Abnehmkliniken - Chance oder ist der Rückfall garantiert?
Hallo,
ich sehe im Fernsehen immer wieder Reportagen über Abnehmkliniken, oft für übergewichtige Jugendliche und Kinder. Es wird kalorienarm gekocht, ein paar Stunden Sport am Tag gemacht und psychologische Hilfestellungen werden auch gegeben.
Während der Zeit in den Kliniken nehmen die Leute auch gut ab, jedoch stellt sich für mich die Frage ob so ein straffes Programm auch zu Hause durchzuhalten ist. Wird die Ernährungsumstellung auch beibehalten? Ich habe mal gehört dass die Rückfallquote ziemlich hoch ist, da zu Hause oft niemand richtig motiviert, niemand mit kommt zum Sport und die Eltern einfach nicht fettarm kochen wollen. Was denkt ihr darüber?
Ich selbst war mit etwa 11 Jahren zur Kinderkur zum Abnehmen. Das ist nun aber auch schon 25 Jahre her.
Auf meiner Station war ich damals altersmässig so im Mittelfeld. Es gab jüngere, aber auch ältere Kinder. Und wir hatten unterschiedliche Erkrankungen. Meistens Magersucht oder halt Fettsucht, wie ich.
Ich lernte dort zum ersten Mal irgendwie regelmässig Essen kennen. Es gab Frühstück, Mittagessen, Abendessen und Zwischenmahlzeiten. Das Essen gab es je nach Krankheit. So stand ich damals auf 800 Kalorien am Tag. Später dann auf 1000 Kalorien. Das Essen wurde aber gebracht. Wir haben nie selbst gekocht. Sprich den Umgang mit Lebensmitteln lernten wir nicht. Dafür gab es andere Therapien. Einmal war halt Schulunterricht in den Grundfächern. Dann halt diverse Sporttherapien. Und gebastelt haben wir auch. Und gelegentlich Wanderungen.
Ich habe damals etwa 10 Kilogramm abgenommen. Die Kur ging sechs Wochen, was ich heute als zu wenig empfinde. Damals hätte ich aber länger auch nicht gewollt. Ich wurde mit Ernährungstipps und Kalorien- und Rezeptlisten entlassen. Anfangs hat meine Mutter das Essen was sie kochte für mich halt in den Kalorien reduziert. Viel Reis. Die Sossen ohne Mehl. Kleinigkeiten halt. Aber irgendwann war ihr das zuviel Arbeit. Dann gab es bei uns immer um 20 Uhr Abendessen. In der Klinik haben wir um 18 Uhr gegessen. Aber da hat sich dann keiner mit mit hingesetzt. Oder es war zuviel Arbeit. Alleine kochen hätte ich auch nicht gedurft. Sprich mir hat die Kinderkur im grossen und ganzen wenig gebracht. Vorallem weil es, wie ich heute weiss, nur um die Auswirkungen ging, in dem Fall halt zuviel Gewicht, und nicht um die Auslöser. Ich habe ja nicht grundlos soviel gegessen.
Meine Eltern konnten mir damals aber auch nicht begreifbar machen, das sie mich mögen wie ich bin. Mich verfolgt es bis heute, das sie nur ein dünnes Kind lieb haben können. Sie haben mir nie gesagt, das sie mich auch so lieben wie ich bin.
Sinnvoll wäre es auch gewesen, wenn ich daheim weiterhin Sport gemacht hätte. Ich wäre gerne in einen Schwimmverein gegangen. Das wollte meine Mutter nicht. Bei uns war es vorher so, das es im Schwimmbad nach dem Schwimmen immer ein Stück Pizza für uns Kinder gab und die war der Meinung, das wäre auch so, wenn ich in einem Schwimmverein wäre. Wobei ich da keinen Zusammenhang sah. Mein Vater wollte das ich Fussball spiele. Und ich bin heute froh das ich es nicht gemacht habe.
Heute laufen so Massnahmen für Kinder mit Sicherheit anders ab. Den Kindern wird der Umgang mit Lebensmittel gezeigt. Auch wie sie selbst kalorienarm kochen können. Ich glaube wenn die Eltern dann dahinterstehen, kann es auch nach einem Klinikaufenthalt klappen.
Ich frage mich auch oft, ob man mit 6 Wochen Kur wirklich jemanden dazu bringen kann schlechte Gewohnheiten, die er sich in Jahren angeeignet hat zu ändern oder ob man damit nicht eher den Grundstein für eine Jojo Effekt Diät Karriere legt.
Und bei Kindern müsste wahrscheinlich eh die ganze Familie mit zur Kur gehen, bzw. das ganze müsste eben ambulant mit Einbeziehung des ganzen Umfeldes statt finden. Denn in den meisten Fällen sind die Eltern am Übergewicht der Kinder schuld, indem sie eben falsch einkaufen, falsch kochen oder einfach nicht darauf achten was und wie viel das Kind isst. Und es gibt ja auch genug Eltern, für die es ok ist, wenn das Kind den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzt.
Natürlich kann man Kindern beibringen wie man gesund isst, aber als Kind ist man doch von den Eltern abhängig und die wenigsten Kinder werden wahrscheinlich durchsetzen können, dass die Eltern nach ihren Wünschen einkaufen und kochen. Da müssen schon die Eltern überzeugt und "umerzogen" werden.
Erstmal ist es ja so, dass man in so eine Klinik nur kommt, wenn man wirklich starkes und krankhaftes Übergewicht hat. Da liegt schon ein Fehlverhalten vor, was das Essen betrifft. In den wenigstens Fällen ist es dann so, dass diese Menschen aus Langweile essen. So mag es angefangen haben, aber so kann es sich eben auch zu einer Sucht entwickeln.
Solchen Menschen muss man zeigen,wie sie richtig essen. Genaugenommen muss man von vorn beginnen und ihnen das beibringen, wie kleinen Kindern. Man muss erkennen lernen, wann man satt ist, wann sich das Sättigungsgefühl einsetz. Wieviel man dafür essen muss und natürlich muss man lernen, wie man gesund isst. Hinzu kommt natürlich der Sport, der sehr, sehr wichtig ist.
All das muss man lernen und das bedarf einer Anleitung von ausgebildeten Ärzten und Personal. Insofern denke ich schon, dass die meisten sich davon etwas behalten werden. Man hat in der Zeit auch Erfolge und die spornen sicherlich auch dazu an, dass man das so weiter macht, wie man es da gelernt hat, weil man dünner und gesünder werden will.
Natürlich gibt es immer Menschen die rückfällig werden, aber das liegt dann schon an mangelnder Disziplin. Das Umfeld sollte solche Menschen dann aber auch unterstützen.
winny2311 hat geschrieben:So mag es angefangen haben, aber so kann es sich eben auch zu einer Sucht entwickeln.
Aber gerade bei einer Sucht Therapie erreicht man doch gar nichts, wenn man das Umfeld des Süchtigen ignoriert und das Umfeld kann man nicht vernünftig mit einbeziehen wenn der Süchtige aus dem Umfeld herausgenommen wird und während der Therapie keinen Alltag lebt.
Wenn jemand eine Fresssucht hat und nach der Therapie wieder in seine Familie zurückkommt, die sich mit dem Thema nicht auseinandergesetzt hat und wo das Suchtmittel frei zugänglich ist, ist das doch genauso als würde sich ein Alkoholiker nach seiner Therapie wieder mit seinen Kumpels treffen, die absolut nicht einsehen, warum sie am Wochenende keine Sauftouren mehr veranstalten sollten.
Und dann gibt es natürlich auch das Problem der Co-Abhängigkeit, also, dass jemand im Umfeld des Süchtigen bewusst oder unbewusst die Sucht unterstützt und dadurch eine Art Befriedigung erfährt. Ich denke, dass das gerade bei Fresssucht gar nicht so selten vorkommt, denn ich frage mich immer, wie jemand, der wegen seines Körpergewichtes sein Haus nicht mehr verlassen kann mit Nahrungsmitteln versorgt wird. Da muss es doch jemanden geben, der einkauft und kocht und wahrscheinlich nicht nur Salat und Gemüse.
@ Cloudy24
Dem kann ich so nicht zustimmen. Nehmen wir ein bekanntere Suchterkrankung, die Alkoholsucht. Der Betroffene wird im Alltag immer wieder in Situationen kommen, in denen er Alkohol nicht aus dem Weg gehen kann. Er kann quasi nur sagen, nein ich will nicht. Aber man wird trotzdem überall mit Alkohol in Kontakt gebracht. Und wenn es nur der biertrinkende Polizist in irgendeinem Krimi ist oder Alkoholwerbung an der Plakatwand vorm Haus. Man kann quasi nur für sich selbst lernen, mit der Sucht umzugehen.
Ich war ja selbst zur Kinderkur zum Abnehmen. Ich war die einzige mit Übergewicht in der Familie. Wobei meinen Angehörigen gesünderes Essen sicherlich auch gut getan hätte. Meine Eltern hatten eine Metzgerei. Ich sass also theoretisch an der Quelle. Wobei wir an sich damals nicht alleine irgendwas abgeschnitten haben. Aber theoretisch wäre es möglich gewesen. Dann hätte man mich komplett aus der Familie nehmen müssen. Was ich für relativ unsinnig halte. Zumindest was meine Essstörung betraf. Denn im Endeffekt waren die Probleme eher psychischer Natur. Und da hätte man eingreifen müssen. Nur wurden zur meiner Zeit halt nie die Ursachen behandelt. Und selbst wenn, mir ist lange genug eingetrichtert worden, das man so Sachen nicht nach aussen trägt.
Und auch die Angehörigen müssen bereit sein, dem Betroffenen zu helfen. Ansonsten bringt eine gemeinsame Therapie null. Und dann ist es immer noch besser, der Betroffene lernt mit seiner Erkrankung zu leben.
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Chance, die in einer solchen Kur besteht, immer davon abhängig ist, wie sehr der Patient selbst an einer Gewichtsreduktion interessiert ist und wie viel er dafür bereit ist zu geben. Wer von sich aus in eine Kur geht und auch bereit ist, sehr viel dafür zu geben, wer vielleicht für eine solche Kur gekämpft hat, der wird von ganz allein darauf achten, viel davon mitzunehmen.
Die andere Seite ist aber in meinen Augen auch, wie abhängig der Patient von seinen Mitmenschen, der Familie und anderen ist. Denn wenn man nicht allein über die Mahlzeiten entscheiden kann ist es schon mal schwierig, auch wenn man für häufiges Sporteln und das achten auf eine gesunde bzw. gesündere Ernährung verspottet wird, dann kostet das ziemlich viel der ursprünglichen Motivation.
LittleSister hat geschrieben:Ich war die einzige mit Übergewicht in der Familie.
Du verstehst wahrscheinlich den Begriff der Co-Abhängigkeit falsch. Co-Abhängigkeit bedeutet nicht, dass ein anderer Mensch unter der gleichen Sucht leidet, es geht viel mehr um eine Art psychischer Abhängigkeit vom Abhängigen.
Um das mal weniger abstrakt zu machen, hier ein vereinfachtes Beispiel - eine Mutter hat wenig Zeit für ihre Kinder und deshalb ein schlechtes Gewissen. Das versucht sie damit auszugleichen, dass sie den Kindern Süßigkeiten und Knabberzeug und eben alles was sie gerne essen kauft. Wenn man jetzt den Kindern gesundes Essen verordnet und den Süßkram streicht, nimmt man damit gleichzeitig auch der Mutter eine Möglichkeit ihr schlechtes Gewissen loszuwerden.
Oder schau dir die ganzen extrem fetten Menschen an, die immer mal wieder durch die Medien geistern und die in der Regel von Angehörigen mit Essen versorgt werden, weil sie nicht mehr aus dem Haus gehen können. Warum machen die Angehörigen das? Weil es ihnen in vielen Fällen eben auch etwas gibt, weil sie sich gebraucht fühlen, weil man über so einen Mensch auch Macht hat.
Nehmen wir ein bekanntere Suchterkrankung, die Alkoholsucht. Der Betroffene wird im Alltag immer wieder in Situationen kommen, in denen er Alkohol nicht aus dem Weg gehen kann.
Es geht ja nicht darum, dass jemand seinem Suchtmittel nicht immer aus dem Weg gehen kann, sondern darum, dass er in Strukturen lebt, die seine Sucht unterstützt haben.
Und natürlich ist die Ursache der meisten Süchte eine psychische und natürlich macht eine Therapie nur dann Sinn, wenn jemand auch eine Therapie will.
Ich finde es schwierig, in dem Vergleich von Co- Abhängigkeit zu sprechen. Kinder, die im Elternhaus wohnen, sind in der Regel relativ lange von den Eltern in irgendeiner Form abhängig. Zumindest finanziell. Und in früheren Jahren auch auf andere Dinge, alleine um die Grundbedürfnisse zu stillen. Da sind die Eltern aber nicht wirklich Co- abhängig. Klar geht es andersrum, wenn ein Elternteil oder Familienmitglied eine Suchterkrankung hat, und das Kind das tagtäglich miterleben muss oder sogar die Suchtmittel besorgen muss.
Das genannte Beispiel, das die Mutter mit Süßigkeiten ihre Mutterliebe ersetzt, ist an sich dann eher ein Thema für eine ambulante Therapie. In einem stationären Rahmen wird das auf Dauer nicht stattfinden können. Und mehr als anregen, das nach dem stationären Aufenthalt eine gemeinsame Familientherapie stattfinden sollte, kann eine solche Abnehmklinik, zumindest im Bereich Kinder nicht. Da müssen sich dann die Eltern darauf einlassen.
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