Rechtsirrtümer und wie die Realität wirklich aussieht
Um Subbotnik noch etwas zu ergänzen: Wenn eine Sache nicht defekt ist, muss der Verkäufer sie weder zurücknehmen noch umtauschen, sofern du die Sache in einem physikalischen Geschäft erworben hast (online gilt anderes Recht, da man zuvor keine Möglichkeit hat die Ware zu prüfen). Wenn du dir aber im Rewe ein Päckchen Kaugummis kaufst, und dir 2 min später überlegst, dass du lieber Bonbons hättest ist das rein und fein dein Problem.
Der Verkäufer muss die Ware nicht umtauschen. Man spricht hierbei offiziell von einer zweiseitigen Willenserklärung. Du gibst deine Willenserklärung ab, in dem Moment wo du die Ware aufs Band legst (der Wille eine Sache zu kaufen), wenn dich der Verkäufer kassiert leistet er ebenfalls eine Willenserklärung (nämlich die Annahme deiner Willenserklärung). Danach ist das Rechtsgeschäft mit beider Seiten Einwilligung abgeschlossen. Alles andere würde eine neuer Vertrag bedeuten, dem zuerst auch wieder BEIDE Seiten zustimmen müssen.
In der Praxis läuft das zwar anders (eben über Kulanz) ein Recht darauf hast du allerdings nicht und es kam bei mir auch schon vor, dass ich von meinem Recht als Verkäufer Gebrauch gemacht habe, wenn jemand partout nicht von seiner Sicht der Rechtslage abrücken wollte, da nützt auch der Gang zum Verbraucherschutz nichts mehr (wurde mir schon oft angedroht, aber irgendwie hat sich noch nie jemand von dort bei mir gemeldet, sehr eigenartig).
Hat eine Ware jedoch einen Mangel sieht die Sache wie folgt aus:
- im Zweifelsfall muss der Verkäufer dem Kunden eine unsachgemäße Handhabe der Sache nachweisen können. Als Beispiel nenne ich jetzt mal Motorradbatterien bei mir aus dem Geschäft. 70% der reklamierten Batterien sind nicht defekt aufgrund eines materiellen Fehlers, sondern durch falsche Wartung der Kunden (tiefentladen). Dadurch ist die Batterie zwar defekt, was aber rein auf die falsche Handhabe des Kunden zurückzuführen ist. Eine Motorradbatterie besteht aus 6 Zellen zu jeweils 2 Volt Spannung, die autark voneinander arbeiten (also nicht in Verbindung miteinander stehen).
Sollte eine Zelle ausfallen (ist der Fall bei ca. einer von 120 Batterien) müsste ich also eine Spannung von noch 10 Volt messen. Messe ich allerdings eine Spannung von 0 Volt gibt es zwei Möglichkeiten. Die erste ist, dass alle 6 Zellen ausgefallen sind (bei einer Chance von 120:1 bei einer einzigen Zelle also nahezu auszuschließen) oder aber dass der Kunde die Batterie falsch behandle hat. Da die Beweislast nun eindeutig gegen einen Garantiefall spricht ist es also wiederum am Kunden einen Gegenbeweis zu bringen. Kann er dies nicht, besteht auch kein Garantieanspruch.
Nach 6 Monaten liegt die Beweislast gänzlich beim Kunden, er muss also im Falle der Batterie nachweisen können, dass diese von vorne herein einen Mangel hatte, der letztendlich zu deren Versagen geführt hat. Kann er dies nicht, bin ich auch hier wieder nicht zu einer Garantie verpflichtet.
Klar ist die Sache natürlich bei offensichtlichen Mängeln, da besteht in jedem Fall ein Garantieanspruch. Jedoch habe ich hier als Verkäufer das Recht auf zweimalige Nachbesserung. Wenn an einem Kleidungsstück also beispielsweise eine Naht aufgeht, kann ich dieses zuerst zweimal zur Schneiderin bringen und nachbessern lassen. Erst wenn diese beiden Versuche scheitern hat man entweder das Recht auf eine Preisminderung oder ein Rücktritt vom Kaufvertrag gegen Erstattung des Zeitwertes (ich kann eine Sache nicht 2 Jahre lang benutzen und dann den vollen Kaufpreis zurückverlangen, wenn sie 2 Wochen vor Garantie Ablauf kaputt gehen sollte).
Ich habe das Gefühl dass ich hierzu wohl wirklich mal einen ausführlichen Beitrag verfassen sollte. Solche Lücken im Rechtsverständnis scheinen hier doch sehr ausgeprägt zu sein.
Brauchst Dich nicht zu Bemühen: Garantie, Mängelgewährleistung und Produkthaftung
PitDesign hat geschrieben:Jedoch habe ich hier als Verkäufer das Recht auf zweimalige Nachbesserung. Wenn an einem Kleidungsstück also beispielsweise eine Naht aufgeht, kann ich dieses zuerst zweimal zur Schneiderin bringen und nachbessern lassen.
Noch als Nachsatz: Nicht der Verkäufer darf darüber entscheiden, wie die Nacherfüllung erbracht wird, sondern der Kunde.
Subbotnik - Garantie, Mängelgewährleistung und Produkthaftung hat geschrieben:Der Vorrang der Nacherfüllung steht dabei an erster Stelle – heißt: der Verkäufer hat 2 Versuche die Ware zu reparieren oder diese nachzuliefern um am Vertrag festzuhalten. Dabei bestimmt nicht der Verkäufer sondern der Käufer die Art der Nacherfüllung, also ob er diese nachgeliefert oder repariert bekommen möchte.
Gut, hast Recht, da war ich gerade etwas zu sehr alltagsbezogen. Es ist jedoch nicht sonderlich schwer einen unverhältmismäßigen Aufwand nachzuweisen, womit man den Kunden recht leicht zu meiner vorhin genannten Version "zwingen" kann.
Oftmals ist es beispielsweise ja im Bekleidungsbereich so, dass mal ein Knopf weggeht oder eine Naht sich verselbständigt. Dadurch hast du aber noch lange kein Anrecht auf Neuware, da eben die Beschaffung einer neuen Sache in keinerlei Verhältnis zu einer Reparatur steht (zumindest in meiner Branche). Oftmals kann man einen abgegangenen Knopf sogar direkt vor Ort austauschen. Eigentlich kann ich ja nichtmal häkeln, aber in ne Hose nen neuen Nietknopf reinhämmern krieg ich grade noch so hin. Und gegen eine solche Reparatur kannst du auch nichts unternehmen, freie Wahl der Nacherfüllung hin oder her.
Außerdem sind die Mittel der Nacherfüllung auch immer abhängig vom allgemeinen Zustand der Ware. Wenn mir jemand eine Motorradhose bringt an der 50 tote Fliegen und ne halbe Dose Kettenspray hängt, werd ich den Teufel tun und dem eine Neue mitgeben, ganz gleich ob er theoretisch einen Garantieanspruch hat oder nicht. Hier ist nämlich die Verhältnismäßigkeit ebenfalls auf meiner Seite.
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