Rettungsmittel Einsatzfahrt - wenn Unfall am Straßenrand

vom 19.07.2008, 20:36 Uhr

Hallo

eben war ich kurz draußen und dann fuhr die Feuerwehr an mir vorbei. Und dann bin ich auf folgende "Idee" gekommen.

Wenn nun ein Einsatz vorliegt der dringen ist, fahren die Rettungsmittel ja mit Sonderrechten zu einem Einsatz. Gehen wir nun mal davon aus, dass die Retter einen einsamen und verlassenen Weg befahren müssen und sehen dann rechts im Graben ein Auto liegen mit mehreren Verletzen drin.

Was müssen die Retter dann machen? Müssen die dann sofort anhalten und sich um diese Verletzen kümmern oder aber müssen sie einfach nur Verstärkung rufen und weiter zu ihrem regulären Einsatz fahren?

Danke schon mal für Eure Antworten.

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» Julian » Beiträge: 3431 » Talkpoints: 5,77 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Julian hat geschrieben:Was müssen die Retter dann machen? Müssen die dann sofort anhalten und sich um diese Verletzen kümmern oder aber müssen sie einfach nur Verstärkung rufen und weiter zu ihrem regulären Einsatz fahren?


Ich denke damit werde ich wieder angesprochen, bzw. war auch gemeint mit der Frage. Die Einsätze werden von der Rettungsleitstelle koordiniert, folglich bestimmen diese auch wohin man fährt. Auf gut Deutsch, die Leitstelle denkt für einen und man selbst fährt nur nach deren Anweisungen und entscheidet das nicht selbstständig.

Wenn man auf einer Notfallfahrt ist, also mit Sonderrechten unterwegs und das im Strassengraben liegen sieht, dann gibt man an die Leitstelle eine Funkmeldung ab und die entscheiden dann ob man anhält und dort den Einsatz übernimmt, oder ob man zu seinem regulären Einsatz weiter fährt. Meistens wird man zu seinem Einsatz weiter geschickt, nachdem man eine kurze Lagesichtung gemacht hat damit die Leitstelle weiß, wieviele Rettungsmittel entsendet werden müssen. Folglich geht man nur gucken, fährt dann aber wieder weg und die müssen warten.

Wenn es sich Personell regeln lässt und dieses auch weit genug Ausgebildet sind, kann man auch den dritten Mann dort "parken" bis weitere Rettungsmittel angekommen sind. Wird aber eher selten gemacht, denn die dritten auf dem Auto sind unerfahren und wären der Lage nicht gewachsen und das ich keinen Praktikanten mit 10 Tagen Erfahrung dort stehen lassen kann, ist auch klar. Nachdem aber bei jedem Notfalleinsatz mindestens ein Rettungsassistent vorhanden sein muss, und oft noch auf der Minimal Besatzung von einem Rettungsassistenten und einem Rettungssanitäter gefahren wird, kann man auch nicht einen von denen dort lassen und mit dem dritten weiter fahren. Dann gehen zwei Einsätze in die Hose und vor Gericht zu rechtfertigen ist unmöglich.

Bei einem Einsatz (das sind Notfälle die zwar schnell, aber nicht dringend abgehandelt werden müssen) fahren wir ohne Sondersignal aber auf direktem Wege zum Patienten. Auch dort gibt man eine Rückmeldung an die Leitstelle, wird aber in der Regel dann dort stehen gelassen wo es wichtiger ist dem anschein nach. Also wenn man zu einer Verstopfung fahren sollte, unterwegs aber einen Unfall sieht mit drei Polytraumen dann fängt man am Unfall mit dem Arbeiten an.

Bei Krankentransporten ist die Lage klar, dort wird angehalten und der Nofall zuerst abgearbeitet (schwerwiegenderes zuerst). Denn Krankentransporte dürfen, je nach Bundesland, bis zu 12 Stunden liegen blieben und müssen dann erst gefahren werden. Bei einem erhöhten Notfalleinsatz aufkommen, ist es sogar auf bis zu 24 Stunden gerechtfertigt mit der Wartezeit für Patienten.

Bei Transporten mit Patienten wird es vom Zustand des Patienten abhängig gemacht, also wenn es der Zustand zulässt, dann wird jeder erst einmal anhalten und dort Hand anlegen bis jemand anderes da ist. Wenn das aber nicht geht, da der Patient kurz vorm Abkratzen ist, wird ungeachtet weiter gefahren und nur eine Meldung an die Leitstelle gemacht, dass dort ein Unfall gesichtet wurde. Und was man nicht vergessen darf, selbst wenn man zu zweit am Unfall arbeitet liegt dort noch ein Mensch im Rettungswagen für den wir ebenfalls die Verantwortung haben und nie sicher sein können, dass nicht noch jemand in den RTW reinknallt und setzen damit den Patienten einer ungewissen und eigentlich nicht zu vertretenden Gefahr aus. Sozusagen machen wir das auf eigenes Risiko und wenn etwas passiert, dann stehen wir dafür in der Haftung.

Falls jetzt jemand meint, dass das doch eine blöde Regelung ist und strafbar ist - der irrt sich. Wir haben zwar eine Garantenstellung die zu der ohnehin geltenden Verpflichtung zur Hilfe gilt, aber in diesen Fällen reicht ein Funkspruch an die Leitstelle mit einer Meldung und schon sind wir aus dem schneider mit der unterlassenen Hilfeleistung. Rechtfertigen muss sich dann der Disponent von der Leitstelle, sollte es zu einem Verfahren kommen - denn wie im ersten Abschnitt gesagt: "Leitstelle denkt, du lenkst".

Liebe Grüße
Sorae

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Ich denke mein Vorschreiber hat schon alles erwähnt, trotzdem sage ich auch etwas dazu nichts gesetzliches sondern meine Meinung:

Ich finde, dass sie einfach nur Verstärkung holen müssten, den es gab davor einen dringenden Notfall und es wäre nicht fair den oder diejenige warten zu lassen, vorallem wenn es um ein Leben geht oder etwa nicht?

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» D@nny » Beiträge: 64 » Talkpoints: 0,67 »



D@nny hat geschrieben:Ich denke mein Vorschreiber hat schon alles erwähnt, trotzdem sage ich auch etwas dazu nichts gesetzliches sondern meine Meinung


Vorrednerin, soviel Zeit muss sein ! Im übrigen, bist du ebenfalls aus der Matierie oder weshalb meinst du dich dort auszukennen ? Ich glaube nicht, wenn ich mir deine zweite Aussage so ansehe.

Ich finde, dass sie einfach nur Verstärkung holen müssten, den es gab davor einen dringenden Notfall und es wäre nicht fair den oder diejenige warten zu lassen, vorallem wenn es um ein Leben geht oder etwa nicht?


Und wie ich bereits geschrieben habe, es ist nicht nur "müssten" sondern wir sind dazu verpflichtet. Zum einen einmal gegen die "Unterlassene Hilfeleistung" StGB §323 c und zum anderen greift noch die Garantenpflicht nach der besonderen Amtsstellung, die uns zu mehr Maßnahmen verpflichtet als nur einen Laien, da wir eine medizinische Ausbildung haben und für solche Fälle geschult sind.

Und was du als "fair" bezeichnest oder nicht, ist nichts weiter als eine Verkettung von Umständen im positiven wie auch im negativen Sinne. Denn man hätte auch eine andere Route nehmen können und wäre dort nicht vorbei gekommen, und was dann - dann würde gar nichts passieren, wenn nicht ein anderer Zeuge oder Passant den Notruf absetzt und somit die "reguläre" Rettungskette anfängt zu wirken.

Und was ich noch sagen wollte, am Telefon stellen viele Leute alles als "Notfall" dar (aus Aufregung, Überforderung usw.) und vor Ort bietet sich dann ein anderes Bild. Man kann es nicht zu 100 % wissen, ob ein wirklicher Notfall vorliegt bis der Rettungsdienst vor Ort ist. Und mit deinem Satz urteilst du auch schon über die Patienten: Du sagst damit aus, dass das Leben von dem der Angerufen hat mehr Wert ist, als das von einem Unfallopfer welches zufällig gefunden wurde. Klar bei beiden kann es Lebensbedrohlich sein, aber diese Aussage ist nicht tragbar und steht niemanden zu. Wobei, wenn wir schon einmal dabei sind, wer hat eher das recht weiter zu leben ?
- Patient 95 Jahre, seit 40 Jahren Vorerkrankungen, Bettlägrig und voll Pflegebedürftig, Krebs im Endstadium und vegetiert vor sich her ohne sich Artikulieren zu können
- Patient 20 Jahre, keine Vorerkrankungen, bei Verkehrsunfall schwer verletzt

Möchtest du darüber entscheiden ? Denn vom Gesetz her ist jeder Mensch gleich und hat das Recht auf Leben und Körperliche Unversehrtheit. Wobei bei dem 95 Jährigen Patienten kann man noch sagen "er hat sein Leben gelebt das wäre besser für ihn" mit so etwas tröstet man sich dann, wenn es nicht so gelaufen ist wie man es sich gerne vorgestellt hat. Fakt ist nun einmal, dass jeder einmal stirbt und das hier in Deutschland manche Leiden unnötig verlängert werden aufgrund der Gesetze die es hier gibt. Bevor hier aber eine Diskussion über Sterbehilfe entsteht, breche ich ab, dafür gibt es einen anderen Thread.

Das ganze muss auch disponiert werden, wenn jeder machen würde was er möchte im Rettungdienst dann würde das ganz anders aussehen. Und vor Ort im Auto hat man nicht den Blick dafür wo sich das nächste Fahrzeug befindet, denn hingegen aller Meinungen gammeln wir nicht immer auf der Wache rum sondern bewegen uns auch mit dem Fahrzeug und das kann man im Auto nicht sehen, wohl aber auf dem Bildschirm des Computers in der Leitstelle und deswegen hat die auch das sagen wie verfahren wird.

Ach ja, und es gibt noch das Stichwort mit der "Hilfsfrist" die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ist, in Hessen sind das 10 Minuten und der Rettungswagen kann genauso gut am Unfallort belassen werden, wenn innerhalb dieser Zeit ein anderes Fahrzeug am anderen Ort eintrifft. Sofern diese Zeiten nicht eingehalten werden, gibt es ordentliche Geldstrafen für die Träger der Leitstellen und Rettungsdienste und daran erfreut sich niemand so wirklich, aber wenn gerade alles gebunden ist bleibt nichts anderes übrig als einen warten zu lassen. Denn auch dort heißt es "wer zuerst kommt, mahlt zuerst". Soll heißen wer zuerst anruft mit seinem Notfall, wird zuerst bedient werden und damit müssen die anderen dann erst einmal warten. Und entweder man kann dem Patienten noch helfen oder eben nicht mehr, die Anfahrtszeit ist dort auch entscheident ob andere Laienhelfer initiative ergreifen. Eine Reanimation zum Beispiel ist immer schwierig erfolgreich (und ohne Folgeschäden) durchzuführen wenn vorher die Laienhelfer nichts gemacht haben, und damit ist die Prognose vom Patienten vom Absetzen des Notrufes bis zum Eintreffen vom Rettungsdienst alleine in der Hand von Laien und nicht beeinflussbar durch uns !

Liebe Grüße
Sorae

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



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