Referat Maria Bidlingmaier - Sozialwissenschaftlerin

vom 19.11.2008, 10:04 Uhr

Maria Bidlingmaier (1882-1917):
„Die Bäuerin in zwei Gemeinden Württembergs“, 1918, Tübingen (postum)

„...eine liebevolle Kleinmalerei mit erfrischendem Erdgeruch und doch zugleich von hohem wissenschaftlichen Interesse“ (VII, Vorwort Dr. Carl Johannes Fuchs)

Maria Bidlingmaier wird in denkbar günstige Verhältnisse hineingeboren. Ihr Vater ist Lehrer und erzieht seine Kinder liberal, die Mutter ist klug und selbstsicher. Von den insgesamt sieben Geschwistern studieren fünf, trotz der finanziell schlechten Situation, drei davon sind ebenfalls Frauen. Maria studiert Staatswissenschaft und promoviert schließlich in Tübingen bei Prof. Dr. Carl Johannes Fuchs. Zwar hatten vor ihr bereits fünf Frauen bei Prof. Fuchs promoviert, jedoch ist sie die erste die zu einem Frauenthema promoviert.

Bereits an diesen wenigen Tatsachen lässt sich das besondere an Maria Bidlingmaier erkennen. Der großbürgerlichen Herkunft der meisten ersten Studentinnen kann sie nur ihre ländliche Herkunft entgegensetzen die sie jedoch immer selbstbewusst erinnert. Ihr Studium beginnt Maria in München, sie beteiligt sich rege am studentischen Leben, und trägt wie viele junge Studentinnen Hosen. Dies sorgt in ihrem Heimatdorf Lauffen für einen kleinen Skandal. Die Pietisten, denen auch ihr Vater angehört, ermahnen ihren Bruder Bidlingmaier wegen der Kleidung und des Lebenswandels seiner Tochter. Er entgegnet: „Dann ist mir euer Gott zu klein“. Maria Bidlingmaier scheint mit einer ähnlichen Mentalität an ihre erste Forschungsarbeit herangegangen zu sein.

Der Gegenstand ihrer Untersuchung ist ihr Heimatort Lauffen, welchen sie mit dem kleinstädtischen Kleinaspach vergleicht. Maria Bidlingmaier interessiert hierbei der Vergleich der Bäuerinnen und inwieweit die Rationalisierung und Geldwirtschaft die Bäuerin als landwirtschaftlich tätige Frau mitergreift. Die Materialien die sie für diesen Vergleich benötigt beschafft sie zum großen Teil selbst. Sie kann zwar auf einige wenige Daten vom Statistischen Landesamt Stuttgart und den württembergischen Familien-Chroniken zurückgreifen, ihre Hauptquelle bilden jedoch die von ihr durchgeführten Befragungen der einzelnen Familien. Maria Bidlingmaier nennt dies die „persönliche Fühlungnahme mit den Familien selbst“.

Zunächst sollen alle Lauffener Bauernfamilien befragt werden, doch Maria Bidlingmaier erkennt, dass die Befragung aller Familien die Kraft einer Person übersteigt. Pro Befragung muss sie mit vier bis fünf Stunden rechnen, wozu allerdings nur der Abend oder die Wintermonate genommen werden können, da sie den bäuerlichen Betrieb nicht stören kann und will. Sie befragt 113 Familien, allein in ihrem Heimatort. In ihrem Vergleichsort Kleinaspach lebt und arbeitet Maria Bidlingmaier zunächst auf einem Hof mit, um eine Vertrauensbasis zu schaffen. Hieraus zieht sie nicht nur wissenschaftliche Erkenntnis, sondern auch die persönliche Erfahrung des Lebens einer Bäuerin. Nur so wird ihr ermöglicht alles, bis hin zu den Essensgewohnheiten und der Art der Kleidung aufzuzeichnen und auszuwerten.

Aus all ihrem persönlichen Einsatz und Anteilnahme am Forschungsobjekt entwickelt Maria Bidlingmaier eine Schilderung des Lebens der Bäuerin die sowohl sehr exakt und analytisch ist, als auch beinahe erschreckend nah an den einzelnen Bäuerinnen. Die Fühlungnahme, die sie selbst den Bäuerinnen entgegengebracht hat, wird durch ihren Schreibstil und das passende Gegengewicht von Text und Tabellen an den Leser vermittelt. Dies ist der Erdgeruch den ihr Doktorvater so sehr an ihrer Forschungsarbeit schätze. Doch dieser Erdgeruch bedeutet auch, die konkrete Arbeit der Bäuerinnen adäquat wiederzugeben und zu beschreiben.

Hierbei reduziert Maria Bidlingmaier ihre Untersuchung nicht auf die Beschreibung der Arbeit an sich, sondern schafft es durch ihren Analysen alle Dimensionen der Einflussnahme der Arbeit auf das Leben der Bäuerin aufzuzeigen. Ihre Forschung geht sogar noch einen Schritt weiter, konkrete Nutzanwendung wissenschaftlicher Erkenntnis spielt für Maria Bidlingmaier ebenfalls eine große Rolle. Daher ziehen sich durch ihre gesamte Forschungsarbeit immer wieder Ansätze wie die Situation der Bäuerin zu verbessern sei, auch vor praktischen Tips macht sie nicht halt. Hierdurch wird deutlich, dass sie Forschung als Mittel zum gesellschaftlichen Wirken sieht, hierin wurde sie auch von ihrem Doktorvater bestärkt.

Maria Bidlingmaier merkt man vor allen Dingen an, dass sie Respekt und Achtung vor ihrem Forschungsobjekt hat. Sie schreibt nicht über Bauernkultur oder Volkstumpflege, sondern möchte genau das Gegenteil bewirken, Aufklärung über die Situation der Bäuerinnen und die konkrete Veränderung die sie erfahren schaffen. Daraus entstanden ist eine lebhafte Schilderung der Verhältnisse vor dem ersten Weltkrieg.

Werkbibliografie:
Maria Bidlingmaier: Die Bäuerin in zwei Gemeinden Württembergs. Kirchheim 1990

Zu Maria Bidlingmaier:
Christel Köhle-Hezinger: Maria Bidlingmaier. Staatswissenschaftlerin und Bäuerinnenforscherin. In: Frauen im deutschen Südwesten. Hrsg. von Birgit Knorr und Rosemarie Wehling. S.249-255

Falls jemand noch weitere Quellen kennt bin ich sehr daran interessiert mehr zu erfahren. :)

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