Wozu eine Berufsunfähigkeitsversicherung? Warum bis 65?
Hallo zusammen,
heute habe ich mal wieder bei einem Kunden gesessen, mit dem ich ca 2 Stundenlang über eine Berufsunfähigkeitsversicherung gesprochen habe. Dabei sind einige Fragen aufgetaucht, wie z.B: Wozu brauche ich eine Berufsunfähigkeitsversicherung? oder Warum muss diese denn bis 65 laufen? Reicht denn bis 60 nicht aus?
Ich möchte jetzt auch mal hier im Forum meinen Senf dazu geben: Eine Berufsunfähigkeitsversicherung soll den Fall versichern, dass ich entweder in meinem erlernten/ausgeübten Beruf nicht mehr arbeiten kann, weil ich durch Krankheit oder durch einen Unfall nicht mehr in der Lage dazu bin, oder sie soll den Fall der vollen Erwerbsunfähigkeit absicher, dass ich eben durch Krankheit oder Unfall gar nicht mehr arbeiten kann.
Soweit so gut. Woher weiß ich, wieviel Euro diese Versicherung zahlen soll?
Also: Eine Berufsunfähigkeitsversicherung soll für einen Arbeitnehmer eine Ergänzung zum Schutz der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente sein. Diese Erwerbsminderungsrente zahlt ca 36% des Bruttoeinkommens als monatliche Rente aus. Das beudeutet für einen Arbeitnehmer, der 2000 € Brutto hatte, dass er im Schadenfall noch 720 € Erwerbsminderungsrente bekommt. Zu seinem ehemaligen Nettoeinkommen (ca 60% vom Brutto) fehlen ihm damit ca. 480 €). Das bedeutet, dieser Arbeitnehmer sollte eine Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 500 € abschließen. 500 € sollte man deshalb wählen, da ein normaler Arbeitnehmer im Laufe der Jahre auch mal eine Gehaltserhöhung bekommt, und diese damit direkt mit versichert ist.
Für Selbständige sieht die Lage noch etwas anders aus. Diese haben in aller Regel gar keinen Erwerbsminderungsrentenanspruch, oder nur einen sehr geringen, wenn sie vorher einmal ein Arbeitnehmer gewesen sind, und sich die Ansprüche aufrecht erhalten (das kann man mit entsprechenden Beiträgen an die BFA). Das heißt für sie also, dass sie Ihre Arbeitskraft voll absichern müssen, sprich ihren monatlichen Gewinn.
Warum sollte ich diese Versicherung bis zum Endalter 65 abschließen?
Bis vor einigen Jahren war es so, dass jemand, der erwerbsgemindert ist schon ab 60 in Rente gehen konnte, ohne dabei gewaltige Abzüge in Kauf nehmen zu müssen. Für die jüngere Generation (also alle die nach 1952 geboren wurden) gilt das nicht mehr. Sie können im Falle der Erwerbsminderung erst mit 65 in Rente gehen. Das bedeutet, wenn man eine Berufsunfähigkeitsrente bis zum Endalter 60 hat, dann hängt der Arbeitnehmer mal eben 5 Jahre in der Luft und bekommt nur seine kleine Erwerbsminderungsrente. (In diesem Beispiel fehlen ihm also: 500€ * 12 Monate * 5 Jahre = 30.000 €) 30.000 € kann sich auch fast jeder mal so eben aus den Rippen schneiden.
Mein Anliegen, warum ich das hier heute schreibe, ist nicht nur, dass ich euch das mal erzählen will, sondern auch der Hinweis darauf, dass ganz viele Versicherer bzw. Vermittler es heute noch nicht geschnallt haben, dass man sowas bis 65 abschließen MUSS, wenn man den Kunden vernünftig beraten will.
Das Beste beispiel hierfür sind immer die "Maklergesellschaften". Ich nenne sie lieber Drückerkolonnen. Vielleicht kann sich der ein oder andere denken, wen ich meine. Ich spreche es selber nicht aus. Da werden den jungen Menschen Versicherungspolicen aufs Auge gedrückt, die nur bis maximal zum 60. Lebensjahr laufen aber eben auch billig sind. Wer sich nicht mit dem Thema beschäftigt. der weiß es eben auch nicht besser. Es ist traurig und auch schlimm für den, den es betrifft.
Achja, falls jetzt wieder Argumente kommen: das wird doch auf die Grundsicherung angerechnet etc... Darauf sage ich nur: (auch auf die Gefahr hin, dass mich einige von euch gleich hassen werden) wer sich mit der Grundsicherung im alter zufrieden gibt, der hat sich selbst aufgegeben.
Gruß Jasper
Nur haben diese ganzen tollen Versicherungen ein gewaltiges Problem. Die zahlen auch nur, wenn sie etwas einnehmen. Solange es also genug Naivlinge gibt, die sich versichern, kann man denen, deren Versicherung fällig wird, auch etwas auszahlen.
Wenn jetzt aber überall die Löhne sinken und immer weniger arbeiten, dann haben "private Versicherungen" das gleiche doofe Problem wie die staatliche Rente, sie sind nicht mehr finanzierbar.
Richtig doof ist aber, dass der privat versicherte Mensch noch dümmer dastehen wird, als der Rentner mit der Ministaatsrente. Denn bei der Staatsrente zahlen sich die "Versicherten" gegenseitig. Macht hier nicht soviel, weil alle einzahlen müssen.
Bei den privaten Versicherungen zahlen aber nicht alle ein, sondern nur die Kunden des jeweiligen Unternehmens. Das sind meistens deutlich weniger "Kunden" als beim Staat, der hat nämlich fast alle Kunden sowieso im Boot.
Und bei den privaten Versicherungen müssen für jede einzelne Versicherungsfirma Verwaltungskosten und Gewinne gezahlt werden, schmälert die Rente also nochmal.
Wenn also staatliche Renten die Leistung mindern, dann zeigt das ganz deutlich, dass die privaten Renten ebenfalls abschmieren werden-weil sie das gleiche Prinzip haben. Selbst bei "Risikostreuung" kann das nicht abgewendet werden, weil wenn keiner ausreichend bezahlte Arbeit mehr bekommt oder generell immer weniger arbeiten (wenn immer mehr für weniger arbeiten, dann ist das faktisch das Gleiche), dann können diese Gewinne zur Risikominimierung nicht erwirtschaftet werden.
Ich würde niemandem eine solche Versicherung empfehlen, bevor nicht klar ist, wie die staatlichen Renten garantiert werden. Da die zukünftig immer kleiner werden, kann die private Rentenabsicherung zwangsläufig nicht funktionieren, spätestens dann nicht, wenn alle privat versichert sind. Dann haben wir nämlich das gleiche wie bei staatlicher Rente, nur mit noch kleineren Renten, weil die Gewinne der Versicherer abgezogen werden müssen.
@Rockefeller: Das System der privaten und der staatlichen Rente lässt sich eben nicht so leicht vergleichen.
Das System der staatlichen Rente wurde irgendwann einmal vom Kapitaldeckungsverfahren auf das Umlageverfahren umgestellt, weil es aus damaliger Sicht die höheren Erträge verprach. Umlageverfahren bedeutet, dass die aktuellen Steuerzahler auch die aktuelle Rentner bezahlen. Das hat damals besser funktioniert, weil es weniger alte Leute als arbeitende Leute gab und die Verzinsung auf dem Kapitalmarkt (worauf das Kapitaldeckungsverfahren baut) sehr schlecht war. Die Vorzeichen haben sich aber drastisch geändert, der Kapitalmarkt bot (und wird wohl wieder) sehr lohnende Verzinsungen bieten und der demografische Wandel verursacht eine große Versorgungslücke durch steigende Rentnerzahlen, hohe Arbeitslosigkeit und verhältnismässig weniger Arbeitnehmer.
Der Knackpunkt ist nun, dass die Umstellung von Kapitaldeckung zu Umlageverfahren relativ einfach möglich ist, der Rückwechsel aber drastisch und ohne enorme Ungerechtigkeit der Verteilung zwischen den Generationen nicht durchführbar ist! Und hier kommt die private Vorsorge ins Spiel: Sie nutzt nämlich in der Regel auch das Kapitaldeckungsverfahren und hat deshalb wenig mit staatlichen Krisen zu tun. Klar ist natürlich, dass die Finanzkrise der privaten Vorsorge nicht gerade geholfen hat... das ist aber ne andere Geschichte...
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