Warum wollen viele Chefs keine Digitalisierung?
Vermutlich kann man das nicht verallgemeinern, aber ich höre von sehr vielen Leuten aus meinem Umfeld, dass deren Chefs sich weigern, die Digitalisierung voranzutreiben. Meist wollen sie verhindern, dass Dinge elektronisch und dadurch auch von zu Hause aus bearbeitet werden können.
Es wäre doch eigentlich eine große Arbeitserleichterung und würde langfristig Kosten sparen. Kennt ihr ähnliche Chefs und woran, glaubt ihr, liegt das?
Wie alt sind die Chefs, die du kennst, die die Digitalisierung verhindern wollen? Mein alter Chef war um die 60 und war eigentlich sehr aufgeschlossen, auch wenn er größtenteils auch noch mit Papier gearbeitet hat. Er hat die Digitalisierung ziemlich vorangetrieben. Meine andere Chefin war um die 40, also deutlich jünger und hat die Digitalisierung bei uns in der Behörde auch vorangetrieben.
Oft ist es aber nicht der Chef, sondern die Mitarbeiter, die sich wehren. Entweder zeigen sie kein Interesse an den digitalen Medien, kommen damit nicht klar oder wollen eher damit nicht klarkommen und dann kommt noch "Das haben wir immer schon so gemacht"-Prinzip, welches leider immer noch sehr stark in den Köpfen verankert ist. Ich kann mich erinnern, dass ich zur Mitarbeiterschulung rausgegangen bin, die Mitarbeiter mir aber eiskalt gesagt haben, dass sie mir kurz zuhören würden, aber ihre Arbeitsweise nicht ändern würden. Das waren junge Menschen um die 25 Jahre.
Was nun genau unter Digitalisierung in dieser Frage verstanden werden soll, müsste nochmals deutlich gemacht werden. Ich zumindest verstehe unter Digitalisierung einmal die Verwendung von Computer und Laserdrucker als Schreibmaschinenersatz. Dann die Verwendung einer für die Firma zugeschnittene Buchhaltungs-Software. Das wären so für mich die Basics, die eigentlich wohl kaum auf Ablehnung stoßen dürften, weder bei der Geschäftsleitung noch bei den Mitarbeitern.
Wo es schon schwieriger wird, scheint für mich der Bereich Werbung oder Außenwirkung und Selbstdarstellung im Internet über Firmenhomepage mit entsprechender Datenpflege zu sein.
Dann, wenn auf Biegen und Brechen nun etwas anspruchsvollere Systeme wie zum Beispiel SAP Einzug in sämtliche Betriebsabläufe Einzug halten sollten. Dass der passive Widerstand in der Belegschaft hierbei schon deutlicher zu spüren sein kann, habe ich selber erlebt, wo ich SAP-Kurse in abgespeckter Form abhalten durfte.
Es war ja so, dass die Schulung der ersten Generation von Mitarbeitern so mit Kosten verbunden war, dass die Geschäftsleitung dann auf die glorreiche Idee kam, den Kursabsolventen anschließend die Aufgabe des Weitergebens ihres Knowhows an andere Mitarbeiter aufzudrücken. Ob das so ganz legal war, weiß ich nicht. Allerdings mussten so oder so für die notwendigen Transaktionscodes noch Lizenzen für Berechtigungen vergeben werden.
Das bedeutete dann zum Beispiel ein Abschiednehmen von gewohnten Excel-Listen und ein Einarbeiten in das SAP-System. Wenn dort nicht alles stimmte, konnten Buchungen nicht erfolgreich abgeschlossen werden. Bei Excel war das egal, hier kam es nicht so sehr darauf an, ob nun verwendete Materialnummer mit dem angelegten Materialstamm übereinstimmte, sondern ein allgemeiner Begriff genügte.
Also musste erst eine allgemeinzugängliche Excel-Liste mit zum Budget, der Kostenstelle etc. und Buchungsvorgang passenden Materialnummer erstellt werden, was wiederum in der Übergangszeit zu Mehrarbeit führte, denn der Materialstamm musste ganz nebenbei so auch erst eingepflegt werden.
Die wütenden Projektmanager pochten darauf, erst einmal alles wie gehabt auf Excel-Listen zu dokumentieren, was dann von einem mit der SAP-Software vertrauten Mitarbeiter in separater Arbeit ins System händisch übernommen werden musste, bis auch jene Manager diese Tätigkeit voll kapiert hatten und selber übernehmen konnten. Dabei kam es dann immer einmal wieder zu Brüchen im Workflow, den sich einige Manager so für sich optimal zurechtgelegt hatten.
Es vergeht also eine gewisse Übergangszeit, bis sich ein etwas voluminöseres Buchhaltungs-, und alle möglichen in der Firma notwendigen Geschäftsvorfälle und Arbeitsschritte dokumentierende System auf digitaler Grundlage durchgesetzt hat.
Des weiteren könnte ich mir vorstellen, dass Smartphone mit Apps und das Teilen von Daten vermittels Cloud-Lösungen noch auf Sicherheitsbedenken der Firmenchefs stoßen dürfte. Hier ist oft ein Konkurrenzdenken tief verwurzelt. Der Chef möchte nicht, dass durch irgendeine Unachtsamkeit eines Mitarbeiters Interna, Kalkulationsbeispiele in die Hände anderer gelangen könnten. Sei es auch nur, dass ein Mitarbeiter während einer Bahnfahrt über sein Smartphone Listen bearbeitet, die ein Mitreisender abspitzen könnte, womit er denn genauere Kenntnis über die Firma bekommen könnte.
Dafür gibt es aber auch entsprechende technische Lösungen. So könnte man Notebooks und andere Geräte, mit denen man Zugriff auf Firmendaten erhalten könnte, mit einer Encryption-Software versehen, die nur am Firmennetz (LAN) bestimmte Zugriffe auf sensiblere Daten erlaubt.
Komplett kann man sich meiner Meinung nach nur schwer gegen eine Digitalisierung verschließen, allerdings fahren viele noch zweigleisig. Umstrukturierung braucht Zeit und die Prozesse müssen laufen. Corona hat das Ganze meiner Meinung nach sehr beschleunigt. Ich arbeite in einem Job, wo Home Office nur wahnsinnig schwer bis gar nicht möglich ist. Aber auch wir haben Zoom und Co. kennen gelernt und ein Austausch funktionierte in der Zeit problemlos auch mal digital. Wenn es auch kein Ersatz war.
Aus der Not heraus konnte man sich da einfach gar nicht verschließen. Es waren nur wenige Kollegen, die Schwierigkeiten damit hatten. Mittlerweile haben wir auch einen digitalen Dienstplan und eine Stundenabrechnung, die online abrufbar ist. Allerdings gibt es eben immer auch noch einen Plan B.
Ich kann also nicht bestätigen, dass man sich gegen eine Digitalisierung wehrt. Wir haben Dienst-Laptops, Beamer usw. In der Firma meines Mannes läuft so gut wie alles digital ab. Kann man gut oder schlecht finden und tatsächlich funktioniert es auch oft genug nicht, sodass es Probleme gibt. Aber irgendwie ist das alles am Ende hinnehmbar.
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