Referat über Jean-Paul Sartre (Philosophie)
Ein Referat über sein Leben und seine Philosophie, sowie Kritikansätze zu seinen Ideen:
1) Einleitung
Jean-Paul Sartre war wahrhaftig ein beeindruckender Mann. Er war nicht bloß ein Philosoph, seine Persönlichkeit war wirklich vielseitig, neben seinem Dasein als Denker verfasste er Theaterstücke und engagierte sich in der nationalen, aber auch internationalen, Politik. Er ist als bedeutendster Intellektueller des Nachkriegsfrankreichs bekannt und hat viele Menschen mit seinen Ansichten beeinflusst und ihr Leben geprägt. Ich möchte nun sein beeindruckendes Leben schildern und mich all den Bereichen seiner Tätigkeiten widmen, mich allerdings klarerweise ein wenig auf die philosophischen Veröffentlichungen konzentrieren:
2) Sein Leben
Jean-Paul-Charles-Eymard-Léon-Eugène Sartre wurde am 21. Juni 1905 in Paris in eine gutbürgerliche Familie hineingeboren. Sein Vater Jean-Baptiste Sartre war Marineoffizier, seine Mutter war teils deutscher Abstammung und war eine Cousine Albert Schweitzers. Der deutsche Teil der Familie sollte Jean-Paul später noch in seiner Denkweise beeinflussen. Als Sartre ein Jahr alt war starb sein Vater an einer Tropenkrankheit und seine Mutter Anne-Marie zog mit ihm zurück nach Elsass zu ihren Eltern. Sartre genoss während seiner Kindheit Privatunterricht von seinem Großvater Charles Schweitzer, der an einem Gymnasium das Fach Deutsch unterrichtete. Schon in sehr frühen Jahren erlitt Jean-Paul eine Linsentrübung im rechten Auge, das in der Folge dadurch erblindete. Er begann immer stärker zu schielen. Durch den Privatunterricht schrumpften seine sozialen Kontakte schließlich immer weiter, sodass er bald keinen Umgang mit Menschen außerhalb der Familie hatte, in der er jedoch das einzige Kind war. Dies führte wiederum dazu, dass er ständig umsorgt war, man kann Jean-Paul durchaus als glückliches Kind beschreiben, Langeweile kannte er nicht. Er war es gewöhnt, in seiner Familie im Mittelpunkt zu stehen, was ohne Zweifel zu einem Narzissmus führen musste. Sein Lernfortschritt wurde von verschiedensten Hauslehrern gefördert und mit 10 Jahren wechselte er auf das berühmte französische Gymnasium „Lycée Henri-IV“. Bereits sehr früh konnte sich Jean-Paul für Literatur begeistern. Die Bibliothek im Hause Schweitzer wurde zu seinem besten Freund, er bevorzugte es zu lesen, anstatt seine Zeit mit Altersgenossen zu „vergeuden“.
Als 12-jähriger Junge wurden Jean-Paul abermals seine ohnehin dürftigen sozialen Kontakte genommen, da er mit seiner Mutter, die erneut geheiratet hatte, zu deren neuen Mann nach La Rochelle zog. Jean-Paul kam mit dem Ehemann seiner Mutter gar nicht gut zurecht, Streit stand sehr oft am Programm.
1920 wurde Jean-Paul deshalb nach Paris zurückgeschickt, wo er wieder das Lycée Henri-IV besuchte, diesmal allerdings als Internatsschüler. Er schloss Freundschaft mit Paul Nizan, der die Literatur als Leidenschaft teilte und später auch ein Schriftsteller wird. Zusammen mit Nizan beschloss Sartre nach seinem „bac“ (vergleichbar mit Matura) sich an der Eliteschule „École Nationale Superieure“ zu versuchen.
Bereits als 18-Jähriger gelang es Sartre einige Novellen in kleineren Zeitschriften zu publizieren und etwa zur gleichen Zeit begann er sich mit der Philosophie auseinanderzusetzen. Das folgende Jahr war ein außerordentlich wichtiges für Jean-Paul, er musste die Aufnahmeprüfung für die ENS bestehen, was ihm auch mit Bravour als sechstbester seines Jahrganges gelang. Seine Freundschaft mit Nizan blieb weiter bestehen, da dieser auch aufgenommen wurde und sich die beiden ein Zimmer teilten. Die Zeit an der ENS waren durchaus mit Stress verbunden. Neben Kursen in Psychologie, Metaphysik, Latein, Moralphilosophie, Soziologie und Logik, bildete Sartre auch endlich einige Interessen neben der Literatur aus. Er interessierte sich sehr für die Medien aus Amerika (das Kino, sowie die Jazz-Musik) und nahm Boxstunden, da er den Spitznamen „le petit homme“ (der kleine, mickrige Mann) loswerden wollte.
Schon während dieser Zeit an der ENS stempelte ihn sein Stiefvater als hoffnungslosen Kommunisten ab, nicht ganz unberechtigt, wie sich in der Folge noch herausstellen sollte. Sartre war im Gegensatz zu Nizan kein Mitglied der Kommunistischen Partei, sympathisierte jedoch mit dieser und verweigerte die Ausbildung zum Reserveoffizier. In Sachen Liebe hatte Sartre keine allzu glückliche Hand, er strebte eine Beziehung mit einer entfernten Verwandten aus Toulouse an, wurde allerdings bitter enttäuscht. Dieses Leiden verarbeitete Jean-Paul in seinem ersten erfolgreichen Roman „La Nausée“ (Der Ekel).
In jener Zeit entwickelte er auch seine ersten philosophischen Ideen, er war der Meinung, das der Mensch selbst entscheiden könne, was er aus seinem Leben machen will, Schicksal oder höhere Mächte gäbe es nicht.
1928 versuchte Sartre als Gymnasialprofessor eine Anstellung zu finden, landete allerdings bei den Ausscheidungen aus nicht zur Gänze geklärten Gründen nur auf Platz 50. Durch die Hochzeit seines Kollegen Paul Nizan und seine schlechten Erfahrungen in Sachen Liebe ein wenig in seiner Ehre verletzt, war Sartre der Meinung, er müsse sich nun auch verheiraten. Er ließ um die Hand einer Frau anhalten, wurde jedoch abermals abgewiesen. Wenig später lernte er aber bei dem erneuten Versuch einen Platz als Professor zu bekommen seine zukünftige Lebensgenossin Simone de Beauvoir kennen, die mit ihm in einer Arbeitsgruppe war. Sartre schloss die Prüfung diesmal als bester ab, Simone de Beauvoir direkt hinter ihm.
Nach der bestandenen Prüfung trennten sich die Wege von Sartre und de Beauvoir wieder. Sie wurde als Gymnasialprofessorin nach Marseille geschickt, er absolvierte seinen Militärdienst, wo er unter dem Ausbilder Raymond Aron, einem späteren bedeutenden Philosophen diente. Vom Dienst nicht sehr gefordert, schrieb Sartre in dieser Zeit sehr viel und sein Talent wurde von seinem Vorgesetzten Christian Hiver nicht nur geduldet, sondern sogar gefördert. Hiver unterstützte ihn bei vielen seiner Schriftstücke, bevor er im Algerien-Krieg getötet wurde.
1931 nahm Sartre eine Stelle als Professor in Le Havre an. Dennoch blieb Paris das Zentrum seines Lebens und er traf sich dort oft mit Simone de Beauvoir. Die beiden unternahmen auch eine größere Reise nach Spanien, die Sartre vom Erbe seiner Großmutter bezahlte.
Als Lehrer war Sartre nicht überall beliebt. Die Schüler mochten ihn, er war ein interessanter Lehrer, der sie immer zum eigenständigen Denken animierte, aber Sartre konnte die Arroganz, die ihm schon im Kindesalter in die Wiege gelegt wurde, nie ganz abschütteln und war daher beim restlichen Lehrerkollegium ziemlich unbeliebt. Ebenfalls in Le Havre verfasste er eine polemische Streitschrift zum Thema Zufall, da er mit der Schulphilosophie, die er seinen Schülern lehren musste, gar nicht zufrieden war.
1932 unternahm er abermals Reisen mit Simone de Beauvoir, diesmal in die Bretagne, nach Spanien und nach Marokko. Ein glücklicher Zufall führte zu einer Versetzung von de Beauvoir nach Rouen, sodass sich die beiden öfter sehen konnten. Gemeinsam beschäftigten sie sich mit der Psychoanalyse von Siegmund Freud. Sartre beschäftigte sich des Weiteren mit Edmund Husserls Phänomenologie, die er in seinem philosophischen Frühwerk „L’Être et le Néant“ (Das Sein und das Nichts) aufgreift. Er entdeckte aber auch die Romane von Ernest Hemingway.
Die gemeinsamen Reisen mit de Beauvoir prägten Sartre ungemein und fanden jedes Jahr statt. 1933 bereiste man London und Italien. Im Herbst desselben Jahres ging er für ein Jahr nach Berlin ans Institut Francais. Hier las er ausgiebig deutsche Philosophen, wie zum Beispiel Heidegger, Husserl, aber zum Beispiel auch Kafka. Für die politischen Verhältnisse in Deutschland interessierte sich Sartre nur wenig, die Machtübernahme durch Hitler sah er nur als ungefährlichen Spuk an. Nach seinem Jahr in Deutschland reiste Sartre mit Simone de Beauvoir durch Deutschland, Österreich und die Tschechoslowakei. Diese Reisen machten ihn nicht nur mit fremden Philosophen, sondern auch mit fremden Kulturen vertraut und erweiterten sein Blickfeld mit Sicherheit enorm.
Als er 1934 wieder nach Le Havre zurückkehrte verfiel er in eine depressive Stimmung, die durch die allgemeinen Missstände, die durch die Weltwirtschaftskrise ausgelöst worden waren, ausgelöst wurde. 1935 kamen zu seiner Depression auch noch Wahn- und Panikattacken hinzu, da er sich für eine Arbeit über Vorstellungskraft von einem befreundeten Arzt Meskalin spritzen ließ. Sartre musste sich einer zweiwöchigen psychologischen Behandlung unterziehen.
Obwohl Sartres Roman, den er in Berlin begonnen hatte und 1936 fertig stellte, keinen Verlag fand, widmete sich Sartre weiter den erzählenden Texten, nicht zuletzt bestärkt von Simone de Beauvoir. Nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges zog Sartre in Erwägung, sich für die antifaschistischen Internationalen Truppen zu melden, verwarf diese Idee allerdings wieder, als er eine Stelle in der Nähe von Paris angeboten bekam.
Den Spanischen Bürgerkrieg verarbeitete Sartre in „Le Mur“ (Die Wand) und auch für seinen Berlin-Roman („La Nausée“) konnte er schließlich 1937 einen Verlag finden. Ende 1937 wurden sowohl Sartre als auch Simone de Beauvoir nach Paris versetzt und teilten sich 2 Zimmer in einem Pariser Hotel. Heiraten kam für die beiden nicht in Frage, Simone de Beauvoir wollte das Ideal einer emanzipierten Frau nicht aufgeben, welches für sie nicht mit der Rolle als Mutter oder Ehefrau zu vereinbaren war. Die beiden schliefen immer in getrennten Zimmern und siezten sich bis an Sartres Lebensende.
Sartres Romane „La Nausée“ und „Le Mur“ fanden bei der breiten Masse überraschenderweise sofort Anklang und so schrieb Sartre 1939 auch eine Artikelserie für die renommierte französische Zeitschrift „Nouvelle Revue Francaise“.
Obwohl Sartre bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich durch und durch Idealist war, fühlte er sich von der Bedrohung durch das angrenzende Hitlerdeutschland dazu gezwungen, sich in Zukunft auch politisch zu engagieren. Als Frankreich Deutschland Ende 1939 den Krieg erklärte, wurde Sartre eingezogen und geriet mit seiner Truppe in deutsche Gefangenschaft. Dort wurde ihm das Manuskript für „L’Âge de Raison“ abgenommen, das man ihm jedoch später wieder zukommen ließ. In Frankreich wurde ein rechtsradikales Staatssystem errichtet, während Sartre im Gefangenenlager weiter an seinen Werken arbeitete. 1941 kam er aufgrund seines Augenleidens frei, da er für die Schwerarbeit in Deutschland damit anscheinend nicht fähig war. Zusammen mit Simone de Beauvoir gründete er die Widerstandsbewegung „Socialisme et liberté“ (Sozialismus und Freiheit), mit der er sich gegen das Vichy-Regime auflehnen wollte. Weiters bemühte er sich um Kontakte zu den Kommunisten, diese misstrauten ihm aber wegen der allzu schnellen Freilassung und hielten ihn für einen deutschen Spitzel.
Auf einer Reise ins unbesetzte Südfrankreich verfasst Sartre den Aufbau für „Les Mouches“ (Die Fliegen), ein Stück, das von Orest handelt, ein Held, der einen Tyrannen tötet, beim Volk jedoch auf Unverständnis stößt. Parallelen zu Sartre selbst sind durchaus zu erkennen, da er schon bald seine Widerstandsgruppe auflöste und sich enttäuscht der Literatur widmete. Er stellte die Fliegen fertig und begann an seinem philosophischen Hauptwerk „L’Être et le néant“ zu schreiben. Als die Niederlage Deutschlands ziemlich sicher schien und sich deshalb in Frankreich der Widerstand neu formierte, wurde auch Sartre wieder aktiv und schloss sich dem Nationalkomitee der Schriftsteller an. 1943 erschien sowohl „Les mouches“, als auch „L’être et le néant“ und letztendlich sein wohl erfolgreichstes Stück „Huis clos“ (Geschlossene Gesellschaft), welches ihm Anerkennung in intellektuellen Kreisen brachte und ihn endgültig zu einer zentralen Persönlichkeit des Intellektuellen Paris machte.
Schließlich erschien 1946 Sartres zweites philosophisches Werk „L’existentialisme est un humanisme“ (Der Existentialismus ist ein Humanismus), was ihn eindeutig zum tonangebenden Intellektuellen der Nachkriegszeit machte. Seine beiden philosophischen Werke bildeten den Grundstein für den Existentialismus, dessen Grundaussage war: Der Mensch wird durch die Geburt in seine Existenz geworfen, was er aus seinem Leben macht, bestimmt er allerdings selbst durch aktives Handeln. Bis 1950 verfasste Sartre noch eine Vielzahl an Romanen und gründete auch eine eigene Zeitschrift mit dem Namen „Les Temps Modernes“ (Moderne Zeiten), welcher auf den Film „Modern Times“ mit Charlie Chaplin anspielen sollte.
Auch politisch blieb Sartre aktiv: 1948 gründete er eine Partei zwischen Kommunismus und Sozialismus, 1950 bekannte er sich zum Kommunismus, schwärmte von den totalitären Regimes in der Sowjetunion, sowie in China, 1956 wandte er sich wieder vom Kommunismus ab, da er die Intervention in Ungarn nicht gutheißen konnte. 1968 unterstützte er die linken Studenten bei ihren Aufständen („Mai-Revolution“).
Auch schrieb er noch einige Romane, Essays und Artikel, jedoch war seine Hauptrolle nicht mehr die des Aktivisten oder Autoren, sondern die eines intellektuellen „Vordenkers der Nation“, der sich den Problemen des Landes widmete und sich für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzte (Vietnam, Kolonialkriege).
1964 wurde ihm schließlich der Nobelpreis für Literatur verliehen, obwohl er schon im Vorhinein gesagt hatte, er würde diesen nicht annehmen. Er hat diesen Preis auch abgelehnt, da er der Meinung war, man kann zwei völlig verschiedene Werke nicht vergleichen und eines für besser befinden. Ab 1973 war Sartre praktisch blind und verschwand auch langsam von der internationalen Bildfläche. Aufmerksamkeit erregte er nur mehr gelegentlich bei öffentlichen Auftritten, wie zum Beispiel beim Besuch des Häftlings und RAF-Mitglieds Andreas Baader im Gefängnis in Stuttgart. 1979 ergriff Sartre Partei für die vietnamesischen Flüchtlinge, die auch „Boat People“ genannt wurden.
Als er 1980 schließlich starb, war trotzdem der ganzen Welt klar, dass sie einen bedeutenden Philosophen verloren hatte und bei seiner Beerdigung folgten 50000 Menschen dem Sarg. Niemand würde es wagen, Sartres zentrale Rolle in der Philosophie des 20. Jahrhunderts anzuzweifeln.
3) Seine Philosophie
Da Sartre zu vielen allgemeinen Fragen und Problemen des Staates Stellung genommen hat, erstreckt sich seine gesamte philosophische Tätigkeit ins schier Unendliche. Ich möchte in diesem Teil die grundlegenden philosophischen Standpunkte Sartres erklären und darauf eingehen:
3.1) Existenz und Essenz
Die Existenzphilosophie, deren Vertreter neben Sartre zum Beispiel auch Kirkegaard, Heidegger und Jaspers waren, basiert auf dem Grundsatz: „Das Wesen des Daseins ist seine Existenz“.
„Das Sein und das Nichts“ wird als ein Hauptwerk der Existenzphilosophie betrachtet. Sartre orientiert sich hier an den phänomenologischen Autoren Heidegger und Husserl und seine Ausführungen sind auch von der Philosophie Hegels geprägt. In „Das Sein und das Nichts“ vertritt Sartre den Standpunkt, dass der Mensch zur Freiheit verdammt sei, dass er also bei jeder Handlung eine Entscheidung treffen muss. Selbst die Entscheidung, nicht zu handeln, ist eine Entscheidung.
Sartre streitet alle äußeren Zwänge hierbei ab, seien es nun gesellschaftliche, natürliche oder göttliche. Der Mensch ist für sein Handeln verantwortlich und kann diese Verantwortung nicht abschieben.
Ein weiterer wichtiger Gedankengang aus „Das Sein und das Nichts“ ist der Ausspruch: „Die Hölle, das sind die anderen“. Sartre spricht von einer Manipulation durch Mitmenschen, die den Menschen durch ihre Erwartungen, die sie an jenen stellen, dazu bringt, sich an diese Erwartungen anzupassen. Sartre ist der Meinung, dass der Grund für diese Anpassung bloß die Bequemlichkeit der Menschen ist, die sich lieber in ein Bild einfügen, als sich immer wieder neu zu entwerfen. Dieses Neuentwerfen ist aber absolut notwendig, meint Sartre, indem er sagt: „Die Existenz geht dem Wesen voraus“. Jeder Mensch wird auf die Erde geworfen, muss jedoch seinem Leben durch die Entscheidungen, die er trifft, selbst einen Sinn geben, was Sartres Vorstellung der Essenz entspricht.
Ich gebe Sartre hier teilweise Recht, ich glaube auf jeden Fall, dass der Mensch sich selbst entwerfen muss. Die Qualität des Lebens eines Menschen ist meiner Meinung nach weder Zufall, noch Schicksal, sondern zu einem sehr großen Teil das Produkt aus den Leistungen und Entscheidungen des Menschen. Auch dass der Mensch zur Freiheit verurteilt ist und in jedem Moment seines Lebens Entscheidungen trifft, kann ich nachvollziehen, auch wenn ich der Meinung bin, dass diese Freiheit durchaus positiv zu sehen ist, da der Mensch nur durch diese Entscheidungsfreiheit die Möglichkeit hat, seinem Leben selbst – und nur selbst – einen Sinn zu geben. Wenn Sartre nun jedoch von einer absoluten Unabhängigkeit des Menschen spricht und diese Entscheidungsfreiheit nicht von äußeren Zwängen abhängig macht, dann muss ich ihm in diesem Punkt widersprechen. Der Mensch ist nicht unabhängig von äußeren Einflüssen.
Ein Beispiel: Herr B. befindet sich auf seinem Weg zur Arbeit, er hat die Entscheidung getroffen, heute zu arbeiten, als er die Wahl hatte entweder aufzustehen oder liegen zu bleiben. Herr B. ist nämlich der Meinung, man muss diese Entscheidungen treffen und je ehrgeiziger ein Mensch ist, desto weiter kommt er auch. Was der Mensch aus sich macht, ist allein von ihm abhängig, äußere Umstände können ihn nicht davon abhalten. Herr B. ist übrigens sehr gebildet und hat viele Bücher von Jean-Paul Sartre gelesen. Nun befindet sich besagter Herr B. gerade in der Straßenbahn, die er jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit benutzt. Plötzlich greift der Mann, der hinter Herrn B. sitzt in seine Tasche, zieht eine Pistole heraus, drückt ab und Herr B. lebt nicht mehr. Herr B. hat den Mann nicht sehen können, er war doch hinter ihm, er konnte auch nichts hören, der Lärm den die Straßenbahn verursachte war zu groß. Hat nun Herr B. die Entscheidung getroffen zu sterben? Natürlich nicht, er konnte doch gar nicht wissen, was der Mann hinter ihm macht. Die einzige Entscheidung, die Herr B. in diesem Moment getroffen hatte, war es, ruhig sitzen zu bleiben, da er keinen Anlass hatte, etwas anderes zu tun. Herr B. ist also tot und zwar nicht, weil er die Entscheidung getroffen hat, zu sterben, sondern weil das Handeln und die Entscheidungen von Mitmenschen den Menschen doch in seiner Freiheit einschränken.
3.2) An-Sich-Sein und Für-Sich-Sein
Der Kerngedanke von Sartres Hauptwerk „Das Sein und das Nichts“ ist die Aufspaltung des menschlichen Seins in zwei Teilstücke. Bei allen nichtmenschlichen Wesen ist das gesamte Sein lediglich ein An-Sich-Sein. An-Sich-Sein bedeutet, dass Tiere und Pflanzen nur das sind, was sie sind, sie sind also mit sich selbst identisch. Natürlich ist auch der Mensch, das was er ist, auch bei ihm ist das An-Sich-Sein die Grundvoraussetzung für das Für-Sich-Sein. Was den Menschen nun jedoch vom Tier unterscheidet und was das Für-Sich-Sein ausmacht, ist, dass der Mensch nicht NUR ist, was er ist, sondern auch das, was er denkt. Es kommt der Faktor des Bewusstseins hinzu, der den Menschen von allem anderen Seienden abhebt. Das Sein des Menschen ist durch das Zusammenspiel von An-Sich-Sein und Für-Sich-Sein charakterisiert. Mithilfe seines Bewusstseins kann der Mensch sich selbst, aber auch andere zum Gegenstand dieses Bewusstseins machen und kann sich sogar selbst negieren, was heißt, dass er sich vorstellen kann, er würde nicht existieren. Dieses Negieren bedarf einer gewissen Distanz zu sich selbst, die wiederum beweist, dass der Mensch nicht nur das ist, was er ist, dass sein Dasein also die Stufe des reinen An-Sich-Seins übersteigt.
Sartre bezeichnet die Existenz von Tieren, Pflanzen und anderen Gegenständen ohne das Vorhandensein eines menschlichen Organismus als eine Seinsfülle. Die Dinge existieren, jedoch wird ihnen kein Name gegeben, niemand unterscheidet sie, da alles Sein ein reines An-Sich-Sein wäre. Sartre verwendet hier das Beispiel der Mondsichel. Ob der Mond zunimmt oder abnimmt, kann man nur sagen, wenn man ihn mit einer vorherigen Situation vergleicht, was nur mithilfe des menschlichen Bewusstseins (oder nach Sartre: des Für-Sich-Seins) möglich ist. Unterscheidung und zeitliche Bestimmung sind daher nur mit dem Dasein eines Bewusstseins gegeben.
Durch das Auftreten eines Für-Sich-Seins ändert sich dies nun, es kommt zu Unterscheidungen, zu zeitlichen Bestimmungen, im Allgemeinen zum Erstreben von Nützlichem und Vermeiden von Schädlichem auf der Welt. Martin Suhr, ein Sartre-Biograph, bezeichnet dieses Bewusstsein als etwas Neues, er meint, dass durch diese Möglichkeit der Unterscheidung Negativität auf der Welt aufgetreten ist, das Nein. Sartre bezeichnet dies als einen Riss im Dasein. Durch das Für-Sich-Sein kann der Mensch einerseits erkennen, was ist, andererseits aber auch, was sein könnte. Aber auch was er ist und was er sein könnte. Der Mensch ist sich seiner Existenz bewusst und kann diese in Frage stellen. Wenn der Mensch erstmal seine Existenz erkannt hat, kann er ihr auch ein Wesen geben („Die Existenz geht dem Wesen voraus“). Der Mensch muss sich also selbst entwerfen und weil das Dasein des Bewusstseins (das Für-Sich-Sein) bis zu seinem Tod vorhanden ist, darf er nie aufhören, sich neu zu entwerfen.
Meine Meinung dazu:
Durch diese Unterscheidung zwischen An-Sich-Sein und Für-Sich-Sein wird der Mensch ohne Frage über alles andere Dasein gestellt. Ich finde die Aussage, dass Unterscheiden erst mit dem Vorhandensein eines menschlichen Organismus anfängt, äußerst fragwürdig. Vielleicht kann ein Tier nicht wissen, ob der Mond zunimmt oder abnimmt (vielleicht kann es das aber auch wissen), dennoch kann ein Tier unterscheiden. Es kann zum Beispiel bei der Beutesuche unterscheiden. Ein Fuchs weiß, dass er einen Hasen problemlos angreifen kann, von einem Löwen allerdings lieber die Finger lassen sollte. Vielleicht kann ein Fuchs auch nicht andere Arten benennen, jedoch kann er auf jeden Fall andere Arten von der Art Fuchs unterscheiden, alleine schon, weil für die Fortpflanzung nur ein anderer Fuchs in Frage kommt. Er kann hierbei sogar zwischen den unterschiedlichen Geschlechtern unterscheiden. Auch die zeitliche Bestimmung kann man nicht als Eigenheit des Menschen betrachten, denn Tiere, die Winterschlaf halten, wissen, wann die Zeit dafür reif ist. Natürlich muss man hierbei bedenken, dass sie wahrscheinlich kein Zeitgefühl haben, sondern dies eher aufgrund von äußeren Einflüssen, wie zum Beispiel Temperatur wissen. Bei der Unterscheidung ist dies jedoch nicht der Fall, ich bin daher der Meinung, dass man die Unterscheidung nicht als Vorhandensein eines menschlichen Organismus deuten kann.
Wenn Sartre allerdings davon spricht, ein Bewusstsein zu haben und sich damit selbst negieren zu können, dann stimme ich mit ihm überein, dass dies nur beim Menschen möglich ist. Mit der Aussage, dass es sich um ein menschliches Wesen handelt, wenn es unterscheiden und zeitliche Bestimmungen durchführen kann, kann ich mich aber aufgrund von den obigen Ausführungen nicht anfreunden. Meiner Meinung nach kann man das Für-Sich-Sein dadurch charakterisieren, dass im Falle des Daseins eines solchen die Unterscheidung nicht nur auf das eigene Überleben beschränkt ist (beim Fuchs hat das Unterscheiden immer einen Einfluss auf sein Leben [Beutefang, Fortpflanzung], der Mensch kann aber auch zwischen vielen Dingen differenzieren, die keinen Einfluss auf seine Lebensqualität haben).
Ich kann mich mit der Existenz dieser zwei Seinsfaktoren also durchaus anfreunden, bin jedoch für eine Modifizierung der Definitionen derselben. Was für mich aber ohne Zweifel richtig ist, ist, dass sich der Mensch immer neu entwerfen und Entscheidungen treffen muss. Natürlich könnte er auch unter gleich bleibenden Bedingungen dahinvegetieren, jedoch wäre das in diesem Fall auch eine Entscheidung, wie Sartre richtig bemerkt. Gerade wegen dieser Entscheidungsfreiheit glaube ich, dass der Mensch auch bestimmen kann, wie groß bei ihm die Anteile von An-Sich-Sein und Für-Sich-Sein werden. Ein Mensch, der beschließt, nur mehr vor sich hinzuvegetieren und seinem Leben keinen neuen Sinn mehr zu geben, drängt dadurch sein eigenes Denken zurück, da das Selbstentwerfen aufgrund des Bewusstseins (des Für-Sich-Seins) erfolgt. Er verdrängt also das Für-Sich-Sein und konzentriert sich immer mehr auf das An-Sich-Sein.
3.3) Atheistischer Existenzialismus
Sartre ist, wie schon des Öfteren gesagt, überzeugt, dass der Mensch zu Beginn seines Lebens von einer bloßen Existenz geprägt ist. Diese Ansicht lässt natürlich keine Existenz von Gott zu, die außerdem auch der Entscheidungsfreiheit widersprechen würde und den Menschen doch unterwerfen würde. Eine höhere Macht würde es dem Menschen erleichtern, Verantwortung abzuschieben, würde ihn jedoch auch daran hindern, Entscheidungen für sich zu treffen, da ohnehin alles Schicksal wäre. Auch eine objektiv verbindliche Ethik wie bei Kant würde nicht in Sartres Ausführungen passen, da dadurch der Mensch wieder äußeren Einflüssen ausgesetzt und in seinen Entscheidungen beeinflusst wäre.
Weiters hat Sartre Kants kategorischen Imperativ kritisiert, der lautet: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
Sartre weist hier auf Konfliktsituationen hin, in denen man nur falsch handeln kann. Ein gutes Beispiel hierfür: Bleibe ich bei meiner schwerkranken Mutter oder schließe ich mich der Résistance an? Was soll nun allgemeines Gesetz werden? Man muss hier die Entscheidung aufgrund der Wichtigkeit treffen, nicht aufgrund von Richtigkeit, denn das Richtige kann man in dieser Situation nicht tun. Meiner Meinung nach ist dies auf jeden Fall eine Lücke beim kategorischen Imperativ. Er ist nur anwendbar, wenn man eine Entscheidung, bei der nur eine Handlung involviert ist, treffen muss.
Zum Beispiel: Bleibe ich bei meiner kranken Mutter oder nicht? Hier kann man nach dem kategorischen Imperativ klar mit ja antworten.
Auch bei: Schließe ich mich der Résistance an oder nicht? Hier würde man auch mit ja antworten.
Fügt man diese beiden isolierten Fragen nun aber zu einer einzige zusammen und fragt sich, ob man bei der Mutter bleibt, oder Widerstandskämpfer wird, dann kommt man in eine widersprüchliche Situation, da man ja schon beschlossen hat, dass jedes von beiden gemacht werden sollte. Man muss also eines der beiden Jas zu einem Nein machen, zugunsten des andren Jas.
3.4) „Der Mensch ist das, was er vollbringt“
Sartre ist der Meinung, dass nur die Tat Wirklichkeit ist. Der Mensch ist nicht seine Möglichkeiten, sondern seine Taten. Für Sartre ist Liebe nur verwirklichte Liebe, Genie ist nur das verwirklichte Genie. Er sagt, es gibt keine Entschuldigungen für das, was nur innen bleibt. Ich denke, Sartre versucht hier, die Abstraktheit dieser Begriffe etwas greifbarer zu machen. Diese Ansicht passt gut in seine sonstigen Ausführungen, wenn der Mensch die völlige Entscheidungsfreiheit über sich selbst hat, dann kann er auch all seine Fähigkeiten in der Tat beweisen. Meiner Meinung nach entspricht das nicht der Wahrheit, da Fähigkeiten aufgrund von äußeren Einflüssen zurückgedrängt werden können. Zum Beispiel kann die Verwirklichung von Liebe an Isolation scheitern. Wenn Sartre nun also sagt, es gibt keine Entschuldigung für das, was nur innen bleibt, ist das nicht nur sehr theoretisch und in der Realität nicht anwendbar, sondern lässt auch einige Fragen offen. Wenn Liebe nur Liebe ist, die man zeigt, was ist dann Liebe, die man nicht zeigt, die nur innen bleibt (ob man sie nun zeigen will oder nicht)?
Was zählt als verwirklichte Liebe und was nicht und wer kann das beurteilen, wenn nicht der Mensch selbst? Wenn es der Mensch selbst kann, heißt das, dass der Mensch selbst bewerten kann, ob er liebevoll ist oder nicht, ob er ein Genie ist oder nicht? Natürlich nicht, das würde den Grundwerten des Existenzialismus widersprechen („Der Existenzialist gibt sich Rechenschaft, dass er nichts sein kann [im Sinne, wie man sagt, einer ist geistreich, einer ist bösartig, einer ist eifersüchtig] außer wenn die anderen ihn als solchen anerkennen. Um irgendeine Wahrheit über mich zu erfahren, muss ich durch den anderen hindurchgehen.“).
Ich würde mich darüber gerne mit Sartre unterhalten, was wohl nicht mehr möglich sein wird. Meine Fragen werden somit wahrscheinlich nicht beantwortet werden können, da sie sich auf seine Ausführungen beziehen.
3.5) Die existentialistische Moral
Sartre vergleicht die existentialistische Moral mit dem Schaffen eines Künstlers. Künstler haben keine Vorgaben für ihre Bilder, das fertige Bild ist genau das Bild, das gemalt werden sollte. Weiters ist der Künstler in das Schaffen des Bildes eingebunden, er entscheidet. Er kann sich während seiner Arbeit anders entscheiden, das Kunstwerk unterliegt seiner Kreativität. Genauso ist es für Sartre mit der Moral: Wir entscheiden und entwerfen alles (auch uns) immer wieder neu, wir haben keine Vorgaben, wir sollen freie Entscheidungen treffen und das einzige, was wirklich wichtig ist, ist zu erkennen, ob man eine Entscheidung frei getroffen hat oder nicht.
3.6) Transzendenz
Sartre spricht von Transzendenz, jedoch nicht als Herstellen eines Bezuges zu Gott, was ja wegen dem seiner Philosophie zugrunde liegenden Atheismus nicht mehr möglich ist, sondern als Überschreiten des „In-Sich-Eingeschlossen-Seins“ und als Vorhanden sein in einem menschlichen All.
3.7) Der Existenzialismus ist ein Humanismus
Dieser Satz basiert auf der Vorstellung von menschlicher Subjektivität, der Transzendenz. Der Mensch ist nicht in sich eingeschlossen, sondern in einem menschlichen Universum enthalten. Als Humanismus bezeichnet er nun diese Philosophie deshalb, weil der Mensch erkennen kann, dass er der einzige Gesetzgeber ist und er über sich selbst entscheiden kann (muss).
Außerdem wird dem Menschen dadurch (durch die menschliche Subjektivität) gezeigt, dass er sich nur durch ein Ziel außerhalb seiner selbst verwirklichen kann.
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