Wie helfen bei Burn-Out Syndrom?

vom 23.07.2008, 20:19 Uhr

Ich habe mal eine Frage. Mein Freund und ich haben einen Bekannten, mit dem wir uns eigentlich sehr gut verstehen. Wir haben uns bis vor einem halben Jahr immer regelmäßig getroffen, zum Beispiel zum Billardspielen, oder um ins Kino zu gehen oder sonstige Unternehmungen gemeinsam zu machen. Es ist auch ein richtiger Spaßvogel gewesen und war eigentlich immer gut drauf. Er hatte immer schon das Talent, uns aufzumuntern und wir konnten uns eigentlich auch immer auf ihn verlassen. Jetzt ist es so, er arbeitet seit ca. einem halben Jahr in einem Call-Center und dieser Mensch hat sich so gewaltig verändert, dass wir ihn kaum noch wiedererkennen! Er sieht total ermüdet aus, er ist total fertig und wenn wir uns mal treffen, wozu er kaum noch Lust hat, dann sieht er wirklich aus, als hätte er tagelang nicht geschlafen. Er redet kaum noch, und all die Lebenslust die dieser Mensch einst ausgestrahlt hat, ist wie weggeblasen.

Wie gesagt, ich habe mich mit meinem Freund darüber unterhalten und wir erkennen ihn kaum wieder. All diese Freude und Fröhlichkeit die er einst verbreitet hatte, all die Hoffnung die er ausgestrahlt hat, alles verschwunden. Wir haben ihn dann auch direkt darauf angesprochen, und er hat uns gesagt, dass seit er dort in dem Call-Center arbeitet, sich total ausgelaugt und übermüdet fühlt. Er wäre total überfordert, weil total viel von ihm abverlangt würde, und weil es ständig Stress auf Arbeit gebe. Er wird ständig unter Druck gesetzt und kommt nicht einmal richtig dazu, eine Mittagspause zu machen, weil er soviel Arbeit zu erledigen hat. Er selbst meinte dann auch, und das machte uns unheimlich traurig und irgendwie auch betroffen, dass er sich total verloren, hilflos und leer fühle.

Er selbst wirkt total erschöpft, er leidet an Schlafstörungen und mittlerweile leider auch an Depressionen. Er tut mir einfach so unsagbar leid. Er hat uns dann auch so gesagt, dass er glaubt, dass er ausgebrannt ist. (Sein voriger Beruf war schon anstrengend, aber das Call-Center macht ihn total fertig meint er). Sprich, er denkt, er habe das Burn-Out Syndrom. Und das denken wir mittlerweile auch, denn so sieht er auch wirklich aus. Jedenfalls haben wir ihm dann gesagt, dass er dann doch eine Therapie machen solle. Aber er meinte nur, das würde ihm gar nichts bringen, denn der Therapeut würde sowieso nur vorschlagen, dass er seinen Job kündigen soll. Das kann er aber nicht, weil er das Geld dringend braucht. Also muss er durchhalten.

Wir überlegen also schon die ganze Zeit, wie wir ihm am besten helfen können. Wir wissen im Moment auch nicht, wie wir mit ihm umgehen soll? Wir wissen nicht, ob wir ihn lieber erstmal in Ruhe lassen sollen (er verschanzt sich auch zu Hause) oder ob wir ihn da rausholen sollen? Ist für uns zur Zeit wirklich schwer, weil er uns eben leid tut.

Denkt ihr, eine Therapie würde in so einem Fall helfen? Ich würde gerne schlagfertige Argumente für ihn haben, damit er sich dazu breitschlagen lässt. Ich denke auch, dass eine Therapie die einzige und vernünftigste Lösung für sein Problem ist, um eben das Problem an der Wurzel zu packen. Das einzige was wir momentan machen können ist, das ganze wenigstens ein bisschen zu lindern und ihn abzulenken, aber wir haben nur leider keine Ahnung wie, er lässt ja fast niemanden an sich ran und hat selbst fast überhaupt keine Lust mehr, überhaupt irgendetwas zu unternehmen.

Leider können wir ihm ja sonst nicht viel Hilfe geben, weil wir leider seinen Job nicht ersetzen können. Wir können wirklich nur versuchen, ihm eine angenehme Freizeit zu bieten, aber ständig haben wir auch nicht Zeit. Und da, wenn wir Zeit haben, hat er meistens keine Lust.

Wie sollen wir uns verhalten? Was können wir tun? Wir sind beide ratlos und möchten ihm so gerne helfen, weil er auch schon viel für uns getan haben. Wäre für jeden Ratschlag wirklich dankbar!

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» fantastique » Beiträge: 576 » Talkpoints: -8,81 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Die Geschichte über deinen Freund kommt mir so bekannt vor!

Ich hab selbst in einem Callcenter bei einer großen Bank gearbeitet, das Betriebsklima war spitze, Geld hat auch gepasst, die Arbeit hingegen war zum Teil wirklich auslaugend.

Insgesamt war ich zweieinhalb Jahre in dem Unternehmen, hab die neuen Mitarbeiter eingeschult und immer mein Bestes gegeben. Das letzte Jahr lief dann nicht mehr so toll - es ging immer mehr bergab mit mir, Schlafstörungen, Gewichtsabnahme, Tinnitus - es waren so viele körperliche Beschwerden, dass ich dachte ich spinne. Irgendwann war der Punkt erreicht wo ich mich nur mehr zurückziehen wollte, ich hab die Einschlungen zurückgelegt und wurde von einer Spitzenmitarbeiterin zum stillen Wässerchen. Niemanden wollte ich an mich ranlassen und für Freunde hatte ich keine Zeit mehr, da ich ständig ausgelaugt war.

Anfang dieses Jahres hab ich dann gekündigt und gehofft, dass sich alles von alleine einpendelt. Dem war leider nicht so! Obwohl mir die Firma noch angeboten hat eine Therapie gegen Burnout zu machen wollte ich einfach nur mehr weg und Ruhe.

Die Situation hat sich zugespitzt und vor 3 Wochen habe ich erfahren, dass ich eine extreme Schilddrüsenüberfunktion habe, die die ganzen Symptome ausgelöst hat. Nun ist der Job weg und beruflich bin ich momentan ziemlich verunsichert - ich habe mir einfach zu lange keine Hilfe geholt und mit mir selbst gehadert, weil ich einfach kein Burnout haben wollte.

Vielleicht kannst du mal mit deinem Freund sprechen, er soll sich auf jeden Fall rechtzeitig Hilfe holen, eventuell vorerst über den Hausarzt der ihn gesundheitlich durchcheckt und gegebenenfalls weiterüberweist. Und seit ihm nicht böse,wenn er derzeit keine Kraft aufbringt um sich mit euch zu treffen - er befindet sich in einer Ausnahmesituation, warum auch immer. Irgendwann - vorallem wenn der Auslöser für seine Probleme gefunden ist - wird er wieder ganz der Alte sein.

Leg ihm nochmal ans Herz, dass ein Burnout von selbst so schnell nicht verschwindet und das eine Spirale nach unten sein kann.

» Ronja » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 11.03.2012, 10:51, insgesamt 2-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Nach dem, was du schreibst, klingt es für mich ebenfalls nach Burnout-Syndrom. Das entsteht in Berufen, wo man, in welcher Form auch immer, mit Menschen zu tun hat und wenn die Erwartungen und das Ergebnis nicht zusammen passen. Wenn du dich mal einlesen willst, gibt es eine ganze Menge guter Bücher dazu. Das Problem ist allerdings, dass es keine einheitliche Definition von Burnout gibt, weil es eben die unterschiedlichsten Blüten treiben kann. Emotionale Erschöpfung, das berühmte ausgebrannt sein, gehört aber immer dazu.

Ich bevorzuge die Theorie von Matthias Burisch(M.B.: Das Burnout-Syndrom: Theorie der Inneren Erschöpfung. Zahlreiche Fallbeispiele. Hilfen zur Selbsthilfe). Er hat diese in seinem Buch schlicht und einfach erklärt und geht auch auf andere Theorien, Gründe für die Erkrankung und so weiter ein. Der Titel sagt es ja schon. Es ist eben kein Wehwehchen, sondern eine ernst zu nehmende Krankheit. Deswegen würde ich mich auch nicht nur auf das Buch verlassen, sondern zusätzlich professionelle Hilfe suchen. Aber es ist ganz gut(auch für psychologische Laien), um sich mit dem Problem vertraut zu machen.

Wenn dein Kumpel schon selber erkennt, dass es ihm schlecht geht, solltet ihr euch bemühen, ihn zu einer Therapie zu bewegen. Auf lange Sicht endet Burnout fast immer in tiefen Depressionen, Zusammenbrüchen und manchmal im Selbstmord, weil die Verzweiflung überhand nimmt. Wie Ronja sagte, die Spirale geht nach unten und endet oft mit einem Aufschlag.

Viele Burnout Patienten vergraulen auch ihr komplettes soziales Umfeld, weil sie durch ihre Krankheit einfach ungeniessbar werden. Die meisten wollen sich nicht eingestehen, dass sie überfordert sind und nehmen daher auch keine Hilfe an. Wenn dein Freund das bereits einräumt, ist das der erste Schritt in die richtige Richtung.

Wenn dein Kumpel den Job wirklich nicht aufgeben kann, muss er sich auf jeden Fall Unterstützung holen. Denn sich durchbeissen zu wollen und sich selber zu sagen "Stell dich nicht so an" ist genau die falsche Methode. Ein Therapeut kann deinem Freund zeigen, wie der mit dem Stress besser umgeht und ihm Methoden aufzeigen, wie er abschalten und sich schützen kann. Das wird das Problem nicht komplett lösen, aber es wird ihm vieles erleichtern. Deswegen sollte er einen Arzt aufsuchen und sich einer Therapie unterziehen. Es geht sicher nicht schnell, aber ich denke, nach einiger Zeit wird es ihm besser gehen und er kommt mit der Situation klar, ohne, dass diese eskaliert.

Gruß
Sorcya

» Sorcya » Beiträge: 2904 » Talkpoints: 0,01 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Extremer beruflicher Stress macht der Körper eine Zeitlang mit. Aber irgendwann kann es zum völligen Zusammenbruch kommen. Deshalb finde ich es sehr gut, dass ihr eurem Bekannten helfen wollt.

Ich kann euren Bekannten leider nicht einschätzen. Welche Persönlichkeit hat er? Vielleicht fällt es ihm schwer "Nein" zu sagen. Solche Menschen haben es oft schwer. Sie wollen es allen recht machen und sind bald völlig überfordert. Ein ganz anderer Grund für den beruflichen Stress könnte eine unzureichende Ausbildung sein. Wenn ich richtig verstanden habe, hat euer Bekannter früher wo anders gearbeitet. Möglicherweise wurde er gar nicht richtig für die Arbeit im Call Center ausgebildet. Im Call Center ist es zum Beispiel wichtig zu wissen, wie man seine Stimme schonend und effektiv einsetzen kann. Auch braucht man gute Kenntnisse über wirkungsvolle Kommunikation. Ansonsten kann diese Arbeit sehr stressig werden. Zu all den oben genannten Punkten gibt es gute Fachliteratur, die gute Tipps geben kann.

Da ich zu wenig über diesen Fall weiß konnte ich nur Vermutungen machen. Vielleicht konnte ich trotzdem etwas helfen. Ich wünsche euch alles Gute. Bleibt dran. Geht behutsam mit euren Bekannten um und signalisiert ihm, dass ihr bereit seid zum helfen. Gute Freunde können meiner Meinung nach manchmal besser helfen als eine Therapie. Aber wenn gar nichts hilft kann eine Therapie schon wichtig sein. Wichtig ist aber, dass man sich vorher sehr gut informiert.

» kengi » Beiträge: 886 » Talkpoints: 17,93 » Auszeichnung für 500 Beiträge



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