Nur vegan essen, aber nicht vegan leben?
Wenn man sich vegan ernährt, dann hat man dafür in den meisten Fällen gute Gründe. Den meisten Veganern tun die Tiere generell Leid oder sie verachten die industrielle Massentierhaltung. Sich vegan zu ernähren ist gar nicht so schwer, dass bekommen viele noch hin. Ich finde es aber mitunter etwas widersprüchlich, wenn sich jemand zwar vegan ernährt, aber ansonsten nicht darauf achtet, tierische Produkte zu meiden.
Dabei sind wir im Alltag im Grunde die ganze Zeit mit tierischen Produkten konfrontiert. Bei Kleidung und sogar bei der Innenausstattung eines Autos oder beim Möbelkauf müsste man darauf achten kein Leder zu kaufen. Auch einige Putzmittel enthalten tierische Fette und in Zahnpasta ist mitunter Knochenmehl enthalten. Bei Bürsten und Bettdecken muss man auf Borsten und Daunen tierischen Ursprungs achten. Es gibt sogar Fotopapier das Gelatine enthält und einige LCD Fernseher enthalten tierisches Cholesterin.
Ernährt ihr euch vegan und achtet ihr auch im Alltag darauf tierische Produkte zu vermeiden? Oder ist euch das nur bei der Ernährung wichtig und ansonsten eher zweitrangig? Verurteilt ihr es, wenn veganer im Alltag tierische Produkte nutzen?
Dummerweise ist es genauso widersprüchlich, wenn ein Veganer Ersatzprodukte benutzt. Nehmen wir als Beispiel mal Schuhe aus "veganem Leder". Das ist nur ein nettes Wort für Kunstleder, das aus einer Art Plastik besteht. Plastik wird bekanntlich aus Erdöl hergestellt und da fängt das Problem schon an.
Erdöl ist natürlich auch ein tierisches Produkt, aber darauf will ich hier nicht hinaus. Die Tiere sind schließlich schon sehr lange tot und wahrscheinlich auf natürlich Weise gestorben. Aber sicher ist dir bewusst, wie Erdöl gefördert wird und wie die Umwelt darunter leidet. Schon albern, wenn so ein selbstgerechter Veganer etwas von "ohne Tierleid" erzählt während Millionen von Tieren an den Risiken und Nebenwirkungen der Erdölförderung sterben.
Ich verurteile Leute nicht für die Produkte, die sie nutzen, das muss im Endeffekt jeder selber wissen. Was ich verurteile ist diese überlegene Haltung, die solche Leute manchmal an den Tag legen, während sie auf solche Werbeversprechen wie "veganes Leder" hereinfallen, weil sie damit ihr Selbstbild bestätigen können.
Nicht zu vergessen die Kosmetikprodukte, wo der rote Farbstoff auch aus Schildläusen gewonnen wird. Das vergessen viele Veganer auch gerne. Viele Medikamente enthalten auch entweder tierische Bestandteile oder aber werden durch Tierversuche gewonnen, sodass darauf ja auch verzichtet werden müsste, wenn man es genau nimmt.
Ergänzend zu Cloudy möchte ich den Sojakonsum kritisieren. Dieser muss nämlich oft auf riesigen Plantagen als Monokultur angebaut werden und das führt zu Bodendegradation, Desertifikation und zu Verlust von Lebensraum. Nur weil man also auf ein Steak verzichtet, müssen viele andere Tiere sterben, weil deren Lebensraum immer kleiner wird und sie keinen Platz und keine Nahrung mehr finden. Das finde ich auch ziemlich scheinheilig.
Ich habe nichts dagegen, wenn man so lebt wie man möchte, was ich nicht leiden kann ist, wenn man so tut als wäre man moralisch überlegen und dann mit erhobenem Zeigefinger herumfuchtelt als wäre man wirklich was besseres. Leider sind die meisten Veganer so, die ich kenne und das finde ich nervig und scheinheilig, weil sie nicht sehen (wollen), dass sie durch ihr Verhalten die Welt keinesfalls verbessern, sondern das Tierleid nur anders konzentrieren statt es auszumerzen.
Natürlich ist der Sojaanbau auch nicht gut für die Umwelt. Aber was ist schon gut für die Umwelt, wenn Lebensmittel in riesigen Massen hergestellt werden müssen, um die Erdbevölkerung ernähren zu können? Außerdem muss man da doch natürlich auch unterscheiden, ob es sich um Futtersoja handelt oder nicht. Der Anbau von Futtersoja für Tiere ist natürlich nicht mit dem Anbau von Soja gleichzusetzen, der für uns Menschen ist. Soja ist nicht gleich Soja.
Wenn Soja tatsächlich nur angebaut werden würde, um von Menschen gegessen zu werden, dann gäbe es das ganze Öko-Problem nicht. Der Sojaanbau ist nur deshalb so problematisch, weil es als Futtermittel für Schweine und andere Tiere gilt. Da sind wir wieder dabei, dass eben doch Fleischesser und nicht Veganer das Problem sind, wenn es um die Sojadebatte geht.
Ich finde schon, dass es zum Vegansein dazugehört, sich nicht nur vegan zu ernähren, sondern auch vegan zu leben. Leider ist das tatsächlich sehr schwer. Es sind ja quasi überall tierische Produkte drin, bei vielen Sachen weiß man es auch gar nicht. Ich finde es aber in erster Linie wichtig, dass man es einfach versucht und ein Bewusstsein dafür entwickelt.
Also für mich gehört zur veganer Ernährung nicht unbedingt, dass man auch die vegane Lebensweise mitmacht. Es gibt zum Beispiel bei einigen Erkrankungen die Empfehlung, dass der Patient sich bitte vegan ernähren soll, sprich auf alles Tierische verzichten soll. Einigen Menschen geht es damit sehr gut, die Erkrankung ist eingedämmt. Das bedeutet aber nicht, dass diese Menschen die vegane Lebensweise unterstützen und sie auch so führen.
Dann gibt es aber noch die Definition von "vegan", bei der es auch auf die Lebensweise ankommt. Und ehrlich gesagt, ich finde es nervig. Denn wenn man mal genau hinschaut, ist die vegane Lebensweise auch nicht unbedingt vegan. Ich wäre aber dafür, dass zwischen veganer Ernährung und veganer Lebensweise eine Trennung stattfindet. Das würde es vielen einfacher machen und würde auch Vorurteile aus der Welt räumen.
Denn nicht jeder, der vegan isst, lebt nicht auch vegan. Für einige Menschen ist Veganismus die Philosophie an sich, nichts Tierischen zu essen und zu nutzen. Bei anderen ist eine vegane Ernährung gesundheitlich zielführender und wiederum andere sind Teilzeit-Veganer. Laut Definition wäre halt Ersteres richtig, aber es ist wie bei Vielem; es gibt wiederum viele Nuancen.
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