Wodurch habt ihr euren Glauben verloren?

vom 28.09.2024, 16:33 Uhr

@lascar: Auf vielen Ebenen macht es wenig Unterschied, ob du an Gott glaubst oder nicht. Wenn du in deiner Ehe deine Frau verprügelst und Kinder mit einer anderen zeugst, dann musst auch du dich dafür vor dem (Scheidungs-)Richter rechtfertigen. All das, was Gott uns gibt auf dieser Welt, ist nicht dazu da, dass wir es hemmungslos konsumieren. Dazu dienen die Gebote, u.a. dass man nicht ehebrechen soll und es durchaus schon als Ehebruch anzusehen ist, die Frau eines anderen lüstern anzusehen. Das magst du abstreiten, doch bei genauerem Überlegen, wirst du erkennen, dass alles, was uns Menschen schadet, lange vor der Tat beginnt.

Ähnlich ist es mit dem Töten. Auch ohne Waffen können wir viel Schaden anrichten- vor allem an unserem eigenen Körper. Bist du nun böse auf Gott, dass er so leckere Nahrungsmittel gemacht hat, die dafür sorgen, dass deine Zähne, deine Leber, Nieren, Herz, Magen etc. geschädigt werden? Gott hat auch giftige Pflanzen erschaffen und auch dabei kommt unser freier Wille und unser Verstand ins Spiel.

Selbst wenn meine Sehnsucht nach einem Mix aus Rizinus, Oleander, Tollkirsche, Eibe und Stechapfel groß ist, so weiß ich, dass es nicht Gottes Wille ist, dass ich dem Trieb nachgebe. Ich weiß, dass ich mich dann ziemlich schnell vor Gott für mein Verhalten/meinen Konsum verantworten müsste. Soll ich dann argumentieren, dass es doch gemein sei, weil Gott all das interessante Zeugs erschaffen hat und davon ausgehen musste, dass ich mich in meine Neugier und mein Interesse dafür so reinsteigere, dass ich mir damit schade?

Und auch ohne, dass du an einen gütigen Gott und einen teuflischen Widersacher glaubst, wirst du Versuchungen in deinem Leben kennengelernt haben und hast gelernt, dass sie Schaden anrichten, wenn du ihnen nachgehst. Und du triffst bei krasseren Versuchungen und Einflüsterungen die Entscheidung, dich ihnen nicht hinzugeben- denn sonst wärst du vermutlich schon auf dem Friedhof, in der Forensik oder im Gefängnis.

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» Trisa » Beiträge: 3232 » Talkpoints: 83,28 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Trisa hat geschrieben:Und auch ohne, dass du an einen gütigen Gott und einen teuflischen Widersacher glaubst, wirst du Versuchungen in deinem Leben kennengelernt haben und hast gelernt, dass sie Schaden anrichten, wenn du ihnen nachgehst. Und du triffst bei krasseren Versuchungen und Einflüsterungen die Entscheidung, dich ihnen nicht hinzugeben- denn sonst wärst du vermutlich schon auf dem Friedhof, in der Forensik oder im Gefängnis.

So ist das. Um ein menschliches und "anständiges" Leben zu führen, braucht man bzw. brauche ich ehrlich gesagt keine Religion. Ich persönlich fühle mich humanistischen Idealen verpflichtet. Insbesondere versuche ich drauf zu achten, Vorurteile und Vorverurteilungen zu vermeiden und Menschen gleichberechtigt ohne Ressentiments zu begegnen. Und zwar unabhängig davon, woher sie kommen, welcher Religion sie angehören, oder ob sie ungläubig sind.

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» lascar » Beiträge: 4472 » Talkpoints: 790,68 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


@lascar Humanistische Ideale scheinen ein eigenes Thema zu sein, spontan würde ich sagen, dass ich durchaus human lebe und nicht animalisch oder was auch immer das Gegenteil ist. Ich sehe Glauben als möglichen Teil von Religionen, doch letztendlich glaubt jeder etwas. Du glaubst, dass deine Vorstellung von "Anstand" passend ist und hast für dich entschieden, dich den Idealen einen Humanismus zu unterwerfen und danach zu Leben. Deine persönliche Lebensweise ist aber deshalb doch keine Philosophie, oder?

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» Trisa » Beiträge: 3232 » Talkpoints: 83,28 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Trisa hat geschrieben:und hast für dich entschieden, dich den Idealen einen Humanismus zu unterwerfen und danach zu Leben. Deine persönliche Lebensweise ist aber deshalb doch keine Philosophie, oder?

Es fühlt sich für mich nicht nach "unterwerfen" an, da ich mich deswegen nach humanistischen Idealen verhalte, weil ich es für menschenfreundlich und sozialverträglich erachte, und weil ich grundsätzlich die Menschen mag. Ich mache das nicht, um einer Anleitung oder einem Regelwerk zu gehorchen.

Eine Philosophie steckt im engeren Sinne vielleicht nicht dahinter, oder doch? Jedenfalls basiert mein Verhaltenskodex nicht auf einer religiösen Gedankenwelt, sondern auf der Idee, dass wir uns gegenseitig als Menschen achten und wertschätzen sollten, und dass wir Menschen letztlich alle gleich bzw. gleichwertig sind.

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» lascar » Beiträge: 4472 » Talkpoints: 790,68 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Trisa, du gehst die ganze Zeit für dich und aus deiner Sicht darauf ein, was Gott möchte. Allerdings weichst du den Konsequenzen, die die Regeln und Ansichten der katholischen Kirche für Lascar haben, konsequent aus. Und damit meine ich nicht nur, was er wie Leben könnte oder nicht, sondern ganz besonders das, was das emotional mit einem Menschen macht. Das soll Gottes Wille sein?

» cooper75 » Beiträge: 13390 » Talkpoints: 511,86 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


@cooper75 Ich verstehe deinen Beitrag nicht. lascar ist offensichtlich kein Christ und glaubt nicht, dass er sich als Konsequenz irgendwann dafür rechtfertigen muss, warum er mehrere Ehen eingegangen ist, Fastentage nicht eingehalten und vorehelichen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Und emotionale Komponenten sehe ich bei einer Scheidung (die durchaus auch Christen erlaubt ist) durchaus für jeden, der nicht nur eine kinder- und emotionslose Scheinehe führte. Und ich glaube doch durchaus, dass es nicht der Willen Gottes ist, dass Menschen fremdgehen, es nicht mehr miteinander aushalten, vor Gericht streiten und Millionen Kindern sich von Elternteilen entfremden und/oder hin und her pendeln. Auch als Atheistin, die ich die meiste Zeit meines Lebens war, hielt ich dies aus menschlicher Perspektive nicht für erstrebenswert.

@lascar Ich wage zu behaupten, dass die allermeisten Gläubigen es genauso sehen und soweit ich weiß, gibt es sehr wenige mythologische Zweige, die an rein menschenfeindliche Götter glauben. Und dabei handelt es sich dann immer um einzelne Götter, die für Zerstörung stehen, vor denen die Menschen Angst haben, sie bekämpfen oder zumindest kontrollieren wollen oder Schutz bei anderen Göttern suchen.

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» Trisa » Beiträge: 3232 » Talkpoints: 83,28 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Trisa, du weichst weiter aus! Lascar ist so, wie er geboren wurde. Wenn es also Gott gibt, dann hat er ihn so gemacht. Aber wenn Lascar eine Partnerschaft eingeht, sündigt er. Dazu stellt der Großteil der deutschen Bischöfe seine Natur als Störung dar. So: Was macht es mit der Psyche, wenn man als gestört gesehen wird, und man sein ganzes Leben auf eine Partnerschaft verzichten muss, um nicht zu sündigen. Wobei die katholische Kirche diesen Verzicht dann noch nicht einmal als "echten" Verzicht wertet. Das zeigen die Ausführungen zu Homosexualität als Weihehindernis.

» cooper75 » Beiträge: 13390 » Talkpoints: 511,86 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



@cooper85 Ich kenne lascar nicht persönlich und wusste auch nichts von seiner Homosexualität und erst recht nicht, worauf du hinaus willst. Jetzt, wo mir dies klar ist, gehe ich gerne darauf ein. Obwohl ich vorher bereits schrieb, dass ich nicht davon ausgehe, dass Gebote, die für Gläubige gelten, für Ungläubige ein Problem sind.

Zwar esse ich selbst kein Fleisch und somit auch kein Schweinefleisch, allerdings halte ich auch alle anderen Gebote des Islams nicht ein. Das sehe ich nicht als Sünde und glaube deshalb auch nicht, dass mich Allah dafür bestrafen wird. Ich habe auch keinerlei Problem damit am kürzlich von den Juden begangenen Jom Kippur Feiertag zu essen, trinken, duschen oder einen Kinderwagen schiebend einkaufen zu gehen. Ich denke auch hier wiederum nicht, dass ich dadurch eine Sünde begangen habe. Alles Dinge, die jüdische Gelehrte verurteilen und die für praktizierende Juden undenkbar wären.

Wäre ich zu dieser Zeit in Israel gewesen, hätte ich mich allerdings nicht leicht bekleidet mit Ghettoblaster essend vor eine Synagoge gesetzt. Anderes wie Einkaufen, Freizeitaktivitäten, ÖPNV fahren, Fliegen etc. wäre sowieso gar nicht möglich gewesen, weil alles geschlossen ist und selbst Taxen kaum fahren. Das sehe ich als Respekt, Sensibilität und Rücksicht gegenüber den Menschen und zudem wird manches gesetzlich geregelt.

Zurück zu meinem Glauben, zu dem ich vor wenigen Jahren gefunden habe. Ich glaubte früher nicht an Christus, kannte die Gebote nicht und wollte auch nichts davon wissen. So hatte ich vorehelichen Verkehr mit beiderlei Geschlechtern und nicht mal nur immer mit einer Person. Das war früher für mich keine Sünde, auch wenn ich es unabhängig vom Glauben heute nicht empfehlenswert finde. Und mir wäre vollkommen egal, was Fremde dazu meinen und es ob im Islam, Buddhismus, Scientology, bei den Mormonen oder Zeugen Jehovas eine Sünde ist.

Ich habe allerdings noch NIE erlebt, dass mich jemand dafür verurteilt hätte. Weder zu der damaligen Zeit, als mir zwar klar war, dass das meiste für meine gläubigen Arbeitskollegen, Nachbarn und Bekannten aus verschiedenen Religionsgemeinschaften Sünde ist (wobei ich nichtmal weiß, ob dieser Begriff in allen Glaubensrichtungen genutzt wird), weshalb ich sie auch vor intimen Details verschonte. Aber auch nach meiner Bekehrung hat mich auch in erzkonservativen Kreisen nie jemand verurteilt. Eher im Gegenteil traf ich auf viele "Gleichgesinnte" und schlimmere Sünder. Ich lernte Dutzende Menschen kennen, die vor ihrer Bekehrung nicht nur Todsünden (dazu muss man niemanden umbringen) begangen haben, sondern auch teilweise langjährige Haftstrafen verbüßt haben, u.a. wegen Mord.

Mir scheint, dir ist nicht bewusst, dass praktizierenden Christen ihre Sündhaftigkeit bewusst ist. Nach meiner Konversion verstand ich auch nicht, warum z.B. traditionelle Familienmütter, der Papst, Nonnen und Mönche regelmäßig beichten gehen. Ich sah sie als Menschen, die in ihrem ganzem Leben weniger gesündigt haben, als ich an einzelnen Tagen. Und selbst eine Einsiedlerin, deren Kontakt zur Gesellschaft sich auf grüßende Begegnungen beschränkte, beichtete- was bedeutet, dass auch sie regelmäßig sündigt.

Meine Sünden sind eine Störung in meiner Gottesbeziehung. Wenn ich denke "dem xy würde ich am liebsten *******" dann ist dieser Gedanke nicht im Sinne Gottes. Das weiß ich heute und ebenso, dass ich mich dafür entschuldigen sollte, anstatt meiner Vorstellung weiter nachzugehen oder gar in die Tat umzusetzen. Es wäre leicht zu sagen, dass es doch Gottes schuld ist, dass ich sowas denke, denn er hat mich gemacht und ist für alle meine Gedanken verantwortlich.

Ich habe den freien Willen bekomme und kann somit entscheiden, ob ich jemanden absichtlich verletzte, Temu durch fehlerhafte Rücksendungen betrüge, mit meiner glücklich verheirateten Arbeitskollegin und/oder ihrem Mann sexuell aktiv werde oder mir freitags einen Fleischteller bestelle und Gott dafür die Schuld gebe. Ebenso kann ich entscheiden, dass ich meine Sünden bereue und sie bekennen und Jesus um Vergebung bitten. Praktizierende Katholiken nutzen dafür die Beichte, in der der Priester stellvertretend für Christus Vergebung ausspricht. Und du darfst mir glauben, dass selbst bei den peinlichsten, "dämlichsten" oder meiner Meinung nach heftigsten Sünden noch nie ein Priester, geschweige denn ein Bischof sagte ich sei gestört.

Es gibt durchaus Sünden, die mich selbst belasten, weil ich nicht verstehe, warum ich sie immer wieder begehe. Das ist dann eher Thema für ein seelsorgliches Gespräch, welches immer die Gläubigen von sich aus suchen. Würde ich z.B. trotz Reue (was auch notwendig ist für die Lossprechung) und allen guten Vorsätzen mein Kind jedes Mal nach der Beichte wieder schlagen, dann könnte es passieren, dass der Priester mit mir über Möglichkeiten spricht, von dieser Sünde wegzukommen. Er verurteilt dabei allerdings die Sünden, also meine Taten, und nicht mich.

Da dir offensichtlich das Thema Homosexualität wichtig ist: Es ist keine Sünde, wenn ich Gefühle haben. Zur Sünde wird es, wenn ich diese auslebe. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich in Gedanken einen früher gesehenen Hetero-Porno in meinem Kopf abspiele, in einen Lesbenclub gehe oder vor der Ehe mit meinem Partner sexuell aktiv werden. Da dies mehrere christliche Konfessionen allerdings durchaus anders sehen, kann man dort durchaus auch Homosexualität leben und als schwules Paar gemeinsam als Pastor arbeiten.

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» Trisa » Beiträge: 3232 » Talkpoints: 83,28 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Trisa hat geschrieben:Es ist keine Sünde, wenn ich Gefühle haben. Zur Sünde wird es, wenn ich diese auslebe.

Aber warum soll es eine Sünde sein, Gefühle auszuleben? Noch dazu, wenn es sich um positive Gefühle wie Liebe und Zuneigung handelt? Heißt es nicht oft, dass der christliche Gott ein Gott der Liebe sei? Aber warum um alles in der Welt soll es dann eine Sünde sein, genau diese Gefühle auszuleben? Warum sollte es stattdessen gottgefällig sein, allein und ungeliebt sein Leben zu verbringen? Was hat Gott davon, wenn Menschen allein bleiben müssen, um keine Sünde zu begehen?

Genau das sind Themen, die mich dazu gebracht haben, meinen Glauben und meine Religion aufzugeben, denn diese Dinge habe ich nie verstanden und nie nachvollziehen können.

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» lascar » Beiträge: 4472 » Talkpoints: 790,68 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


@lascar Das musste ich auch erst "lernen", zumal ich nicht sprachbegabt bin und auch nach mehreren Jahren Lateinunterricht damals keine Ahnung von den Unterschieden hatte. Denn im Deutschen benutzen wir das Wort Liebe gleichermaßen für die Liebe zu Eltern/Kindern, die Liebe zu Gott, die Nächstenliebe, die Sexualität/erotische Liebe ("Liebe machen"), die Feindesliebe, Liebe zu Tieren, Selbstliebe, sogar für die Liebe zu Gegenständen oder Aktivitäten ("ich liebe Fitness").

Mittlerweile habe ich verstanden, dass "Liebe deinen Nächsten" keineswegs bedeutet, dass wir mit Jedem körperliche Liebe praktizieren sollen, sondern dass diese Form der Liebe, die biblisch damit beschrieben wird, dass die "Eheleute ein Fleisch" werden, gewissermaßen etwas Heiliges ist.

Ich weiß nicht, ob die eheliche sexuelle Liebe zur Zeit Christi überhaupt genauer benannt wurde. Verstanden habe ich mittlerweile, dass wohl manche Missverständnisse daraus resultieren, dass wir sprachlich oft nicht zwischen Eros/Amor (sexueller Liebe), Philia (Freundschaftlicher Liebe), Agape (gewissermaßen die spirituelle Liebe zu Gott und den Nächsten) und anderen Formen unterscheiden.

Du weißt bestimmt, dass Jesus die Nächstenliebe nicht nur predigte, sondern lebte. Er liebt alle Menschen. Dennoch spricht auch die Bibel von er besonderen Beziehung zwischen Johannes und Jesus:

Johannes 13:23: „ Einer von den Jüngern lag an der Seite Jesu; es war der, den Jesus liebte.“

Im Deutschen könnte man da leicht anderes hineininterpretieren. In der Übersetzung von Luther liest man sogar, dass er "an der Brust Jesu lag", was früher wohl eine recht übliche Form war mit seinen besten Freunden zu speisen.

In anderen Sprachen liest sich die "Liebe" anders. Im Griechischen steht agapáo, was für die Agape, die selbstlose Liebe steht. Im Lateinischen steht diligere, was man mit wertschätzen oder "besonders achten" übersetzen kann. Und selbst die größten Kritiker Jesu gehen nicht davon aus, dass Johannes in sexueller Weise an Jesu Brust lag und die beiden offen homosexuell lebten.

Zurück zu uns: Wir sollen lieben und entsprechend auch geliebt werden. Wir sollen sogar unsere Feinde lieben. Und auch wenn ich vermutlich nie heiraten werden (außer vielleicht man sieht Ordensgelübde als Hochzeit mit Jesus) und dadurch nie die Liebe zu leiblichen Kindern erfahren darf, muss ich keineswegs allein, einsam oder gar ungeliebt sein. Wir alle sind Gottes geliebte Kinder.

Und so darf ich immer die Nähe zu Gott suchen, mich von ihm lieben lassen, mich seiner Liebe hingeben. Mehr noch, soll idealerweise alles, was ich arbeite und erschaffe, zur Ehre Gottes in Liebes geschehen. Das fiel mir zugegebenermaßen bei Besuchen (inkl. Mitarbeit) im Kloster sehr schwer. Vor allem bei Tätigkeiten, die mir nicht so liegen, wo ich wenig Erfahrung haben. Was mir dort aber klar wurde ist, dass die Nonnen und Mönche auch durch ihre Arbeit diesem Ideal näher kommen. So werden dort oft liebevoll und betend schöne Dinge hergestellt, man kümmert sich liebevoll um Gäste und Besucher oder in tätigen Ordensgemeinschaften sogar um die "Aussätzigen", mit denen viele Menschen nichts zu tun haben wollen (Drogensüchtige, Alkoholiker, Menschen mit ansteckenden Krankheiten, Waisenkinder, Kriminelle, etc.)

Ich darf auch unverheiratet mit anderen geliebten Menschen Zeit verbringen, darf in Gemeinschaft mit anderen zusammenleben, darf aus Liebe Verantwortung übernehmen, mich liebevoll um andere kümmern und wenn es mir nicht gut geht, darf ich die Nächstenliebe anderer annehmen und mich liebevoll pflegen lassen. Ich darf und soll (auch) gemeinsam mit anderen meinen Glauben leben, liebevoll caritativ tätig sein und mich in Liebe für andere Menschen einsetzen.

Dir geht es scheinbar um Sexualität, wozu ich schon einiges schrieb, und speziell um die Lehre der römisch-katholischen Kirche diesbezüglich. Demnach ist es Sünde sich in ungeordneten Verhältnissen seinen erotischen Gefühlen hinzugeben. Viele andere christliche Konfessionen vertreten diese Lehre so nicht (mehr) und auch in manchen römisch-katholischen Gemeinden in meiner Umgebung scheint es niemanden zu stören, wenn bekannt ist, dass die Messdienerleiter nicht nur dort ein Team sind, sondern auch als Liebespaar unverheiratet zusammenleben.

Wir sind heutzutage frei uns ab 14 Jahren selbst für eine konfessionelle Zugehörigkeit zu entscheiden und haben vielfältigste Möglichkeiten uns zu informieren. Bevor ich konvertierte (gewissermaßen vom Atheismus zur römisch-katholischen Kirche) zweifelten nicht nur andere an meinem Verstand und ich hörte teils übergriffige Kritik, sondern auch mein kritisches inneres Ich rief lautstark "du spinnst". Insgeheim wollte ich auch eher modernen Glauben, der eher zu meinem früheren Leben passte. So ging ich auch erstmal zum unkonventionellen, rebellischen, homosexuellen Priester zum modernen Gottesdienst - und fühlte mich dort dennoch nicht wohl.

Also nahm ich mir vor den Katechismus komplett zu lesen- auf der Suche nach Dogmen, Lehrinhalten oder Glaubenssätzen, die ich nicht bejahen kann. Dies mit dem Ziel mich dann doch weiter der römisch-katholischen Kirche fernzuhalten und einfach mein atheistisches Leben so weiterzuleben wie zuvor. Stattdessen verstärkte dies meine zaghafte beginnende Gottesbeziehung enorm und dieser neue gottgläubige Teil in mir wollte zu genau dieser Gemeinschaft gehören.

Ansonsten wäre ich vielleicht bei der alt-katholischen Kirche, einer evangelischen Landeskirche, einer moderneren lutherischen, anglikanischen oder reformierten Konfession beigetreten, die demselben Jesus nachfolgen, weitestgehend die gleiche Bibel in anderer Übersetzung lesen (und teilweise wesentlich bibelfester sind als ich), teilweise dasselbe Sakramentenverständnis haben usw., aber gelebte Homosexualität nicht (mehr) als sündig betrachten, gleichgeschlechtliche Ehen erlauben, teilweise mit der Möglichkeit der künstlichen Befruchtung und Adoption und in denen Frauen, Männer und sonstige Geschlechter predigen dürfen, als Pfarrerin ordiniert oder u.a. bei der altkatholischen Kirche sogar geweiht werden.

Du schreibst, dass dich die Lehre (vermutlich die der römisch-katholischen Kirche) dazu gebracht hat, deinen Glauben und deine Religion aufzugeben- das kann ich nicht nachvollziehen. Was ist Glaube für dich? Für mich ist es kurzgesagt Gottesbeziehung, die Liebe zu Gott- und die kann mir niemand nehmen.

Durch kritische Fragen anderer fragte ich mich damals auch selbst, was passieren müsste, damit ich den Glauben aufgebe. Und mir wurde klar, dass mein Glaube, meine Gottesbeziehung etwas Persönliches ist, wofür ich mich entscheide. Das Leben in der Nachfolge Christi macht mich zur Christin und somit ist das Christentum meine Religion. Und so wie ich frei war, der römisch-katholischen Kirche beizutreten, so habe ich ebenso die Freiheit diese zu verlassen, wenn es dort irgendwann große Veränderungen gäbe, die ich nicht mittragen kann und will. Oder ein Papst plötzlich als Dogma verkündet, ich solle an einen in einer Schildkröte wiedergeborenen Jesus glauben. Dann würde ich meine römisch-katholisch Konfession aufgeben und mir eine Glaubensgemeinschaft suchen, mit dessen Lehrmeinungen ich mich besser identifizieren kann. Das würde aber nichts an meinen Gottglauben ändern.

Verstehst du, was ich meine? Ich vermute, du würdest doch auch keine politische Ansicht, einen dir wichtigen Sport oder eine Lebensweise aufgeben, wenn die Partei, der Verein oder die Gruppe, in der du Mitglied wirst, sich so verändern würde, dass du deren Ansichten, Regeln und Programme nicht mehr teilen und unterstützen kannst. Sinnvoller wäre es doch dann, nach einer anderen Partei zu schauen, die deine Interessen stärker vertritt, einem anderen Verein beizutreten, mit dessen Leitung und Vereinsregeln du dich wohler fühlst und dort deinen Sport weiter betreiben, oder?

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» Trisa » Beiträge: 3232 » Talkpoints: 83,28 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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