.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


@Charlie Brown
Na offensichtlich liest Du auch keine Plakate oder kennst diese nur vom wegsehen - dort wo ich wohne wurde zumindest nicht nur Person XY auf dem Plakat abgebildet, sondern es gab mindestens genauso viele auf denen irgendwelche Wahlziele kurzgefasst formuliert standen, und sei es so kurz wie "Steuern runter", "Arbeit nur für Deutsche", "Raus aus Afghanistan" usw.

Und ja, das bildet diejenigen in einem begrenzten Umfang weiter die das lesen, da sie so (das ist der Sinn hinter kurzen, eingängig formulierten Themen) wenigsten ungefähr wissen, worum es der Partei im Wahlkampf geht. Und wenn wer durch das Thema eben angesprochen wird besteht die Tendenz dass er da sein Kreuzchen macht. Da die meisten sich keine Programme durchlesen und nur so überhaupt eine Ahnung haben, die sie am Stammtisch breittreten scheint das ja wohl nicht so ineffektiv zu sein.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



@Subbotnik
Ja, dann ist aber nur fraglich, ob die "Idioten" auch mit den Schlagwörtern oder Phrasen etwas anfangen können. Ohne politisches Hintergrundwissen halte ich es nicht gerade für wahrscheinlich, dass diese Bürger etwas mit "Raus aus Afghanistan" anfangen können. Dafür halte ich das Thema doch für zu komlex, als dass es für diese Menschen eine entscheidende Rolle im Wahlkampf spielen sollte. Abgesehen davon wollen ja alle großen Parteien aus diesem Land, zumindest früher oder später. Deswegen halte ich solch ein Plakat für ein Beispiel eines unsauberen Wahlkampfs, durch den die politische Realität verfälscht wird.

Wenn jemand so nett ist und mir einen Link schickt, wie ich einen Internetbeitrag hier forumsgerecht verlinke, hätte ich sogar zu der Thematik einen interessanten Artikel. Vorausgesetzt natürlich, das ist erlaubt.

» Charlie Brown » Beiträge: 707 » Talkpoints: 7,44 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Raus aus Afghanistan ist da vielleicht ein schlechtes Beispiel gewesen, aber typischer Ködersätze für Deppen sind halt immer wieder "Steuern runter", "Politikerdiäten runter", "Für eine bessere Wirtschaft" oder das beliebte "Härtere Strafen" und "(Kriminelle) Ausländer raus!".

Und auch wenn das langsam vom Thema weggeht: Für mich sind 80 - 90 % der Wähler Idioten - heißt: Menschen, die im Grunde keine echte Ahnung haben was sie genau wählen, sprich: keine Antwort auf die beliebte "Erkläre mir mal alle Ziele deiner Partei und die gewünschten Auswirkungen in 3 Minuten!" - Frage haben. Klar dass jeder politisch gebildete Mensch bei den meisten Parolen die Augen verdreht - entweder weil er weiß, dass es Käse ist oder wenn nicht, dass derjenige Lügen muss. Wähler 08/15 denkt da meist: "Der ist gut!".

Anders kann ich mir zumindest die "vor der Wahl / nach der Wahl" - Haltung vieler mit Sätzen wie "blabla versprochen" oder keine Antworten auf Sprüche wie "Das hast Du doch auch vorher gewusst..." (wo man natürlich voraussetzt, dass der andere sich halbwegs informiert hat) nicht erklären.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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