Referat / Prüfung - Diglossie / Mehrsprachigkeit
Habe eine wichtige Prüfung über das Thema Diglossie gehalten und vielleicht hat ja jemand Interesse an das Thema und kann es selber mal gut gebrauchen. Ich mache mir nun die Mühe und schreibe es aus meinen Unterlagen heraus, welches ich nur auf dem Papier verfasst habe. Ich habe die Prüfung übrigens mit einer 1 bestanden Es war eine mündliche Prüfung!
Diglossie (griechisch) entspricht dem lateinischen Bilinguismus und bedeutet zunächst "Zweisprachigkeit". Der Grieche Jean Psycharis benutzte den Begriff zur Charakterisierung der Sprachsituation in Griechenland und hatte ihn bereits 1886 in seiner neugriechischen Grammatik verwendet. Darin gab er an, ihn vom griechischen Schriftsteller Emmanuel Roidis übernommen zu haben, der ihn bereits ein Jahr zuvor 1885 in der Zeitschrift Akropolis benutzt hat. Beide wollten die Sprachsituation Griechenlands charakterisieren, in der eine vor allem schriftlichen Sprachform (Katharevousa) einer hauptsächlich gesprochenen Form (Dimotiki) gegenüberstand. Psychari und andere Autoren sahen die Diglossie als konfliktuell und als Hindernis für die Entwicklung des modernen Griechenlands an.
Charles A. Ferguson schrieb einen Aufsatz mit dem er 1959 den Begriff Diglossie prägte. In seinem Aufsatz versuchte er eine besondere Form der gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit zu beschreiben, in der eine H (igh) - Varietät einer Sprache einer bzw. mehreren L (ow) - Varietäten gegenüberstellt.
Ferguson geht von einer relativ stabilen sprachlichen Situation aus, in der, neben den Hauptdialekten, noch eine stark divergierende Varietät vorkommt. Wichtig dabei ist, dass die zwei Sprachformen in gesellschaftlich unterschiedlicher Funktionen verwendet werden und damit gesellschaftliches Konfliktpotenzial schaffen.
Konzeption Fergusons:
Er stützt sich auf vier Beispiele: die Lage des Arabischen, des Neugriechischen, der deutschprachigen Schweiz und Haitis.
Die H- Varietät wird auf formalem Wege gelernt (Unterricht) und normalerweise weniger beherrscht als die L- Varietät. Die L- Varietät ist die auf "natürliche" Weise erlernte Form (in der Familie und mit Freunden).
Sprecher sehen diese Situation solange als unproblematisch an, bis
a) der Grad der Alphabetisierung in der Gesellschaft zunimmt,
b) die weiträumigere interne Kommunikation anwächst und
c) der Wunsch nach einer vollgültigen Standardsprache als Zeichen der eigenen Unabhängigkeit aufkommt (1959)
Ferguson beharrt auf der genetischen Verwandschaft der miteinander in Beziehung stehenden sprachlichen Varietäten.
Widerspruch im Beispiel Haitis: Das kreolische Haitis ist zwar mit dem Französischen genetisch Verwandt, aber es ist im linguistischen Sinne keine Varietät des Französischen.
John J. Gumperz weitet den Begriff auf solche Gesellschaften aus, die verschiedene Dialekte, Register oder andere funktionelle differenzierte Varietäten verwenden, ohne dass diese Gesellschaften sich im engeren Sinne als zweisprachig ansehen.
Joshua A. Fishman's Konzept setzt zwei Prämissen von Ferguson außer Kraft: die komplexe Beziehung zwischen den Sprachstrukturen von H und L Varietäten verlieren ihren spezifischen Charakter: starke Trennung zwischen H & L - Varietäten. Die H - Varietät wird von keiner sozialen Gruppe im Alltag gesprochen, wodurch die Stabilität gefährdet wird.
Die Bedingung der genetischen Verwandschaft wird aufgegeben und Fishman betrachtet jede Gesellschaft, in der zwei Sprachen mit unterschiedlichen Funktionen verwendet werden als diglossisch. Er geht davon aus, dass sich in praktisch jeder einigermaßen komplexen Gesellschaft diglossische Erscheinungen finden. Er ordnet Diglossie der Soziolinguistik zu, während Bilinguismus zur Psycholinguistik gehört. Er macht damit die Trennung zwischen individueller und gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit operational.
Es gibt 4 mögliche Situationen, um Bilinguismus und Diglossie zu verbinden:
1. Diglossie + Bilinguismus --> Beispiel: Schweiz und Paraguay! Hier werden Fälle zweier Sprachen mit Fällen einer Sprache gleichgesetzt.
2. Bilinguismus ohne Diglossie --> Beispiel: Gastarbeiter in Westeuropa und mexikanische Migranten in den USA; verlässt Konzept der Domänenverteilung zugunsten einer Klassen-, Schichten- oder anderen Verteilung. Eine Gruppe beherrscht nur eine Sprache, eine andere Gruppe nur die andere Sprache.
3. Diglossie ohne Bilinguismus --> Beispiel: Russland vor der Revolution, Adel sprach französisch und das Volk sprach russisch.
4. Weder Diglossie noch Bilinguismus --> Beispiel: letztes Stadium einer verschwindenen oder verschwundenen Minderheitssprache (Assimilation), als Fortsetzung von Bilinguismus ohne Diglossie, wie in Korea, Yemen, Kuba, Portugal oder Norwegen. In diesen Ländern gab es seit drei Generationen oder noch länger keine größeren Einwanderungsfluss.
Kloss hat versuch die Probleme bei der Verwendung des Begriffs Diglossie zu verringern. Er unterscheidet zwischen Binnendiglossie (genetisch verwandte Sprachen) und Außendiglossie (genetisch nicht verwandte Sprachen). Er behauptet, wenn zwei Sprachen mit unterschiedlichen Funktionen in einer Gesellschaft vorkommen, muss nicht jeder einzelne Sprecher beide beherrschen: (nahezu) alle Sprecher beherrschen beide Formen oder alle sprechen die L - Varietät und nur ein geringer Teil auch die H - Varietät.
Während Ferguson und Fishman Diglossie als nicht negative Erscheinungsform beschreiben, schlägt Haugen den Terminus "Schizoglossie" vor, den er einer "linguistic malady" zuordnet. Er verbindet das Auftreten von Diglossie mit dem Wunsch nach einer einzigen schriftsprachlichen Norm innerhalb eines politischen Gebildes.
Paul Wexler geht deutlicher auf soziale Bewegungen, als auf auslösende Faktoren für Veränderungen in der sprachlichen Situation ein. Er verbindet Diglossie mit Sprachpolitik (Sprachplanung). Das Vorhaben, die Diglossie aufzuheben, macht zuvor sprachpolitische Eingriffe in der Gesellschaft notwendig.
Der kleinste gemeinsame Nenner aller diglossischen Definitionen wäre:
funktionell differenzierte Verwendung von zwei (oder mehr) sprachliche Varietäten in einer Gesellschaft.
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