Konsum und Glaube
In einem anderen Thread interessierte sich ein Mitglied, das sehr auf seinen christlichen Glauben bedacht ist, für die Rücksendemodalitäten bei Temu. Nun frage ich mich, wie solche Billiganbieter, die Menschenrechte und Umweltschutz mit Füßen treten, mit christlichen Werten zusammengehen sollen.
Schließlich lässt sich das absolut nicht mit Nächstenliebe, Bewahrung der Schöpfung und Mäßigung in Verbindung bringen. Und das ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Auch in anderen Religionen wird das durchaus kritisch gesehen. Der Islam stuft solche Angebote beispielsweise als haram ein.
Das kommt - glaube ich - wie immer darauf an, was man unter Glauben versteht. Die Grundbotschaft ist hier meines Wissens relativ eindeutig: Teilt miteinander, sorgt dafür, dass es für alle reicht und kümmert euch ordentlich um die Schöpfung, die Natur und die Tiere. Der berühmte "bewusste Konsum" ist eigentlich nur eine logische Folge daraus und einer der wenigen Aspekte im Christentum, die ich grundsätzlich unterstütze und auch bemüht bin, im Alltag zu leben.
Anderes Beispiel: Neulich erst hat die Deutsche Bischofskonferenz eine Studie veröffentlicht, in der die ökologisch und sozial negativen Aspekte der modernen konventionellen Landwirtschaft kritisiert und mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit befürwortet wurden.
Da war der Aufschrei vieler gläubiger Katholiken jedoch groß! Die Kirche und ihre Mitarbeiter sollen doch bitte sich auf Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen konzentrieren und ihren Anhängern gefälligst keine Vorschriften machen, wie sie mit der Umwelt und ihren Mitgeschöpfen menschlicher und sonstiger Natur umzugehen haben. Anscheinend kann man Umweltsau und Kirchgänger generell recht gut im Geiste vereinbaren.
Die Unternehmenspolitik von Temu ist sicherlich nicht christlich. Das gilt auch für die allermeisten anderen Großunternehmen. So habe ich keinen christlichen Arbeitgeber, keinen christlichen Vermieter, kenne keinen christlichen Automobilhersteller, Lebensmittelladen und bei den Bekleidungsfirmen fallen mir spontan nur C&A und Forever21 ein, die von bekennenden Christen gegründet wurden. Als christliches Unternehmen würde ich die beiden Firmen allerdings auch nicht bezeichnen.
Ich folge Christus, einem geborenen Juden, der keineswegs alles, was er konsumierte von seinen Jüngern produzieren ließ. So handhabe ich es insgesamt auch. Zudem bekenne ich, dass ich Sünderin bin. Und es ist nicht mein Anspruch und nicht meine Berufung als Selbstversorgerin in einer Einsiedelei zu leben, sondern ich lebe in der Welt und den Menschen um mich herum. Und dazu gehört, dass ich im angemessenen Rahmen konsumiere, obwohl ich weiß, dass alles, was ich konsumiere, nicht im Geist des Gebetes und zur Ehre Gottes produziert wurde.
Matthäus 22:21 „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ sagt Jesus den Pharisäern, als sie ihm eine Falle stellen wollten und fragten, ob seine Anhänger Steuern zahlen sollen. Ähnlich sehe ich es auch bei Temu. Temu erhält von mir das Geld, was es für seine Waren verlangt. Und ich nutze die von denen angebotenen Möglichkeiten der Rücksendung. Es liegt ebenso wenig in meinem Ermessen Steuern festzulegen, noch über arbeitsvertragliche Details anderer Menschen zu entscheiden.
Da Temu eine sehr breite Palette mit tausenden Artikel für Moslems anbietet, z.B. sämtliche Gebetsutensilien, Hijabs, Burkinis, muslimische Bekenntnisse in allen Formen, Wandteppiche mit Koran-Zitaten usw. gehe ich davon aus, dass durchaus viele Muslime dort einkaufen, denn Wirtschaft funktioniert seit langem so, dass die Angebote abhängig von der Nachfrage sind.
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