Jazz heutzutage - wo bleiben neue Einflüsse?
Wenn man heutzutage einmal über ein Jazzfestival schlendert, wird man meistens die gleichen altbekannten Standards hören, rauf und runter gespielt zum tausendsten Mal. Ob nun der eine Moll-Akkord mit seiner x-ten Umkehrung gespielt wird, oder ob die Solopassage des Saxophons auf 32 weitere Takte ausgewalzt wird – ein Standard bleibt eben ein Standard. Das ist im Prinzip nichts schlechtes, Standards legen den Rahmen für ein Stück fest.
Aber warum zeigt sich die Jazzszene der etablierten Künstler so verschlossen gegenüber neuen Einflüssen? Vergessen wird oft der Ursprung des Jazz, und der damit verbundene Versuch musikalische Schranken zu sprengen, neue Elemente einzuführen und Musik als gesamtes so voranzutreiben. Wozu dient also der heutzutage anzutreffende Elitismus der Jazzer, alles neue zu vermeiden, und sich anstatt dessen in der nächsten Wiederholung alter Tonfolgen zu versenken?
Ich halte diese These für gefährlich. Was ist an der ehrlichen Freude an altbewährt Erfreulichem bitteschön elitär? Ich selbst bin Jazzpianist und spiele für mein leben gern Swing. Das liegt daran, dass ich diese bedingungslos glückliche, hopsende und strahlende Musik für mich als das passende Lebensgefühl ausgemacht habe. Ich spiele sie, weil sie mein herz erreicht. Der moderne Frickeljazz mit all seinen diffusen Schreien und endzeitmäßigen Tongewittern liegt meiner Einstellung da etwas im Weg. Ich bleibe also bei dem, das mir gefällt und plane bis auf Weiteres auch nicht, aus Prinzip umsturzhaft irgendetwas Neuartiges anzubahnen, nur aus Prinzip.
Du vergisst, dass Erneuerung auch im Kleinen passieren kann. Ein kleiner Schnörkel, eine kleine feine frische Wendung kann einem Song schon sehr viel geben. Es darf nicht in Routine erstarren und abgezockt profihaft werden, da stimme ich dir zu. Sofern man für die Musik allerdings die herzliche Einstellung hegt, die ich oben beschrieben habe, braucht man sich darüber, das etwas einschläft, keine Sorgen zu machen. Es müssen doch nicht immer die großen Umbrüche sein. Außerdem: Was soll noch passieren? Der Jazz hat sich im Lauf seiner Zickzackhaften Geschichte schon so oft von einem Extrem ins andere geworfen. Es wurde Coolness und Wildness bis zum Äußersten ausprobiert. Es wurde sachte gehupt und enthemmt gekreischt. Was möchtest du noch? Im Moment hat der Jazz wohl eine kleine Ruhephase erwischt, die muss ihm auch mal vergönnt sein.
Neuerung erfährt er zur Zeit, indem er von milden Umdeutern in die Hand genommen und mit anderer populärer Musik gekreuzt wird. Mit dem rock hat er ja schon seit Anfang der siebziger Jahre Bekanntschaft geschlossen, aber auch der klassische Pop, der HipHop und diverse Strömungen der Weltmusik fließen so allmählich mit dem Jazz ineinander. Ich finde, dass in diesem Bereich durchaus spannende Neuerungen passieren. Dass es nicht die ganz großen Radikalknalls sind, wie zu seligen Miles-zeiten, mag sein, aber das muss ja auch nicht immer. Die Musik befindet sich zur Zeit doch im Allgemeinen an einem Punkt, an dem man glaubt, nun sei doch wirklich alles ausgereizt. Es kommt mir aktuell alles nach einem großen Besinnen und Tasten und Luftholen vor.
Es wird nochmal in Mottenkisten gegriffen, mehr oder weniger erfolgreich entstaubt, begutachtet, was das Alte mit dem Neuen verbinden könnte und vorsichtig herumgespielt. Das ist nicht sonderlich aufrührerisch, aber ab und an kommt doch etwas Interessantes dabei zu Tage. Ich finde, das kann man ihr mal zugestehen, der Musikentwicklung.
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