Warum fühlen sich Queere Menschen benachteiligt?
Gorgen_ hat geschrieben:Nehmen wir willkürlich nur ein Beispiel: Die Oberbürgermeisterin von Köln. Sie hat ja auf dem letzten CSD kräftig die Regenbogenfahne geschwungen.
Wenn es nur das gewesen wäre. Letztes Jahr hat sie vor einer anderen Veranstaltung vorher medienwirksam dazu aufgerufen, sich dem Marsch für das Leben entgegenzustellen. Das führte dazu, dass teilweise gewaltbereite Menschen aus ganz Deutschland anreisten und sich heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei lieferten, die nicht die personellen Kapazitäten hätten, um den Gebetsmarsch hinreichend zu schützend.
Eltern hatten Angst um ihre Kinder, Menschen mit Behinderungen wie dem Down-Syndrom wurde entgegengebrüllt, dass Abtreibung die Lösung anderer Frauen gewesen wäre, Informationsstände und anderes wurde teilweise zerstört und die friedlichen TeilnehmerInnen waren schockiert von dem Hass, der Gewaltbereitschaft und den Übergriffen der radikalen Gegendemonstranten, die teilweise aus der queeren Community kommen.
Dass es dieses Jahr ohne einen solchen Aufruf der Bürgermeisterin sich einem angemeldeten und legalem Gebetsmarsch entgegenzustellen sehr viel ruhiger lief und gewaltbereite Linksradikale nicht aus ganz Deutschland kamen, zeigt wie viel Einfluss diese Frau hat und wie sie ihre Macht nutzt.
Also weil es bei einer Demonstration gegen etwas, das unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht strafrechtlich verfolgt wird, und für etwas, das gesellschaftlich absolut erwünscht und erlaubt ist, gab es Gegendemonstranten? Und eine Bürgermeisterin hat ihre Meinung kundgetan, dass Menschen Entscheidungsfreiheit haben sollen? Und die Polizei war nicht vorbereitet?
Und das nennt ihr dann allen Ernstes Diskriminierung und Benachteiligung? Das ist doch nur mit einem völligen Realitätsverlust zu erklären! Da redet der eine von Sperma an Wänden (in seiner verkorkten Fantasie wohl eine homosexuelle Spezialität ) und die nächste hält keine andere Meinung aus, weil nur ihre Meinung zählt. Verrückt!
Ihr bekommt also keine Wohnung, weil ihr gegen Abtreibung seid? Ihr müsst abtreiben, um gesellschaftlich nicht ausgegrenzt zu werden? Weil ihr eine Schwangerschaft nicht abbrechen würdet, bekommt ihr keinen Job, obwohl selbst jeder Gynäkologe die Wahl hat?
cooper75 hat geschrieben:Und eine Bürgermeisterin hat ihre Meinung kundgetan, dass Menschen Entscheidungsfreiheit haben sollen?
Nein, ich sehe es durchaus nicht nur als Meinungsäußerung, wenn man als Bürgermeisterin dazu aufruft, sich betenden Menschen, entschlossen entgegenzustellen. Das haben auch die Linksradikalen anders verstanden. Und wäre dasselbe vor dem CSD passiert und es hätte geheißen, man solle nach Köln kommen, um diese Parade zu blockieren, dann wäre deine Sicht sicherlich auch anders.
Man wird sicherlich nicht gezwungen abzutreiben, allerdings wird heutzutage durchaus erwartet, dass man Fruchtwasseruntersuchungen machen lässt und bei Verdacht zum Beispiel auf Trisomien (künftig wird man sicherlich auch viele andere Behinderungen voraussagen können) oder bei erkannten Fehlbildungen wird sozial und von den Medizinern durchaus erwartet, dass man einer Abtreibung zustimmt. Andernfalls ist man doch selbst schuld und muss damit leben, dass man "sowas" nicht abgetrieben hat.
Als homosexuelles Paar (bei offeneren Konstellationen mit mehreren Sexualpartnern mag es anders sein) bekommt man sicherlich so manche Wohnung eher als der alleinerziehende Vater mit behindertem Kind. Arbeiten gehen ist für Eltern von behinderten Kindern vielleicht anfangs noch ein Zukunftswunsch, aber willkommen in der Realität, in der es für Arbeitgeber nicht tragbar ist, dass du ständig ausfällst, weil dein Kind krank ist, das Kita-Personal krank ist oder dein Kind abgeholt werden muss, weil es gerade zu schwierig ist.
Später wird auch gerne mal die Schulpflicht außer Kraft gesetzt und dein Kind unter Umständen für Monate zwangsbeurlaubt oder darf immer wieder phasenweisen nicht zum Unterricht. Je nach Bundesland und Gutachterin ist es den umliegenden Grundschulen sowieso nicht zuzumuten und es wird erwarten, dass dein Kind bis zu 30 Kilometer entfernt zur Förderschule gefahren wird- wo du es wieder abholen musst, wenn und wann die Lehrergemeinschaft es wünscht.
Ich schrieb auch bereits, dass mir keine Personengruppe bekannt ist, die nie diskriminiert wird. Das ist wohl noch ein eigenes Thema. Was queere Menschen betrifft, so ist es durchaus so, dass wir heutzutage gesetzlich wie auch sozial ganz andere Voraussetzungen haben, als es bei den ersten CSD der Fall war, geschweige denn noch früher. Von den Nazis wurden allerdings Gläubige und Behinderte wesentlich zahlreicher diskriminiert, zwangssterilisiert und ermordet.
Und die Ursprungsfrage ist doch: Wo erlebst du heutzutage Benachteiligung, weil du queer bist? So manche in diesem Thread genannten Punkte, vor allem in Bezug auf die CSD sind eher Bevorteilung durch politischen und gesellschaftlichen Support.
Gorgen_ hat geschrieben:Wie ich oben schon schilderte, ja, es gibt so etwas wie Diskriminierung. Aber die hat andere Gründe. Die im Zusammenhang mit dem schmückenden Beiwort "queer" hier gemeinten Gruppen sind meiner Meinung nach keineswegs stets diesen Anfeindungen ausgesetzt. Im Gegenteil, sie reden sich das häufig selber ein, so dass sie schließlich selbst glauben, unter so etwas wie Verfolgungswahn zu leiden.
Das war meine oben getätigte Aussage über die "Qualifizierung" des Begriffes Diskriminierung. Der Begriff Diskriminierung ist für meine Begriffe in dem Zusammenhang einfach zu hoch gegriffen.
Unter Diskriminierung verstehe ich beispielsweise die jahrzehntelange Unterjochung der nicht-europäisch stämmigen Ethnien in Südafrika. Diskriminierung bedeutete dort: Ganz bewusster Ausschluss aus der übrigen Gesellschaft. Was sich offen sichtbar in der Verweigerung der Bildungsmöglichkeiten und Zutrittsverbot von Swimmingpools bis hin zur Reglementierung der Benutzung öffentlicher Toiletten und Verkehrsmittel manifestierte.
Dass sie dann noch von der internationalen Sprachkommunikation ausgeschlossen werden sollten, indem nur noch das "Knubbel-Nederlands", das "Afrikaans" als offizielle Sprache nur für sie zugelassen werden sollte, brachte unter anderem das Fass zum Überlaufen. hierDas verstehe ich unter dem Begriff Diskriminierung, hier als prominentes Beispiel die Apartheit in Südafrika.
Im Gegensatz dazu kann bei genauerer Betrachtung höchstwahrscheinlich kein Teilnehmer am Kölner Christopher-Street-Day-Umzug eine Unterjochung oben geschilderter Art für sich reklamieren. Deswegen würde ich vorschlagen, nicht mit hochtrabenden Begrifflichkeiten um sich zu werfen, die im historischen Kontext ganz andere Dimensionen angenommen hatten.
Noch ein Beispiel: Im Fernsehen lief in, ich glaube es war Terra Xpress, letztens eine Sendung über die soziale Wahrnehmung der Menschen. Der als "queer" zu bezeichnende junge Mann wurde von Moderator auf der Straße interviewt. Und jetzt dass interessante. Nachdem der Moderator am Ende des Beitrages angekommen war und die Straße weiter herunter ging, sah man, wie sich in etwa 50 Metern Entfernung der junge Mann noch einmal umdrehte. So nach dem Motto: "Seht her, wie schön ich bin." Und fast schon enttäuscht war, als er keine Reaktionen der Passanten vernahm.
Es bleibt jetzt leider nicht aus, mit populärpsychologischen Begriffen zu argumentieren und eine Einordnung zu versuchen. Das Verhalten des jungen Mannes oben würde ein Psychologe als Narzissmus, Selbstverliebtheit bezeichnen. Dabei ist der Begriff Narzissmus nach Auffassung der Mehrheit durchaus negativ besetzt. Der Ansatz wäre nun, die Negativbesetzung zu eliminieren oder zumindest abzuschwächen. Dann wären wir schon einen gewaltigen Schritt weiter.
Leider ist die soziale Wahrnehmung anders und das auch aus gutem Grund. So etwas nennt man dann "doppelte Inkintingenz". Und "queere" Menschen neigen eher dazu, diese "Unsicherheit" als Ablehnung oder schlimmstenfalls sogar Aggression zu interpretieren. Und das hauptsächlich aus der Tatsache heraus, dass sie sich meistens schon im Sinne einer Selbstanalyse mit diesem Thema näher befasst haben und so ein gewisses Erwartungsschema entwickelt haben.
Bisweilen werden dumme "Schwulenwitze" gemacht. Dabei verhält es sich oft so, dass derjenige, der so etwas sagt, von seinen eigenen homosexuellen Gefühlen ablenken möchte. Und das Subjekt, das erogen wirkt, wird einerseits dann unvermittelt zum Objekt von Ablehnung. In Wirklichkeit ist es dann eher der Witzeklopfer, der "schwul" ist. Für so etwas gibt es im Vokabular der Psychologie auch einen schönen Begriff:Übertragung
Man sieht, die sozialen Bewertungsmuster sind komplexer, als dass sich dies in wenigen Stichworten abhandeln ließe. Man könnte auch einfachere Formulierungen wählen wie: "Er oder sie ist einfach nicht mein Typ." Oder man findet jemanden sympathisch oder unsympathisch. Woran das dann liegt, hat im Negativfalle mit Diskriminierung zunächst einmal nichts zu tun, sondern eher mit den komplexen sozialen Wahrnehmungsmustern.
Mit diesem Thema hatte sich, so ganz nebenbei bemerkt, schon ein gewisser Johann Wolfgang von Goethe befasst. Er wollte eine Persönlichkeit nicht nur nach dem äußeren Erscheinungsbild beurteilen. Seine Worte waren: "Sprich, damit ich Dich sehe". Stimme und Ausdruck gehören eben auch zum Image einer Person, nicht nur isoliert herausgepickte Wahrnehmungen.
In unserer auf nur sekundenlange, kurze Blick-Bewertung ausgerichtete, übervölkerte Massengesellschaft fällt es umso schwerer, die richtige Entscheidung für "sympathisch" oder "unsympathisch" zu treffen. Eine konventionelle Höflichkeit, die ja als oldschool gilt und ins 18. Jahrhundert verbannt worden ist, würde derartige Dinge ein wenig, wenn auch nur oberflächlich, abmildern helfen. Aber die Zeiten haben sich geändert.
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