Ist der Begriff der "Guilty Pleasure" angebracht?

vom 13.11.2016, 18:51 Uhr

Mit einer "Guilty Pleasure" ist etwas gemeint, das man mag, wofür man sich aber irgendwie schämt, oder von dem man sich nicht traut, darüber zu reden. Meist, weil die "Pleasure" von anderen für kindisch oder einfach schlecht gehalten wird, also beispielsweise Sachen wir ein Film, der miserable Kritiken bekommen hat, oder wenn man als Erwachsener gerne Kinderserien oder Kinderfilme schaut.

Würde mich jemand nach meinen Guilty Pleasures fragen, wüsste ich schon, was ich antworten würde, aber eigentlich fühle ich mich nicht besonders "guilty", sie zu mögen, und gehe damit auch dementsprechend offen um. Dass ich Freunde habe, die dieselben Sachen mögen, hilft dabei natürlich auch, dass man sich nicht fühlt, als wäre es etwas Seltsames.

Generell denke ich, dass man sich nicht für etwas schämen sollte, das man mag, wenn es niemandem sonst schadet. Nur, weil niemand sonst den Film mochte, tut es denen ja nicht weh, wenn er mir echt gut gefällt. Von daher benutze ich selbst auch selten den Begriff "Guilty Pleasure", wenn ich davon rede, auch wenn es mich nicht stört, wenn andere ihn gerne nutzen.

» Kalu-chan » Beiträge: 718 » Talkpoints: 11,85 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Das ist einer von den Begriffen, die man eigentlich nicht wirklich gut ins Deutsche übersetzen kann. Mir fehlt bei den Übersetzungsversuchen jedenfalls immer der Schuss Selbstironie und die Tatsache, dass man sich eigentlich nicht schuldig fühlt und den Begriff deshalb eher ironisch benutzt. Dass man sich eigentlich einfach nur gegenseitig versichert, dass jeder irgendwas mag, das nicht "cool" ist.

Über die Sachen, für die man sich wirklich schämen würde, spricht man im "guilty pleasures" Kontext doch überhaupt nicht. Du würdest deinen Freunden natürlich erzählen, dass du zum Beispiel schon zwanzig Mal "Titanic" gesehen hast oder ab und zu bei deiner low carb Ernährung schummelst weil du weißer Schokolade nicht widerstehen kannst. Und jeder wird das verstehen und eine ähnliche Geschichte parat haben. Aber würdest du zugeben, dass du Tierpornos anschaust? Oder nur zum Spannen in die gemischte Sauna gehst? Wahrscheinlich nicht.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Mit Freunden redet man vielleicht auch mal über seine Guilty Pleasures, aber meist sind es trotzdem noch Sachen, die man eben nicht hinausposaunt oder gar Fremden erzählt. Jemand, der zum beispiel My Little Pony als seine "Guilty Pleasure" hat, wird sich damit vielleicht schon hin und wieder mit guten Freunden unterhalten, gerade wenn es ebenfalls Fans sind. Wenn ihn jemand Fremdes fragt, was denn seine Lieblingsserie sei, wird er aber garantiert nicht MLP nennen, und wenn er jede Folge schon 20 Mal gesehen hat.

Gute Freunde sind eben oft ein anderer Kontext, vor denen schämt man sich rein generell weniger, egal ob man jetzt My Little Pony schaut oder irgendetwas Peinliches macht.

» Kalu-chan » Beiträge: 718 » Talkpoints: 11,85 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich kenne den Begriff zwar, aber ich benutze ihn absichtlich nicht. Wieso sollte ich mich schämen oder schuldig fühlen, dass ich schon ein Dutzend Mal Cats, das Musical, live gesehen habe, und bei dem Lied "Memory" immer noch anfange zu weinen? Oder dass ich immer wieder mal meine alten Kinderbücher herauskrame, weil sie mich an gute Zeiten erinnern und Protagonisten in einer sexuellen Latenzphase auch eine nette Abwechslung darstellen?

Aber nur weil ich mich dafür nicht schäme, heißt das noch lange nicht, dass ich jedem beliebigen Bekannten oder Arbeitskollegen gleich von meinen Hobbys vorschwärme oder Vorträge darüber halte, wie man kleine herzförmige Anhänger aus Perlen bastelt. Ab einem gewissen Alter ist es für mich ganz normal, dass man beispielsweise im Job oder sonstwie in der Öffentlichkeit eine bestimmte Rolle spielt und das quietschende Fangirl auch mal zu Hause lassen kann. Ich erzähle also nicht oft von meinen "guilty pleasures", wenn man sie denn so nennen will, aber wenn, dann geschieht das mit der größten Selbstverständlichkeit.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Für mich ist der Begriff des Guilty Pleasure auch immer mit einer gewissen Portion von Selbstironie behaftet. Etwas, von dem man weiß, dass es von vielen als peinlich angesehen wird oder kulturell in gewisser Weise wertlos ist. Oder etwas, was man eigentlich selbst richtig schlecht findet, aber auf eine komische Art und Weise trotzdem mag. Bei mir kommt es alle paar Jahre mal vor, dass ich eine Serie finde, die eigentlich objektiv betrachtet keinen künstlerischen Wert oder auch nur Anspruch hat und das Äquivalent einer Tüte Chips darstellt, ich es aber trotzdem mit Vergnügen gucke.

Vor Jahren war das mal in meinem Fall die Serie Revenge, die ich im ersten Lockdown nur so weg bingte. Drei bis vier Folgen, jeden Tag. Das absolute guilty pleasure, denn eigentlich war die Sendung nicht sonderlich gut gemacht, sondern einfach nur auf schnelles Weitergucken mit Schockeffekten angelegt. Und als älterer Teenager war ich meistens in der Rock-, Independent- oder Gothicszene unterwegs, mit der natürlich dazugehörigen Musik. Und trotzdem gab es einen unsagbaren Schlager, den meine Freundin und ich in einer anderen Disco jedes Mal feierten. :mrgreen:

Das ist auch so ein Inbegriff des Guilty pleasures. Etwas mögen, was peinlich ist und man kann sich nicht mal erklären, warum man das jetzt eigentlich mag, obwohl es allem widerspricht, was man sonst schätzt. Und ja, für mich beschränkt sich der Begriff primär auf Popkultur, nicht auf sonstige Vorliegen oder Dinge. Auf Mode, Ernährung oder andere Sachen würde ich ihn nicht anwenden.

» Verbena » Beiträge: 4934 » Talkpoints: 4,45 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Hm, ich musste erst überlegen, welche "Guilty Pleasures" ich wohl pflegen würde. Man könnte z.B. meine Essgewohnheiten dazu zählen, weil ich mich nach wie vor nicht vegetarisch oder vegan ernähre und mich manchmal dabei ertappe, das niemandem erzählen zu wollen. Einmal wollte ich auf dem Nachhauseweg im Linienbus telefonisch ein nichtvegetarisches Essen zum Abholen bestellen und habe mir den Anruf verkniffen, bis ich aus dem Bus ausgestiegen war. Und zwar deswegen, weil es mir irgendwie peinlich war, ein Gericht zu bestellen, das schon vom Namen her nicht vegetarisch war.

Aber wenn sich der Begriff wie im ersten Beitrag erwähnt überwiegend auf die Popkultur beschränkt, dann habe ich wahrscheinlich keine "Guilty Pleasures" zu verzeichnen. Jedenfalls fällt mir da spontan nichts ein: ich schaue nur höchst selten Soaps, gefühlvolle Serien oder das Traumschiff, ich höre meistens keine Schlager, und falls doch, dann kann ich es mit "Vintage" begründen, weil es Schlager aus den Siebzigern sind.

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» lascar » Beiträge: 4482 » Talkpoints: 792,20 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


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