Sittenwidriger Stundenlohn

vom 27.02.2009, 20:59 Uhr

Hallo!

Ich habe gerade zufällig etwas im Internet gelesen. Und zwar hat eine Arbeitslose Hartz 4 Empfängerin sich geweigert einen Job mit einem Stundenlohn von 4,50 Euro anzunehmen. Ihr Arbeitslosengeld wurde daraufhin 3 Monate lang um 30 % gekürzt.

Sie hat dagegen Klage eingereicht. Und das Sozialgericht in Dortmund hatte der Frau recht gegeben. Das Gericht sagte das der Stundenlohn sittenwidriger Lohnwucher ist. 9,82 ist der niedrigste Tariflohn und von 4,50 sehr weit davon entfernt und das wäre nicht zumutbar.

Was heißt das jetzt? Muß man jetzt auch keinen 1 Euro Job mehr annehmen? Ist das jetzt ein neues Gesetz wenn das Sozialgericht in Dortmund so entschieden hat?

Grüße!

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» lissy02 » Beiträge: 621 » Talkpoints: -0,03 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Hi,

Ich habe von diesem Urteil schon am Mittwoch im Radio gehört. Dort hieß es, dass es sich bei dem Stundenlohn von 4,50 Euro um den Bruttolohn handelt. Wenn ich das mal auf eine Teilzeitstelle mit 30 Wochenstunden hochrechne, komme ich auf einen Monatslohn von 540 Euro brutto. Im schlechtesten Fall (also mit Steuerklasse 1 ohne Kinder und mit allen dazu gehörigen Abzügen inklusive Kirchensteuer) ergibt das einen Nettolohn von rund 428 Euro.

Zum Vergleich: Ein Ein-Euro-Jobber darf maximal 30 Stunden in der Woche arbeiten und bekommt dafür eine Art Aufwandsentschädigung, die zwischen einem und 2,50 Euro liegt. Im Optimalfall verdient man also bei einem sogenannten Ein-Euro-Job also 300 Euro dazu, unabhängig davon, wie viele Familienmitglieder noch vorhanden sind. Gehen wir aber zur besseren Vergleichbarkeit mal davon aus, dass die gleichen (von mir angenommenen) Voraussetzungen wie im ersten Fall bestehen.

In beiden Fällen kommt die ARGE nicht umhin, der betreffenden Person weiterhin (ergänzendes) Hartz IV zu zahlen, damit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten kann. Für beide besteht also (vorerst) nicht die Möglichkeit, sich aus der Abhängigkeit des Amtes frei zu kämpfen. Insofern kann ich die Klage der Frau, um die es hier geht und das Urteil des Sozialgerichtes Dortmund noch nachvollziehen.

Auf der anderen Seite sind Ein-Euro-Jobs zeitlich befristet für maximal ein Jahr und können nur im Einzelfall verlängert werden. Die Arbeiten werden im gemeinnützigen Bereich vergeben und es sind keinerlei Aufstiegsmöglichkeiten gegeben. All dies ist im vorliegenden Fall nicht so. Selbst bei einem befristeten Arbeitsvertrag hätte die Frau nicht nur gemeinnützige Arbeit vorweisen können, sondern sie hätte für das weitere Berufsleben wichtige Berufserfahrungen gesammelt und hätte ggf. über Fortbildungen eine bessere Qualifikation erreichen können. Dies hätte wiederum dazu geführt, dass sie bei kommenden Bewerbungen eher in die engere Auswahl gekommen wäre und vermutlich auch auf ein höheres Gehalt hätte hinarbeiten können. Auf lange Sicht hätte sich ihr also die Chance geboten, aus der Hartz IV-Falle heraus zu kommen.

Unter diesen Voraussetzungen komme ich nur zu einem persönlichen Fazit: Es ist ein Witz, dass die Frau nicht bereit war, eine Arbeit mit mit einem Stundenlohn von 4,50 anzunehmen. Und es ist ein noch viel größerer Witz, dass sie vor Gericht damit durchgekommen ist.

» Sunny08 » Beiträge: 228 » Talkpoints: 0,56 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Den Kommentar vor mir überspring ich mal größtenteils!

Es ist natürlich nicht so, dass ALG II Empfänger jetzt keinen 1 Euro Job mehr annehmen müssen und es gibt auch kein neues Gesetz. Das Problem hierbei ist, weswegen das Sozialgericht tendenziell richtig geurteilt hat, dass durch sittenwidrige Stundenlöhne Tariflöhne untergraben und so feste sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen und Jobs gefährdet werden - hier hat das Gericht also zu Recht entschieden.

Oder leichter verständlich: Zur Einführung der 1 Euro Jobs wurde von vielen Arbeitnehmern die Befürchtung geäußert, dass die Arbeitgeber auf die wesentlich billigeren 1 Euro Jobber zurückgreifen würden und somit die "teuren" Arbeitskräfte durch diese verdrängt werden. Damit genau das nicht passiert und kein Lohndumping durch ALG II 1 Euro Jobber einsetzt und vor allem tariflich abgesicherte Arbeitskräfte verdrängt werden durch die Unterschreitung des Stundenlohns wäre die Beschäftigung von 1 Euro Jobbern in diesem Fall sittenwidrig (=Lohndumping)! Daher auch das "Lob" der Gewerkschaft NGG an die Richter und das Urteil.

Sunny08 hat geschrieben:Die Arbeiten werden im gemeinnützigen Bereich vergeben und es sind keinerlei Aufstiegsmöglichkeiten gegeben. All dies ist im vorliegenden Fall nicht so

So ein Unfug aber auch - aber wenn Du Dich so gut mit dem Fall auskennst kannst Du uns allen ja mal erklären, inwiefern die Stelle als Mitarbeiter im Verkauf bei einem aus Funk und Fernsehen bekannten Textildiscounter als gemeinnützige Arbeit anzusehen ist, da bin ich mal wirklich gespannt!

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Das heisst zu einen: Die Frau hat sich dagegen gewehrt zu einer Arbeit verdonnert zu werden, bei der sie stark unterbezahlt wäre und dies auch noch mit dem ausdrücklichen Segen der Arge. Was sinnvoll ist denn:
- Nicht nur die Arbeit, auch der Lohn sollte zumutbar sein
- durch das erzwingen der Annahme von solchen Stellen fördert die Arge eigentlich nur weitere Kundschaft zutage, denn so belohnt sie Arbeitgeber, die zwar Arbeit, aber keinen Lohn vergeben wollen und bestraft alle Arbeitnehmer, die sagen "Ich würde gerne von meiner Arbeit leben können. Ohne staatliche Hilfe."

Zum anderen hat dies nichts mit den 1-Eurojobs zu tun, welche zum größten Teil nur einer Sache dienen: Die Leute für ne Weile aus der Statistik zu bekommen. Abgesehen von einigen wenigen Projketen sind die meisten 1-Euro Jobs Augenwischerei und verbrennen nur die Zeit anderer Leute. Und: Sie hinterlassen echt blöde Lücken, denn in den Lebenslauf kann man die ja wohl kaum ernsthaft reinschreiben ....

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» Nephele » Beiträge: 1047 » Talkpoints: 2,22 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



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