Ossifizierung oder Wir haben endlich den Sündenbock!
Hallo zusammen,
ich habe gerade diesen Artikel: Deutsche deprimierende Republik gelesen und bin doch ein wenig verärgert, enttäuscht und vielleicht auch ein bisschen traurig, dass nun die Ossis zum Klassenfeind erklärt werden.
In Kurzform:
Maxim Biller schreibt in diesem Artikel, dass die „Wessis“ nach der Wiedervereinigung 1989/90 ossifiziert wurden. Also dass die Westdeutschen Menschen ihr Land verloren haben und mehr und mehr wie wir Ossis geworden sind, die alles mit sich machen lassen, immer jammern und niemals den Mund aufmachen, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Es wird alles hingenommen und die Menschen sind absolut obrigkeitstreu.
In dem Artikel steht noch deutlich mehr, allerdings will ich jetzt nicht Kilometer lang darüber schreiben, was Biller dort alles schreibt, sondern vielmehr etwas darüber los werden, welche Eindrücke ich habe.
Am Anfang der 90er Jahre wurde aus 2 Ländern wieder eins, aus 2 Jahrzehnte lang getrennten Völkern wurde wieder ein Volk. (Zumindest auf dem Papier). Was hatte aber eigentlich die Wiedervereinigung für Auswirkungen auf unser Land(damit meine ich nicht BRD oder DDR, sondern das gesamte Deutschland)? Wessis kamen in den Osten und wollten „Aufbau Ost“ betreiben. Im Rückblick sollte man doch wohl eher „Raubbau Ost“ sagen. Das, was wirklich passierte war zu Beginn kein Aufbau, sondern mehr oder weniger das Aussaugen der letzten verbliebenen Ressourcen eines armen Landes. Was die DDR ausmachte, war sicher nicht die Wirtschaftskraft oder die Politik, vielmehr war die DDR ein Kinderfreundliches Land, in dem die Bürger noch miteinander gelebt haben und sich nicht ständig darüber beklagt haben, dass der Nachbar mehr Geld hat als man Selber. Es gab so was wie Zusammenhalt. Die Kinderbetreuung war von klein auf geregelt und funktionierte erstaunlich gut. Bildung war damals ein hohes Gut. Haben wir in Deutschland so etwas heute noch? Ich fürchte nein.
Alles was es in der DDR damals gab wurde regelrecht platt gemacht, denn von hier konnte ja einfach nichts Gutes kommen. Schon gar nicht, wenn es um Wirtschaft, Soziales oder Bildung geht. Als erstes Beispiel fallen mir die „grünen Pfeile“ an den Ampeln ein. 1990 abgeschafft, ca. 3 Jahre später wieder eingeführt (heute möchte sie kaum jemand an den Ampeln missen). Der nächste Punkt der mir sofort auffällt ist die Kinderbetreuung. Nach 1990 wurden Kinderkrippen größtenteils in unserer Region abgeschafft. In den letzten Jahren fangen sie wieder an, Kindern ab dem 1. Geburtstag die Betreuung zu geben, die sie brauchen, wenn ihre Eltern wieder arbeiten müssen/wollen. (Komisch, das kennen wir doch irgend woher).
Mit der Schule geht es direkt weiter. Selbst zu meiner Zeit hatten wir noch Respekt vor den Lehrern (ich wurde 1989 eingeschult). Wenn wir uns damals gegen unsere Lehrer aufgelehnt hätten nach dem Motto: Lehrer doof, ich kann doch selber nichts falsch machen, dann hätten wir als ersten von unseren Eltern einen Einlauf bekommen und als nächstes hätten sich unsere Eltern bei den Lehrern erkundigt, was wirklich vorgefallen war. Heute ist es doch das genaue Gegenteil: Die Kinder haben garantiert immer recht und die Lehrer sind die Bösen (Ich merke gerade, dass ich schon wieder in das Thema der Bildungsmisere abrutsche). War es also so verkehrt, dass man vor den Lehrern etwas Respekt haben musste und das uns damals noch so etwas wie Bildung und Werte vermittelt wurden?
Ich habe keine Ahnung, in wie weit meine Ansichten und mein Geschriebenes verständlich sind, oder auch richtig sind, aber ich hoffe, das es unter euch Menschen gibt, die mir das ein oder andere sagen können, was mir in meiner Frustration über unser deutsches „System“ weiter hilft bzw. mir auch Denkfehler aufzeigt.
Gruß Jasper
Zu Maxim Biller sag ich mal besser gar nichts, ich sag nur "Esra" . Dass der Kommentar extrem einseitig ist und plumpe Meinungsmache, das liegt wohl auf der Hand - naja, Objektivität ist halt nicht jedermanns Sache. Allein die Unterscheidung zwischen besseren und schlechteren Menschen sagt doch schon alles.
Im Grunde möchte ich gar nichts dazu sagen, weil man fast jedes "Argument" mit "man kann es sich auch drehen wie man braucht" unterschreiben kann.
Ansonsten: Was regst Du Dich auf? Ein rechtskonservativer Artikel in der schwarzen FAZ (meiner Meinung teilweise schon schwarzbraun, aber da kann man streiten) ist doch nichts ungewöhnliches, das ist ja fast so als ob man sich aufregen würde, dass in der "Deutschen Stimme" keine Linkspartei und SPD freundlichen Artikel gedruckt werden.
Zwei Dinge muss ich (selbst gelernter Ossi) mal anmerken: kinderfreundlich war die DDR schon. Allerdings wurden Kinderbetreuungsmögliichkeiten eher aus volkswirtschaftlicher Notwendigkeit ausgebaut - man brauchte die Frauen recht schnell nach der Geburt der Kinder wieder für den Aufbau der DDR und irgendwann war es halt so, dass Kinder auch schon im Säuglingsalter fremdbetreut wurden. Das hat sich bei uns (mitten in Sachsen-Anhalt) übre die Jahre hinweg nicht wesentlich verändert.
Und auch das Miteinander der Bewohner war weniger Altruismus als das nötige Zusammenhalten in einem von Plan- und Mangelwirtschaft gezeichnetem Land. Sicher hat man sich das auch ein wenig schöner geredet als es tatsächlich war. Aber so ehrlich und realistisch sollte man schon sein.
Allerdings kann ich Deinen ersten Satz nach dem Studium des Artikels gut verstehen. Auch ich empfinde es so, dass die Ossis von Herrn Biller als Wurzel allen Übels gesehen werden. Aber war und ist es denn wirklich so, dass nur die eine Seite die andere negativ beeinflusst? Ist es nicht eher ein Wechselspiel - man beeinflusst sich gegenseitig durchaus positiv aber auch negativ. Das Klischee vom Jammer-Ossi und Besser-Wessi wird durch diesen Artikel wohl in großen Teilen der Bevölkerung weiter bestätigt.
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