Umgang mit Kritik: wie dickeres Fell zulegen?
Ich habe ein Problem mit Kritik. Leider fühle ich mich sehr schnell angegriffen, wenn jemand an mir oder meinen "Taten" etwas zu bemängeln hat. Ich weiß, das es in den seltensten Fällenein Angriff auf meine Person sein soll, aber es fällt mir sehr schwer, dann nicht gleich beleidigt und verärgert zu reagieren.
Beispielsweise nähe ich ein Kleid. MIt der Passform bin ich im Endeffekt nicht ganz zufrieden, überlege aber auch gleichzeitig, ob der Mangel so gravierend ist, dass es auffällt oder ob ich es vielleicht so lassen kann. Ich frage meinen Lebensgefährten nach seiner Meinung über das Kleid und es kommt eine Antwort in dem Sinne von "Hm, meinst Du nicht, dass es ein bißchen eng ist?" Sofort reagiere ich eingeschnappt und sauer ihm gegenüber. Dabei wäre das eigentlich gar nicht nötig, mein Lebensgefährte hat ja nur seine eigene Meinung abgegeben und es war dann ja auch genau der Fehler, den ich selbst auch schon gesehen hatte. Ich ärgere mich dann eigentlich hauptsächlich über mich selbst, dass ich einen Fehler gemacht habe und dass man diesen Fehler so offensichtlich sieht.
Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich sehr perfektionistisch veranlagt bin und die Sachen, die ich anfasse auch möglichst gut erledigen möchte. Da dauert es meistens lange, bis ich halbwegs zufrieden bin und im Grunde würde ich dann gerne einfach nur hören "hast Du gut gemacht". Kommt dann eine - wenn auch konstruktive - Kritik an der Sache, bin ich verärgert, weil es ja anscheinend nicht gut genug gemacht wurde.
Falscher Weg, ich weiß. Und das möchte ich gern an mir ändern. Es hilft mir ja nichts, wenn die Kritik ausübenden Personen mir dann versichern, es sei alles ganz toll und gut geworden, nur damit ich zufrieden bin, Das ist ja überhaupt nicht Sinn der Sache, wenn um Kritik gebeten wird.
Wie kann ich es schaffen, mir diesbezüglich ein dickeres Fell zuzulegen und offener auf Kritik zuzugehen? Im Grunde weiß ich ja, dass es nicht böse gemeint ist, helfen kann und ich frage ja eigentlich, um Hilfe und Anregungen zu bekommen, aber in solchen Momenten steht bei mir einfach die emotionale Seite im Vordergrund, die dann erstmal beleidigt ist. Wie schaffe ich es, diese Emotionalität ein wenig im Hintergrund zu halten, damit ich Kritik wirklich erst einmal nur als Vorschläge und Hilfe sehen kann und nicht als Angriff?
Letztendlich liegt das einfach an deinem Selbstbewusstsein. Früher war ich genauso und das Beispiel mit dem Kleid war auch typisch für mich: Ich fragte nach einer Meinung, sah aber schon selbst, dass es überhaupt nicht passt, wenn mir das aber dann jemand bestätigt hat, war ich tottraurig und beleidigt und meistens habe ich dann auch noch angefangen zu weinen, weil mir zig Sachen einredete.
Ist es denn bei dem Beispiel mit dem Kleid nicht so, dass du dann automatisch denkst, du wärst zu dick oder indirekt sogar denkst, er wollte dir das damit sagen?! Bei mir zumindest war das immer so. Ich hab alles total fehlinterpretiert und immer direkt das Schlimmste angenommen. Geändert hat es sich bei mir im Laufe der Jahre nur, dass ich mir bewusst gemacht habe wer und was ich bin und dass ich selbstbewusster wurde. Heute kann ich problemlos damit umgehen auch mal bescheuert auszusehen in einem Kleidungsstück oder den Tisch mal eingedeckt zu haben oder beim Backen nicht so richtig erfolgreich gewesen zu sein. Das hat aber wirklich viele Jahre gedauert und so einen richtigen Plan hatte ich damals auch nicht. Es wurde einfach von Mal zu Mal besser und ich gelassener, aber das funktioniert nur, wenn man selbst einsieht, dass man das Problem ist und nicht die Anderen.
Zumindest das scheint doch bei dir schonmal geklappt zu haben, oder? Mach dir in der akuten Situation einfach nochmal bewusst, dass niemand dich verletzten will und dich die Person trotzdem gerne mag, wenn sie etwas an dir kritisiert.
Hallo!
Ich kann sich wirklich gut verstehen, denn mir geht es genauso. Ich sehe dann immer gleich Kritik als einen Angriff gegen mich und bin dann auch meist sauer und beleidigt. Aber ich weiß ja selbst, dass ich eine ehrliche Meinung hören wollte. Ich versuche dann zu denken, dass er Jenige nicht böse gemeint hat und mir nur offen und ehrlich seine Meinung gesagt hat. Leider ist das ja nicht ganz einfach.
Ich denke, dass man sich mehr oder weniger damit abfinden muss, dass man diese Schwäche hat. Man sagt Frauen ja auch nach, dass sie alles falsch verstehen würde, was sie falsch verstehen könnten. Ich denke, dass das dann so ein Fall ist, auf das man diesen Spruch beziehen könnte. Ich will auch immer alles zu 100 % richtig machen und bin dabei eigentlich selbst mein größter Kritiker. Du weißt ja, dass du diese kleine Schwäche hast. Es dürfte ja schon helfen, dass du dir sagen kannst, dass die Kritik von deinem Mann ja sicher nicht böse gemeint war.
Kritik kann eine Chance für dich sein, es beim nächsten Mal besser zu machen! Das ist meine Einstellung und damit fahre ich sehr gut. Als Jugendliche habe ich oft verstimmt auf kritische Worte reagiert. Irgendwann habe ich angefangen darüber nachzudenken. Dann ist mir klar geworden, daß ich über die Kritik erstmal nachdenken sollte, bevor ich reagiere. Falls der Kritiker Recht behält, darüber entscheide aber ich, habe ich es selber in der Hand etwas zu ändern.
Möglicherweise ist die Kritk aber total ungerechtfertigt. Dann lache ich darüber und denke mir meinen Teil. Natürlich hat das viel mit Selbstbewußtsein zu tun. Ehrlichgesagt mangelt es mir daran nicht. Aber das war ein langer Prozess, den ich erst mal lernen mußte.
Ich finde die Einsicht, daß deine Reaktion falsch ist, könnte der beste Weg zur Besserung sein. Du hast keine andere Wahl, als an dir selber zu arbeiten. Denn das Handeln der Anderen kannst du nicht bestimmen. Du kannst nur dich ändern. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Habe ein wenig Geduld mit dir, falls es mal wieder zu einem Ausbruch kommt. Sei dir deiner Reaktion aber stets bewußt, nur dann kannst du sie verändern.
Einen Trick gibt es noch, damit es bei dir schneller "klick" macht. Es ist selbstverständlich nicht leicht. Aber gewöhne dir an, dich bei deinem Gegenüber zu entschuldigen, wenn du unbegründet ruppig geworden bist. Deine Psyche wird früher oder später darauf positiv reagieren.
Selbstbewusster zu werden ist sicher der richtige Weg. Allerdings ist es mit ebenso großer Sicherheit auch ein weiter Weg bis dahin. Lernen kann man aber durchaus mit Kritik besser umzugehen. Als erstes: hinterfrag einfach die Kritik. Wenn Dein Freund also meint, dass das Kleid zu eng sei, dann frag genauer nach, wo er denn meint, dass es zu eng ist. Ob vielleicht der Schnitt gar nichts für Dich ist. Ich hoffe, Du verstehst worauf ich hinaus will
Wenn Du schon weißt, dass das Kleid nicht so wirklich sitzt, dann frag Deinen Freund doch zukünftig mit einem Hinweis darauf, dass Dir irgendwas nicht so recht gefällt, aber Du wüsstest nicht was, um seine Meinung. Zumindest mir fällt es dann wesentlich leichter Kritik anzunehmen.
felis.silvestris hat geschrieben: Ich frage meinen Lebensgefährten nach seiner Meinung über das Kleid und es kommt eine Antwort in dem Sinne von "Hm, meinst Du nicht, dass es ein bißchen eng ist?"
Ein hilfreiches Buch fällt mir dazu ein:
Deborah Tannen: Du kannst mich einfach nicht verstehen - Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden
Grob zusammengefasst und auf deinen Fall bezogen geht sie davon aus, dass Männer überwiegend sachorientierte Aussagen machen und Frauen beziehungsorientiert reden. Dass dann das, was der weibliche Sender sagt, nicht so beim männlichen Empfänger ankommt oder umgekehrt.
Er möchte vermutlich sagen, dass das Kleid nicht passt. Einfach, dass ein 26er Fahrradreifen nicht auf ein 28er-Fahrrad passt. Nichts weiter. Er redet über das Kleid. Die Sache. Du verstehst möglicherweise: "Du bist zu dick." Oder schlimmer: "Du hast das zu eng genäht." Und daraus folgt: "Du bist unfähig." Oder "Ich mag dich nicht mehr, weil du unfähig bist ein passendes Kleid zu nähen." Oder: "Ich mag dich nicht mehr, weil du zu dick bist." Du hörst eine Aussage über die Beziehung zwischen euch. Klar dass das belastender ist.
Hat er das wirklich so gemeint? Und wenn, wie kannst du das rausfinden? Ganz einfach: Wenn du sowas hörst, höre genau hin und frage dich, was da weiteres hörst als das, was er faktisch gesagt hat. Und wenn du ihn nicht verstehst oder eine Ahnung hast, dass er es anders meinen könnte, wie wäre es direkt zu fragen: "Schatz, wie meinst du das?" und schon kann sich ein potentielles Missverständnis schnell aufklären.
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