Gedankenspiel: Geschichtsunterricht ohne das 3. Reich
Hallo,
da wir in der Schule schon seit einigen Jahren häufig das Thema "Nationalsozialismus im dritten Reich" durchnehmen bzw. anschneiden, habe ich mich gefragt, was würde man eigentlich in Fächern wie Geschichte, Religion oder Politik und Wirtschaft machen, wenn es das dritte Reich nicht gegeben hätte?!
Dann würde ein Teil des Geschichtsunterrichts wegfallen, den man sonst ein Jahr lang behandelt hätte. In Politik und Wirtschaft würde man auch bestimmt 3 Monate etwas anderes machen und was würde der Deutschunterricht ohne z.B. Bücher über Judenverfolgungen oder Bücher von Nachkriegsautoren machen?
Was meint ihr, was würde man stattdessen zum Beispiel im Geschichtsunterricht machen?
Ich freue mich auf eure Antworten!
mfg Jannik
Also ich denke das es genug Geschichte auf dieser Welt gibt, um 50 Jahre Geschichtsunterricht zu machen. Deshalb würde man auch genug Geschichte haben, um ohne das 3.Reich auszukommen.
In Bezug auf Deutschland würde man dann wahrscheinlich mehr die Revolution und Freiheitskämpfe unter die Lupe nehmen. Denn da gibt es auch jede Menge zu lernen und zu besprechen.
Im Deutschunterricht gibt es auch genügend andere Lektüren. Ich denke die Deutschlehrer nehmen nur so oft, welche über den Nationalsozialismus, weil das für jeden Deutschen ein wichtiges Thema ist, über das man auch im Deutschunterricht mindestens einmel gesprochen haben muss, finde ich.
lg
david
Also gerade im Geschichtsunterricht sehe ich da absolut kein Problem, ohne den Nationalsozialismus auszukommen, da gibt es wirklich genug andere geschichtliche Ereignissen. In Politik würde man sich eben intensiver mit anderen Dingen aus der politischen Geschichte befassen. Ich fand sowieso, das Bismarck bspw. viel zu kurz gekommen ist. Und man könnte dort auch mehr über die aktuelle Politik reden. Kommt natürlich auf den Jahrgang und den Lehrer an, aber bei meinem Lehrer kam das auf jeden Fall viel zu kurz. In Deutsch gibt es auch genügend Klassiker sowie Literatur aus jeder Epoche.
Ein Buch über den Nationalsozialismus hatte ich sowieso nur einmal in der Schule, und das war in der 5. Klasse ("Damals war es Friedrich" von Hans Peter Richter. Sehr gutes Buch, gerade in dem Alter!). Ansonsten hatten wir in Deutsch nur beim analysieren von Lyrik Gedichte über das Thema, aber da hätte man auch Goethe oder ähnliches nehmen können.
Also ich stell mir Schulunterricht ohne das Thema gar nicht so kompliziert vor. Es gibt wirklich überall genug Stoff der meiner Meinung nach in der Schule zu kurz vorgekommen ist.
Ich kann dich schon gut verstehen. wenn im Geschichtsunterricht die Frage zu einem beliebigen Thema kommt "Gibt es dazu ein Analogon in der deutschen Geschichte" muß man nur kurz überlegen, ob es links oder rechts ist und dann entweder das Dritte Reich oder die DDR zitieren. ja, so einfach ist das im Geschichtsunterricht.
Aber zurück zum Eigentlichen: was ich stattdessen als Thema vorschlagen würde? Was Modernes. was aus der aktuellen Geschichte, was noch nicht allzu lange her ist und wozu man deshalb noch Bezug hat. Was nutzt es mir zu wissen, daß in den 30er und 40er Jahren die Deutschen alle Nazis waren und schlimme Dinge gemacht haben? Das würde uns doch nie passieren. Wir sind doch aufgeklärt und liberal, tolerant, aufgeschlossen,... bei uns doch nicht!! Deshalb kann man das Dritte Reich ganz getrost aus dem Lehrplan streichen. Statt dessen würde ich "Die Welle" durchnehmen und hätte damit ein aktuelles, uns betreffendes Thema. Und weil das nicht die ganze Lücke füllen würde, würde ich danach noch "Das Experiment" durchnehmen.
Haltet ihr für paradox? Ja, ist es. Denn das Dritte Reich ist immer noch aktuell und betrifft uns heute im Alltag. Der Unterricht, der das Dritte Reich durchnimmt ist dazu gedacht, aufzuklären, was schief gehen kann und wie einfach es sein kann, ein ganzes Staatssystem auszuhebeln, wenn man die Demokratie nicht achtet.
Ja, bei der dritten Wiederholung langt es jedem Schüler. Aber das Thema ist nun mal wichtig. Und wie schnell hat man in Mathe und Physik was nicht verstanden oder schnell wieder vergessen, weil es nur ein mal dran war? Das darf mit der deutschen Geschichte nicht passieren. Wir haben eine gewisse Verantwortung!!!
Gruß
Hunzlipunzli
Ich denke, dass es genug andere historische Hintergründe gibt, also wenn es das dritte Reich nicht gegeben hätte, wäre man halt auf andere historische Ereignisse näher eingegangen. Da es das dritte Reich nunmal gibt, sollte man dieses auch durchnehmen und genauer besprechen. Das dritte Reich ist eins der wichtigsten oder vielleicht sogar das wichtigste Ereignis deutscher Geschichte, und jeder sollte erfahren worum es dabei ging und was es damit auf sich hatte, dass so etwas schreckliches nicht nocheinmal passiert. Was allerdings nicht selten passiert ist, dass wenn man das dritte Reich zu oft behandelt, es einem "aus dem Halse raushängt". Ich denke, dass man es behandeln sollte, aber nicht übertreiben sollte. Irgendwann ist auch der Mensch so vollgestopft damit, dass er einfach abschaltet.
Vielen Dank ersteinmal für eure ausführlichen Antworten!
MattiS.D-Sign hat geschrieben: Ich denke, dass man es behandeln sollte, aber nicht übertreiben sollte. Irgendwann ist auch der Mensch so vollgestopft damit, dass er einfach abschaltet.
Genau der Meinung bin ich auch. Denn bei uns ist es so, dass man den Nationalsozialismus in mindestens fünf Fächern (Reli, Deutsch, Englisch, Geschichtte und Politik und Wirtschaft) durchgenommen hat, und daher dann jeder aufstöhnt, wenn dann der Deutschlehrer sagt: "Wir lesen jetzt ein Buch über Judenverfolgung!"
Ich finde, dass durch diese häufige Verwendung des Themas der eigentliche Zweck des Ganzen (nämlich die Abschreckung und die Aufklärung) nicht deutlich wird, und das ganze eher kontraproduktiv ist.
Grüße Jannik
Hm, bei meiner ehemaligen Schule hätten sich dann die Lehrer ja allen Ernstes um den ganzen Rest der Geschichte kümmern müssen. Wir hatten sage und schreibe sechsmal den Nationalsozialismus und beinah wären siebenmal gewesen, wenn wir nicht gestreikt hätten. Und das waren nur die Male, welche im Geschichtsunterricht stattfanden. Zu allem Überfluß kauten wir dabei jedesmal die Judenverfolgung durch, was dazu führte, das es ewig dauerte ehe wir nach der Schulzeit uns mit diesem Themenbereich wieder beschäfftigen konnten, ohne die Schwämmchen zu bekommen. Kurzum, da hat man uns einen ziemlichen Bärendienst erwiesen.
Im Nachherein hätte ich zum Beispiel gerne mehr über solche nicht ganz unwichtige Themen wie 30jähriger Krieg oder Römisches Reich erfahren und auch etwas Nachkriegsgeschichte wäre irgendwie nett gewesen. Oder ne angemessene Vertiefung des Themas Mittelalter (in der Tat war da der Unterricht derart oberflächig, das ich locker mit meinen Vorkenntnissen auskam, was garantiert nicht die richtige pädagogische Botschaft gewesen sein dürfte). An nicht deutscher Geschichte gab es grad mal Entdeckung Amerikas und die französische Revoltion. Mager, mager. Martin Luther hatten wir, aber die Bauernkriege wurden doch ziemlich ausgeblendet und wenn es nach unserem Geschichtsunterricht ging, fing auch die deutsche Geschichte eigentlich erst mit den Römern an, davor hockten wir alle in der Höhle und grunzten rum. Fazit: Man kann es auch in die andere Richtung hin böse übertreiben.
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