Wie weit geht die Pressefreiheit an Einsatzstellen

vom 04.08.2008, 11:43 Uhr

Aufgrund einer aktuellen Sachlage bei dem in Kaast in Nordrhein-Westfalen in dern ähe von Düsseldorf ein PKW gegen einen Linienbus geprallt war, und danach in Flammen aufging bei dem eine Frau in dem PKW eingeklemmt war und nicht mehr gerettet werden konnte sondern mit dem Fahrzeug verbrannte. Bei diesem Unfall wurde auch noch der Busfahrer schwer verletzt, sowie die Fahrgäste des Linienbusses.

Nach diesem Unfall wurde die Presse der Einsatzstelle verwiesen und wir bis jetzt auch noch von der Einsatzstelle fern gehalten, und damit ist es aktuell der Presse nicht möglich Bilder von der Einsatzstelle zu machen. Von einer Seite die sich hauptsächlich mit den Einsätzen von Rettungsdienst und Feuerwehr beschäftigt, kam sofort die Pressemeldung, dass dort vor Ort etwas vertuscht werden soll und einige Dinge zu verbergen sein von den Einsatzkräften die dort arbeiteten. Dazu wird auch noch geraten, dass sich die Angehörigen der am Unfall geschädigten schnellstmöglich einen Rechtsbeistand nehmen sollen, um diese Sache dann den Einsatzkräften vorzuweisen da die Einsatzstelle nun erst pressetauglich hergerichtet werden muss um angebliche Fehler zu verschleihern.

Danach kamen einige dumme Kommentare von Laien und anderen Journalisten, die dann pauschal und allgemein sagen, dass Rettungsdienstmitarbeiter und Feuerwehrler unnütz an Einsatzstellen sind wenn sie noch die Zeit haben die Presseleute von der Einsatzstelle zu verweisen und sie daran hindern Bildmaterial und Informationen zu sammeln. Es wird sogar vorgeworfen, dass der Rettungsdienst unkooperativ ist und keine Informationen an die Presse weitergibt. Dies ist auch so der Fall, dafür gibt es Pressemitarbeiter die diese Informationen weiterleiten und als Rettungsdienstpersonal unterliegt man der Schweigepflicht und darf keine Informationen an die Presse weitergeben (dazu wird man auch mit dem Arbeitsvertrag und einer Erklärung verpflichtet, eine Nichteinfolge zieht die fristlose Kündigung nach sich) sofern keine Gefahr im Verzug steht. Und selbst dann ist die Reihenfolge klar festgelegt wer diese Informationen zu erhalten hat und das ist nicht die als erste Anlaufstelle die Presse !

Diese Beschuldigungen werden damit gerechtfertigt, dass es in Deutschland eine Pressefreiheit gibt und man diese Pressemitarbeiter nicht von einem Einsatzgeschehen ausschliessen soll. Weiterhin wird das ganze immer mit einem "öffentlichen Interesse" begründet, aber sind wir mal ehrlich - wen interessiert es noch nächste Woche ob in Kaarst eine Frau im Wagen verbrannt ist ? Das weiß dann fast niemand mehr, ausser die Einsatzkräfte die Angehörigen und alle Beteidigten. Die Menschen die das morgens in der Zeitung lesen neben dem Frühstücksbrötchen und einfach nur etwas "blutrünstiges" an Informationen haben möchten, wissen es dann nicht mehr. Somit ist das öffentliche Interesse von meiner Seite eher als gering einzuschätzen bei einem solchen Vorfall bzw. Unfall. Etwas anderes wäre es natürlich, wenn irgendwo ein Atomkraftwerk in die Luft geht und eine allgemeine Gefahr für die Bevölkerung besteht - dann ist es aber etwas anderes.

Gesagt wurde dort auch, dass die Einsatzkräfte mit den Händen in den Hosentaschen da stehen und nichts zu tun haben. Auch das ist so nicht richtig, an solchen Stellen ist man als Rettungskraft zunächst alleine vorhanden für viele Patienten und dort kollidieren zu erst einmal die Pflichten der Mitarbeiter. Zum einen muss jeder Patient adäquat versorgt werden, auf der anderen Seite hat man nicht ausreichend Material und Personal zur Verfügung und muss abstriche hinnehmen. Erst wenn mehr Rettungskräfte eingetroffen sind gleicht sich das Verhältnis Patienten zu Rettungskräften aus, bzw. es gibt mehr Rettungskräfte vor Ort als Patienten. Das heißt aber nicht, dass diese die dann zuviel sind unnütz sind denn so kann man sich gegenseitig besser helfen und unterstützen. Das nicht jeder zeitgleich am Patienten arbeiten kann ist klar, so ein Autoumfeld hat halt nicht unendlich viel Platz das dort 100 Helfer auf einmal hinkommen deswegen gibt es auch Einsatztaktisch drei Kreise um einen Einsatzort. Einmal die direkte Zone die sich 5 Meter um das Geschehen bewegt, dort stehen alle die sofort am Arbeiten sind danach kommt die zweite Zone als Bereitstellungszone. Dort werden Fachkräfte und Material "geparkt" damit man diese dann schnell bei Bedarf zur Hand hat und nicht ewig danach suchen muss. Und die dritte und letzte Zone ist dann die Absperrung um andere nicht zu gefährden und die Rettungskräfte nicht zu behindert, und in diese Zone gehört auch die Presse rein. Da dies aber zu weit vom Geschehen weg ist, setzen sich einige der Pressemitarbeiter darüber hinweg und laufen in die anderen beiden Zonen und behindern so die Rettungsarbeiten. Sollte man dann etwas sagen, wird gleich rumgeschrien mit Pressefreiheit und er hat das Recht Fotos zu machen etc. somit sagt man meistens nichts mehr als Einsatzkraft sondern umgeht solche Leute.

Die Fragen die sich bei mir nun aufgetan haben nach den Kommentaren von Seiten der Presse und auch der öffentlichen Kommentare, wann sich hier bereits der Tatbestand der Verleumdung erfüllt hat. Denn es sind nun einmal Aussagen, die nicht stimmen und auch die Einsatzkräfte im Ruf schädigen und somit sogar zu einer beeinträchtigung der Ausübung des Berufes nach sich ziehen kann. Zudem haben die Rettungskräfte nicht nur die dienstlichen Interessen zu wahren, sondern auch die Persönlichkeitsrechte der Patienten. Und dazu gehört auch das Recht auf selbstbestimmung wegen der Bildern in der Presse, körperliche Unversehrtheit durch die Behinderung der Rettungsmaßnahmen durch Pressemitarbeiter usw. Und auch die Einsatzkräfte haben dieses Persönlichkeitsrecht und damit die Entscheidung ob ihre Bilder in der Presse veröffentlicht werden dürfen oder nur unkenntlich bzw. gar nicht. Aber daran wird sich auch nicht gehalten bzw. wenn man darum bittet unkenntlich gemacht zu werden kommt gleich "haben Sie etwas zu vertuschen" was einem unterstellt wird. Das so etwas auch andere Gründe haben kann, liegt auf der Hand ...

Schlimm daran sind die Kommentare die dort geschrieben wurden, zum einen wird dort allgemein unterstellt, dass man als Rettungskraft nicht an der Presse interessiert ist da sonst ein Beweis vorhanden ist, dass man schlechte Arbeit geleistet hat. Nur wie soll das gehen, entweder der Patient überlebt oder er überlebt nicht das hat aber nicht immer etwas damit zu tun wie gearbeitet wird, sondern auch auf den Patienten mit seinem Verletzungsmuster. Und was man auch nicht vergessen sollte, Präklinisch herrschen andere Situationen als in der Klinik und auch die Versorgung ist draussen auf der Strasse nicht zu vergleichen mit einem Krankenhaus. Und wie gearbeitet wird, das ist jedes mal Einsatzabhängig und erfordert Improvisitation - es gibt keinen Standartunfall der immer gleich abläuft bei dem man eine feste Reihe abarbeiten kann, denn alles ist jedesmal unterschiedlich. Und auch das die Presse nun ausgeschlossen wurde, hat wohl eher damit etwas zu tun das die Spurensicherung dort am Arbeiten ist und man nicht noch mehr Spurenverwischer vor Ort brauchen kann. Denn wie oft ist es nun schon vorgekommen, dass Pressemitarbeiter über einen Tatort gelaufen sind für gute Bilder und dabei die Spuren verfälscht haben. Ich mache das auch als Rettungskraft, aber aus einem anderen Grund und ich gebe mir schon Mühe den Tatort nicht all zu sehr zu verfälschen bzw. merke mir wenn ich etwas umschieben musste damit dem Patienten medizinsch geholfen werden konnte, und mache hinterher auch meine Aussage bzw. muss mich sogar von meiner Einsatzkleidung trennen bei einem Gewaltverbrechen zur Spurensicherung was ich auch ohne Widerworte tue.

Ich denke ihr solltet euch die Kommentare einfach einmal selbst durchlesen, und dann darüber Urteilen ob das richtig ist was hier mit den Rettungskräften abgezogen wird und was denn nun wichtiger ist. Die Interessen der Beteidigten und der Einsatzkräfte oder die der "öffentlichkeit" die das zum Frühstück in der Zeitung sehen möchte und des persönlichen Egoismuses der Reporter. Denn Fakt ist, man kann eine Unfallmeldung auch in Worten niederschreiben und sich die Informationen telefonisch über die Pressesprecher holen oder die Fotos von den Feuerwehren erhalten. Aber das kostet Geld, und eigene Bilder bringen im Gegensatz noch Geld wenn sie auch auf anderen Seiten bzw. Zeitungen veröffentlicht werden. Somit ist das Interesse wohl eher in diese Richtung ausgelegt, als das es um das Menschliche geht - denn dann wäre die Sachlage eindeutig klar. Die Kommentare findet ihr auf wiebold.tv, die Seite die "Rettungsdienst-Bildzeitung" darstellt mit seichten, nicht objektiven Kommentaren und bunten Bildchen mit Blut.

http://www.blaulichtreporter.de/pageID_6322786.html

Wenn ihr das gelesen habt, dann würde mich einmal eure Meinung dazu interessieren zu dem wie ihr es allgemein seht was den Vorrang hat und von denen die sich hier auskennen in der rechtslage was alles erfüllt sein muss um den Tatbestand der Verleumdung zu erfüllen. Denn für mich als Laien, würde ich jetzt hier schon davon ausgehen das der in diesem Fall hier erfüllt wäre und sich die Beteidigten rechtlich zur Wehr setzen könnten. Ausserdem finde ich dies Anschuldigungen das vor Ort nun etwas noch verschleihert werden soll (nach seiner Meinung) auch untragbar gegenüber der Angehörigen der Opfer. Diese machen sich nun schon Gedanken und Sorgen über die Verletzten und die Angehörigen der Getöteten sind in Trauer, und nun kommt noch so einer daher und behauptet die Aufklärung wird verfälscht. Wie sich diese Menschen fühlen, das kann glaub ich niemand wirklich nachvollziehen der das nicht selbst durchgemacht hat, aber im Ansatz sollte es jeder verstehen der ein wenig Pität und Taktgefühl besitzt.

Jedenfalls wie ich auf einer anderen Seite schon gesagt habe dazu, ich werde auch weiterhin als Einsatzkraft vor Ort die Interessen meines Patienten wahren und von meinem Hausrecht bzw. Platzrecht gebrauch machen und die Pressemenschen diesen verweisen wenn sie in meinen Augen eine Behinderung für den Einsatzablauf darstellen. Ansonsten habe ich die devise "Leben, und Leben lassen" aber was dabei rauskommt wenn man sie einfach machen lässt, habe ich hier nun wieder präsentiert bekommen. Dazu ist noch zu sagen, dass bislang eine Zusammenarbeit mit diesen Journalisten (von der genannten Seite) anscheinend ohne größere Probleme geklappt hat und sie nicht im Weg standen bzw. oftmals von den Einsatzstellen verwiesen wurden durch Einsatzkräfte. Die Videos werden wohl alle kennen, da die ganzen Videos auf Pro 7, RTL etc. über Unfälle von dort kommen wie auch die vom Holzklotzwerfer usw.

Liebe Grüße
Sorae

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Sorae hat geschrieben:Weiterhin wird das ganze immer mit einem "öffentlichen Interesse" begründet, aber sind wir mal ehrlich - wen interessiert es noch nächste Woche ob in Kaarst eine Frau im Wagen verbrannt ist ?
Das ist nun mal ein spezielles Beispiel, das sich (leider) aber für ziemlich viele Nachrichten verallgemeinern lässt. Auch wenn es zunächst einen riesen Rummel darum gibt, in spätestens drei Wochen interessiert es 99 % der Unbeteiligten nicht mehr.

Dass es in Deutschland die Pressefreiheit gibt ist ja richtig und das ist auch ein Gut, dass unbedingt bewahrt werden sollte. Allerdings bin ich der Meinung, dass mit dieser Freiheit manchmal auch viel zu großzügig umgegangen wird. Wie schnell sind Sensationsmeldungen - oft sogar reine Spekulationen - verkündet, die dann schon in kürzester Zeit revidiert werden. Gerade bei solch Unfällen zeugt es doch von reiner Sensationsgier, die natürlich nicht ohne das entsprechende Publikum leben könnte. Da würde ein wenig Zurückhaltung der Presse besser zu Gesicht stehen, ein spätere Meldung, die dann aber nicht noch zig mal revidiert werden muss.

Zu dem Fall, der ja auch im Bericht auf den der Link verweist, kann ich nicht so sehr viel sagen, da ich wenig Fernsehen schaue und davon bislang nichts gehört habe. Scheinbar wirklich schrecklich, aber mal ehrlich - was bitte schön ist denn das für eine Öffentlichkeit, die an einer Berichterstattung darüber Interesse hat? Das ist ein schwerer Unfall gewesen, schwerer sicher als das was so minütlich auf deutschen Straßen passiert, aber Interesse der Öffentlichkeit? Darum fällt es mir schwer, die Kommentare teilweise zu verstehen.
Was mir aber auffällt, dass es da wohl eine sehr unglückliche Formulierung gab, die diesen Herrn erst mal richtig "heiß" gemacht hat: "Pressegerechte Verwandlung". Wenn diese Formulierung aus dem Munde einer Einsatzkraft stammt: böse Falle. Wenn ich mir allerdings andere Berichte so anschaue, dann habe ich eher den Eindruck, dass der Herr Reporter sonst nie zurückgewiesen wurde und jetzt etwas (sehr) vor den Kopf gestoßen ist und sich da in wagen Vermutungen ergeht.

Rufschädigend ist ein solches Verhalten meines Erachtens schon, hauptsächlich für einzelne Personen - besonders dann wenn diese auch im bild festgehalten sind. Andererseits auch für ganze Berufsgruppen. Nur kann man wohl nicht allzu viel dagegen machen. Ich wüsste zumindest nicht was wirklich dauerhaft Wirkung zeigen würde :?

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


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