Mein Freund hat ein Helfersyndrom
Ich bin nun seit 3 Jahren mit meinem Freund zusammen. Bis heute leben wir getrennt, da dies rein Jobtechnisch nicht anders möglich ist. In letzter Zeit bin ich jedoch sogar froh drum, dass er nicht bei mir wohnt. Sein Helfersyndrom beeinträchtigt langsam nicht mehr nur sein Leben, sondern mein Leben auch. Eine Arbeitskollegin von ihm ist Borderlinerin und hat große Probleme in der Arbeit und auch privat. Anfangs ging es noch, da er ihr halt ab und an mal zugehört hat und versucht hat mit den Kollegen darüber zu sprechen, damit sie besser klar kommt. Jetzt ist es soweit, dass er sich da soweit reinziehen lässt, dass er nur noch schlecht gelaunt ist und selbst langsam durchdreht.
Das Schlimme daran ist, dass ich mir dann immer anhören muss wie schrecklich das alles ist, doch hängen lassen will er sie auch nicht, verstehe ich auch. Nur wo ist der Mittelweg, er selbst leidet auch schon extrem unter ihren Geschichten und ich komme damit auch langsam nicht mehr klar. Wie kann man da noch reagieren?
Aber was bringt ihm das als Mensch denn dann? Er ist doch kein Psychologe und er KANN doch gar nicht helfen, weil er gar nicht weiss wie man mit so einer Krankheit umzugehen hat und wie es behandelt wird, er verschreibt keine Medikamente, ordente Aufenthalte in der Psyhosmatischen Klinik an und kann auch sonst recht wenig tun. Deshalb frage ich mich schon, wo genau er denn eigentlich helfen will bei sowas, das geht doch gar nicht. Man kann ja ein guter Freund sein und sich dem Problem eines anderen annehmen, aber man sollte sich eher nicht einbilden, man könnte daran etwas ändern.
Es gibt Leute, die dafür ausgebildet sind und denen sollte man das wohl eher überlassen. Mache ihm doch am besten klar, dass er ihr einfach raten soll, sich eben diese Art von Hilfe zu suchen. Alles andere ist doch eh nutzlos und mir würde dieses Helfersyndrom auch sehr auf die Nerven gehen. Besonders dann, wenn es eigentlich eh zu nichts führt.
Also unter Helfersyndrom verstehe ich was anderes. Und ich finde es auch nicht so schlimm, weil es ja "nur" eine Fall ist.
Zur Situation direkt. Aus Sicht eines Borderliners.
Professionelle Hilfe, wie die die Sippschaft unter Anderem, anspricht, ist ja gut und schön, aber sie ersetzt keine Freunde. In der Regel sind alle aus dem professionellen Bereich, Menschen die im Endeffekt dafür bezahlt werden, das sie nett zu einem sind. Um es mal ganz krass auszudrücken. Ausserdem stehen sie, in der Regel, nur zu ihren Arbeitszeiten zu Verfügung. Also meistens von Montags bis Freitags und meistens haben sie spätestens gegen 18 Uhr Feierabend.
Auf der anderen Seite können Menschen aus dem professionellen Bereich auch mehr machen als einfach nur Medikamente verschreiben und die Patienten in eine Klinik stecken.
Ich für mich habe die Erfahrung gemacht, das es mir lieber ist, mir sagt mein gegenüber klipp und klar, das er/sie genug hat oder es einfach zuviel wird. Ist mir lieber wie die Menschen die von einem Tag auf den anderen nicht mehr " da sind". Sich wortlos zurückziehen und man selbst nicht weiss warum. So halte ich es auch generell im Umgang mit anderen Borderlinern oder anderen psychisch kranken Menschen. Ich sage klipp und klar, wenn ich nicht mehr kann. Wobei ich dann allerdings die Menschen meistens näher kenne und auch deren Betreuungsumfeld und sagen kann, wende dich bitte an den oder den. Oder ich trete von mir aus an das Betreuungsumfeld ran. Was aber die Betroffenen in der Regel auch Wissen.
Von mir und auch von anderen Borderlinern weiss ich ( leider), das meistens eine enorme Nähe- Distanz- Problematik besteht. Entweder ganz oder gar nicht. Entweder klammern oder wegstossen. Entweder die Nähe komplett wollen oder den anderen anschweigen. Oft oder lange Zeit gibt es für die Betroffenen keinen Mittelweg. Und ich weiss aus eigener Erfahrung, das es schwer zu lernen ist, damit umzugehen. Aber ich kenne es auch aus meinem Umfeld so ( wohlbemerkt alles "gesunde" Menschen) das man die liebe LittleSister mag. Wenn sie fröhlich ist und lacht. Aber sobald Probleme auftreten, dann mag man LittleSister nicht mehr. Sowas tut verdammt weh. Und klar die Erfahrungen haben auch viele gesunde Menschen gemacht. Um es zu verdeutlichen, als Borderliner empfindet man Gefühle ( ob gute oder schlechte ist da egal) zum Grossteil um ein vielfaches intensiver als ein "gesunder Mensch".
Wenn ich an der Stelle der Kollegin deines Freundes wäre, wäre ich erstmal glücklich, das mir jemand hilft. Oder es versucht. Aber ich würde mir auch wünschen, das man mir sagt, Du das kann ich zur Zeit nicht, lass uns später drüber sprechen. Am schlimmsten würde ich es empfinden, wenn mich mein Gegenüber einfach stehen lassen würde. Ich könnte aber damit umgehen, wenn man mir sagt, du ich habe auch noch ein Leben ausserhalb meines Arbeitsplatzes, eine Freundin etc. und brauche auch mal Zeit für mich, ich habe nichts dagegen weiter mit dir befreundet zu sein, aber mir ist der Kontakt zu eng. Am liebsten wären mir das klare Ansagen, wie wir können uns ja weiter einmal im Monat sehen, oder wir können ja weiterhin gemeinsam Pause machen etc. Und mir wäre ganz wichtig, das mein Gegenüber mir klar macht, das er nicht für immer geht. Verlustängste sind nämlich auch so ein Problem bei Borderlinern.
Wenn die Kollegin keine professionelle Hilfe hat, ich wäre damals dankbar gewesen ( vor der Diagnosestellung) wenn mich mal jemand begleitet hätte und mich unterstützt hätte. Wäre ich manches mal auch heute noch. Wobei ich halt gelernt habe, allein zurecht kommen zu müssen. Was oftmals sehr frustrierend ist. Beziehungsweise haben sich auch viele von mir mit Diagnosestellung zurück gezogen. Grundton war immer: LittleSister seitdem du Borderline hast, weiss ich nicht mehr, wie ich mit dir umgehen soll. Dabei haben mich gerade die Leute, die das gesagt haben, gar nie anders erlebt.
Heute wäre ich froh ich könnte wenn es mir mies geht bei irgendwem anrufen. Tja nur setzen sich bei mir die Kontakte bei denen das möglich ist, nur noch aus Menschen aus dem professionellen Kreis zusammen. Und die haben halt ihre Arbeitszeiten, ihren Urlaub, ihr Wochenende etc. Leider passt das mit einer psychischen Erkrankung nicht zusammen. Mein Körper, meine Seele lässt sich nicht nach Arbeitszeiten andere einteilen.
Ich kann gut verstehen, dass dich diese Situation anspannt. Es ist ja sehr nett von ihm, dass er dieser Frau zuhört und ihr auch helfen will. Allerdings muss sich jemand, der eine gute Hilfe für andere sein will, von den Sorgen der anderen distanzieren muss, so dass die fremden Probleme nicht plötzlich zu eigenen Problemen werden. Aber genau das scheint bei deinem Freund passiert zu sein und diese Sache zieht ja noch weitere Kreise, da er dich ja auch noch mit einbezieht und du auch darunter leidest.
Gerade bei Borderlinern ist es eigentlich kaum ausreichend, wenn irgendwelche Leute helfen wollen, ohne die über die notwendigen Kenntnisse dieser Persönlichkeitsstörung zu verfügen. Diese Erkrankung ist unglaublich vielschichtig und die Borderline-Persönlichkeit wirkt oft auch manipulativ auf ihr Umfeld.
Hat dein Freund dieser Frau mal dazu geraten, sich an einen fachkundigen Psychologen zu wenden oder geht die Frau ohnehin schon regelmäßig zur Therapie? Wenn sie so große Probleme in Job und Privatleben hat, sollte sie sich wirklich an einen Fachmann wenden, der sich mit diesem Erkrankungsmuster auskennt und wirklich helfen kann. Bei kurzfristigen Verstimmungen ist es in der Regel ausreichend, wenn der Betroffene in dieser Situation Halt bei seinen Freunden und Bekannten sucht. Bei einer so gravierenden Erkrankung hingegen wird dein Freund wohl kaum etwas ausrichten können, erst recht nicht ohne selbst dabei Schaden zu nehmen.
Dein Freund sollte sich dringend von dieser Frau distanzieren und den Kontakt auf die rein berufliche Ebene beschränken. Auch wenn diese Frau ihn weiterhin als Anlaufstelle behalten will, sollte er ihr klar machen, dass sie sich an einen Therapeuten wenden soll, da nur der ihr wirklich helfen kann. Du solltest deinem Freund klar machen, dass er selbst an dieser Geschichte kaputtgehen kann und dass auch eure Beziehung schon darunter leidet.
Wenn er sich besser von dieser Sache distanzieren könnte, läge die Sache ja noch einmal anders. Da er das aber offensichtlich nicht wirklich kann, ist wohl eine Einschränkung des Kontaktes der einzige sinnvolle Weg.
Hallo,
Vielleicht liegt es an meinem anderen kulturellen Hintergrund, verglichen mit den meisten Usern hier, aber für mich ist es wichtig, Freunden zu helfen. Egal, was diese haben. Für mich bedeutet eine echte Freundschaft eine enge Bindung und Loyalität. Das heißt, Freunde sind füreinander da, auch, wenn Probleme auftreten. Ansonsten ist es allerhöchstens eine Bekanntschaft, aber keine wirkliche Freundschaft.
Das heißt, wenn ich Probleme habe, dann sollte ein Freund wenigstens ab und zu für mich da sein. Wenn es ihm zu viel wird, kann er ruhig sagen, er schafft das nicht mehr. Meinentwegen. Aber das zu sagen, ist seine Sache. Umgekehrt mache ich es genau so. Ich helfe, wie ich kann. Aber wenn es mich überlasten sollte, müssen wir eben darüber reden.
Wobei ich persönlich da eher zäh bin und noch nie aufgegeben habe. So habe ich immerhin schon zwei Leute durch stundenlange Telefonate vom Suizid abhalten können, weil ich so lange mit ihnen geredet habe, bis sie sich wieder beruhigt hatten. Natürlich war das für mich anstrengend, schließlich hat man jemanden, der sich töten möchte, nicht binnen eines Tages umgestimmt, sondern es gibt noch lange Unterhaltungen in den Wochen danach, aber dass die Leute überlebt haben, war es mir wert. Außerdem gehe ich nicht daran kaputt, mal ein wenig zu "leiden", damit andere es besser haben. Im Gegenteil, wenn ich danach sehe, was mein kleines "Opfer" gebracht hat, dass es geholfen hat, dann fühle ich mich besser, als zuvor, weil ich weiß, ich konnte helfen.
Aber ich scheine eben einfach eine andere Auffassung von dem zu haben, was man machen sollte, im Umgang mit seinen Mitmenschen. Wenn ein Mensch leidet, und ich ihm helfen kann, und er meine Hilfe nicht ablehnt, dann ist es für mich selbst dem Gefühl nach eine Pflicht, zu helfen. Sonst müsste ich mir bloß Vorwürfe machen. Das fiele für mich einfach unter "unterlassene Hilfeleistung", und selbst, wenn diese in diesem Fall nicht juristisch strafbar wäre, so fände ich sie ethisch-moralisch einfach nur fragwürdig.
Und ich fühle mich mit dieser Pflicht, die ich mir selbst auferlegt habe, nicht schlecht. Im Gegenteil. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ob man mir nun ein "Helfersyndrom" oder irgendwelche anderen psychischen "Defizite" andichten würde, wäre mir völlig egal. Ich weiß ja, es gilt sowieso fast alles als "krank", was nicht "normal" ist. Aber wenn ein soziales Verhalten, eine übermäßige Sorge gegenüber Mitmenschen in Not, als "krank" gilt, dann bin ich gerne krank.
Dass es eine Beziehung belastet, ist nicht schön. Aber der Mann ist ein erwachsener Mensch, also ist es seine Sache, ob er jemandem helfen möchte oder nicht, und auch seine Sache, wie weit er sich damit befassen möchte. Wenn es stört, wird die Partnerin mit ihm darüber reden müssen.
Und wenn er sich nicht zurück nehmen möchte, weil es gegen seine eigenen moralischen Vorstellungen verstoßen würde, dann muss die Partnerin das akzeptieren, oder aber die Konsequenzen für die Beziehung hinnehmen, wenn sie da eben eine Meinungsverschiedenheit hätten. Also ich persönlich würde nicht mit einem Partner zusammenleben wollen, der meine eigenen Entscheidungen, auch diese, die sich um die Interaktion mit anderen Menschen befassen, nicht akzeptieren, sondern sie mir verbieten wöllte.
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