Holocaust - warum so viele Opfer in Polen?

vom 31.08.2009, 20:40 Uhr

Da wir in Geschichte derzeit das Dritte Reich und den damit verbundenen Holocaust durchnehmen, googelte ich ein wenig nach dem Holocaust (kann ja nie schaden, etwas Zusatzwissen zu haben). Ich fand direkt folgenden Link: Klick.

Diese Zahlen sind (soweit ich informiert bin) die offiziellen. Nun sieht man direkt auf den ersten Blick, dass es einige Länder gibt, in denen vergleichsweise wenig Juden umgebracht wurden, beispielsweise Dänemark mit 116. Aber - warum wurden in Polen so vergleichsweise extrem viele Juden umgebracht? Es sind ca. 3 Millionen, das entspricht gut der Hälfte der insgesamt umgebrachten. Möglicherweise ist auch zu beachten, dass diese Zahlen auf den Grenzen von 1937 beruhen. Aber warum waren es in Polen so vergleichsweise viele?

» noalias » Beiträge: 14 » Talkpoints: 0,01 »



Erstens wohnten die großen jüdischen Populationen immer östlich, so gab es in West Russland die meisten Juden. Es ist also verständlich, dass die östlichen Länder mehr Opfer zu verzeichnen hatten. Zudem sind bis zum Beginn der Massenvergasung viele Juden aus Deutschland nach Polen geflohen, die dann aber als polnische Opfer gezählt wurden.

Und außerdem lagen fast alle großen Vernichtungslager in Polen, die Juden wurden aus den westeuropäischen Ländern mit den Zügen nach Polen transportiert. Ich denke das diese Zahlen zumindest teilweise auch dahinein geflossen sind.

» TuDios » Beiträge: 1475 » Talkpoints: 4,83 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Die Zahlen in der Statistik beziehen sich aber auf den ursprünglichen Wohnort der Opfer. Die deutschen Juden, die in Polen umgekommen sind, zählen also nicht zu den polnischen Opfern. Es gab übrigens in Deutschland kein einziges Vernichtungslager (natürlich sind in Deutschland trotzdem Menschen getötet wurden, aber eben nicht in systematischen Vernichtungslagern).

Ein weiterer Grund dafür, dass es in Polen so viele Opfer gab, ist, dass es dort sehr viel leichter war, die Leute systematisch einzusammeln und direkt in Vernichtungslager zu transportieren. In Deutschland waren die Juden angepasste Bürger der Mittelschicht, die in Städten lebten und allgemein das gleiche Leben führten, wie nichtjüdische Deutsche. Sie hatten auch gute private und geschäftliche Beziehungen zu Nichtjuden. In Polen und anderen östlichen Ländern hingegen, lebten die meisten Juden schon vor der Zwangsghettoisierung unter sich, häufig eher in ländlichen Verhältnissen ohne Kontakt zur Außenwelt. Unter solchen Bedingungen ist es sehr viel einfacher, ein gesamtes Dorf verschwinden zu lassen oder seine Bewohner im nächsten Wald zu erschießen.

» channale » Beiträge: 1371 » Talkpoints: 37,37 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Dass viele deutsche Juden dem Holocaust entkommen konnten lag sicher nicht an deren bürgerlicher Integration, denn zu NS Zeiten wurde um die Wette denunziert - schließlich fiel ja bei Plünderungen und Arisierung jüdischen Vermögens auch ordentlich was für einen selber ab, abgesehen von den Vorteilen, die man sich als treuer Staatsbürger sonst noch so erkaufte. Und viele Denunziationen erfolgten auch einfach nur aus völlig bescheuerten Motiven: jetzt konnte man dem, der Sonntags immer Wäsche aufhängte halt mal eins reinwürgen - und man wusste doch nicht, dass der im KZ endet (Wer`s glaubt!).

Viele deutsche Juden hatten im Gegensatz zu den Ostjuden eben auch noch die Möglichkeit, sowohl rechtlich als auch finanzielle, Deutschland bis 1940 zu verlassen. So gelang z. B. 2/3 der Juden in Deutschland die Ausreise in andere Staaten.

Dazu kommt einfach, dass in Polen schon immer eine große jüdische Gemeinde besaß - in Deutschland gab es bis zur NS Zeit knapp 500.000 Juden, von denen ein Drittel eben nicht die Ausreise gelang und in Polen über 3,6 Millionen Juden die kaum eine Möglichkeit zur Flucht hatten.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



@Subbotnik: Ich wollte mit der Aussage der besseren Integration auch gar nicht unbedingt zum Ausdruck bringen, dass es die nichtjüdischen Mitbürger deswegen mehr interessiert hat, was mit den Juden passiert ist. Generell führten die deutschen Juden aber eben ein moderneres Leben, dass die systematische Abtransportierung und Vernichtung schon schwerer machte (dazu gehört ja eben auch, dass viele die Möglichkeit hatten, rechtzeitig zu fliehen). Und selbst wenn vielleicht die Nachbarn die Juden nicht mochten, wäre es sicher trotzdem kompliziert gewesen, alle Juden aus Berlin Schöneberg im Stadtpark zu erschießen - im Wald neben dem polnischen Dorf war das kein Problem.

» channale » Beiträge: 1371 » Talkpoints: 37,37 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Natürlich: Wobei auch das immer auf die Situation ankam. Selbst in Wien gab es Ausschreitungen, wo Juden aus ihren Häusern und Geschäften geprügelt und auf der Straße einen Lynchmob ausgesetzt wurden.

A pros pros Erschießungen: Die hätte es auch in Polen nicht gegeben, aus zwei Gründen. Der eine ist ja noch nachvollziehbar: die moralische und psychische Belastung derer, die es tun mussten weswegen man später auch zum anonymen Töten in Gaskammern überging (da muss man die Opfer halt nicht sterben sehen. Es gab ja mal eine zeitlang auch mobile Gaskammern, die dann abgeschafft wurden, weil das "Personal" psychisch extrem belastet wurde durch die Schreie der Sterbenden. Und der zynische Grund: Munition war teurer und wertvoller als Vergasen.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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