Selbstständigkeit wirklich der Schlüssel zum Glück?
Der Grund warum ich hier schreibe ist mein Mann. Er ist gelernter Schlosser und hat nun viele Schweißprüfungen abgelegt um auch als Schweißer eingesetzt zu werden. Seit ca. 4 Jahren bekommt er auch immer wieder mal Jobs, aber nur von Personalleasing Firmen, die ihm dann sofort kündigen können, sobald sie ihn nicht mehr einsetzten können.
Nun hat ihm sein Freund den Floh ins Ohr gesetzt sich selbstständig zu machen und sich so dann selbst an Firmen auszuleihen. Ich sehe dem ganzen sehr skeptisch entgegen weil wir zwei kleine Kinder haben und ein Haus was bezahlt werden will. Ich weiß nicht ob das ganze wirklich so easy ist wie alle erzählen.
Hat einer von euch vielleicht Erfahrungen mit der Selbstständigkeit?
Ein paar Zeilen auch ohne persönliche Erfahrungswerte. Hoffe dennoch, ein paar Gedanken beisteuern zu können.
Easy wird die Sache vermutlich nicht. Aber was die Sicherheiten angeht: Du schreibst ja das er im Moment auch nur über Zeitarbeitsfirmen in Hire&Fire Anstellungen kommt. Daher sollte hier nichts verloren gehen. Wenn er am Anfang zu wenige/keine Aufträge erhält, kann er doch immer noch zur Personalleasing Firma gehen. Dann das Haus: eure Planung ist doch auch so, dass es trotz der aktuellen Situation geht. Ich denke und wünsche euch, dass sich sie Situation im schlimmsten Fall nicht verbessert. Aber es spricht was dafür, dass es eben doch besser wird!
Einziges Manko noch: ich weiss nicht, in welchem Alter er nun Selbständig wird. Aber für die Rente müsste er natürlich selber sorgen. Und je weniger Zeit er hat, desto mehr muss er für diesen Zweck an Rücklagen bilden.
Und auch die KK ist zu bezahlen. Dennoch viel Glück!
Der Weg in die Selbständigkeit kann eine Alternative sein. Man muss aber dazu geeignet sein. Denn feste Arbeitszeiten, Urlaub und Überstunden richten sich dann absolut nach dem Kunden.
Was das Risiko angeht, wenn er aus einer Zeitarbeitsfirma gefeuert wurde und seine Ansprüche erfüllt kann er den Existenzgründungszuschuss beantragen. Die ersten 9 Monate seiner Selbständigkeit erhält er dann den Zuschuss in Höhe seines Arbeitslosengeldes plus einem Zuschuss von 300 € für die Versicherung. Dieser Zuschuss ist steuerfrei und soll dazu dienen ohne wirkliche Existenzsorgen das Unternehmen zu starten. Natürlich sollte dein Mann dafür sorgen in der Zwischenzeit Aufträge zu generieren und wenn möglich nicht nur von einem Auftraggeber, da das Thema Scheinselbständigkeit sonst ein Problem werden könnte.
Am besten ihr lasst euch bei IHK, HWK oder Agentur für Arbeit in der Richtung beraten. Eine gute Anlaufstelle könnte auch euer Steuerberater sein. Viele Dinge müssen beachtet werden: steuerliche, versicherungsrechtliche (Können eure Kinder bei dir Familienversichert werden? Wenn nein, dann wird es teuer!), welche Fristen hat er zu bedenken, welche zusätzlichen Gesetze muss er beachten (Arbeitssicherheit, Steuergesetze, Buchhaltung etc. pp.).
Und bedenkt das es auch einen Zielmarkt für die Tätigkeit deines Mannes bei euch vor Ort geben sollte, es sei denn er ist gerne auf Montage. Der 70. Schlosser am Ort zu sein wird einem erfolgreichem Start zur Selbständigkeit sicher nicht hilfreich sein.
Selbstständigkeit ist vermutlich genau Gegenteil von dem, was dein Mann sich darunter vorstellt. Es ist viel stressiger als einfach nur Angestellter zu sein. Man hat absolute Verantwortung und man selbst muss sich mit viel mehr herumschlagen als wenn man einfach nur für jemand anderen arbeitet. So einfach ist das dann nicht mehr, dass man einfach weiß, dass am 1. des Monats das Geld auf dem Konto ist. Wenn er darüber nachdenkt, andere Leute noch für ihn arbeiten zu lassen, müssen die sich auch erstmal bezahlt machen. Er muss sich um den Einkauf kümmern, um die Buchhaltung, er muss Inventur machen, er braucht einen Steuerberater, im Notfall auch mal einen Rechtsanwalt und so weiter.
Da kommt so viel auf einen zu, womit man gar nicht rechnet. Alleine wenn ich daran denke, dass mein Vater beispielsweise nicht einfach mal im Sommer 2 Wochen in Urlaub kann, weiß ich, wieso ich nicht selbstständig sein möchte. Denn dann müsste er sein Geschäft schließen in dieser Zeit, weil niemand da ist, der sich solange darum kümmern könnte und dem er das zutrauen würde. Also heißt das, dass er in dieser Zeit auch keine Einnahmen hat, ihm Aufträge durch die Lappen gehen und so weiter. Nein also für mich wäre das nichts, weil ich einfach weiß wie es meistens abläuft. Besonders in den Handwerksbetrieben.
Die Selbständigkeit ist auf jeden Fall ein Schritt, der nicht nur viel Mut verlangt, sondern auch wohl überlegt sein will. Bei den diversen Coachings wird immer darauf verwiesen, dass man über eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur verfügen müsse, wenn man dabei erfolgreich sein will. Aber sich selbst an Arbeitgeber auszuleihen klingt eher nach Scheinselbständigkeit. Da wäre es schon spannender sich als Schweißer mit einem eigenen Betrieb selbständig zu machen, wenn das überhaupt geht. Aber da muss man selbst bei einer guten Geschäftsidee über viel Ausdauer verfügen, bis man seinen Kundenstamm aufgebaut hat.
Mein Mann ist selbständiger Handwerksmeister und er würde sich nicht mehr selbständig machen. Wir haben teilweise große Probleme, das Geld von den Kunden zu bekommen. Und das ganze Werkzeug, was bei einem Angestellten die Firma ja hat, musste sich mein Mann selbst anschaffen. Dann braucht man ein Büro mit Computer, um Angebote und Rechnungen zu schreiben. Außerdem, wie mein Vorschreiber schon ausführte, kommt da eine ganze Menge an sonstigen Hintergrundarbeiten und Kosten (Krankenversicherung selbst zahlen, bei privat auch für Dich und Eure Kinder) dazu, die man als normaler Arbeitnehmer nicht sieht.
Wenn Dein Mann nicht davon abzubringen ist, würde ich es, zumindest mal vorerst, im Nebenerwerb mit der Selbständigkeit probieren, dann habt Ihr immer noch ein wenig Sicherheit, vor allem wegen Eurer Kinder. Wenn Dein Mann dann wirklich Gefallen - und Kunden - gefunden hat, könnte er immer noch seinen festen Job kündigen und die Selbständigkeit im Vollerwerb ausüben.
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