Was haltet ihr von geplantem Sozialkreditsystem in China?
Lascar, Gorgens Übersetzung des lateinischen Spruchs ist halt extrem frei. Da wird die Unterscheidung von jovis und bovis schwer. Eigentlich heißt es " "Was den Jupiter (jovis) erlaubt ist, ist dem Ochsen (bovis) nicht erlaubt." Und das passt absolut nicht, wie du richtig erkannt hast, zum Thema der sozialen Kontrolle in China. Denn da ist die Gruppe derer, die nicht kontrolliert werden, so klein, dass es für die Bevölkerung von arm bis reich ziemlich egal ist.
Und zu Aiwanger und seinem Flugblatt passt es auch nicht. Denn dann müsste die Nummer schlichtweg übersehen und nicht kritisiert werden. Außerdem kann man die Nummer nicht als kleine Jugendsünde sehen. Denn was der Holocaust bedeutet, sollte in dem Alter klar sein.
Außerdem sollte man die Bayerische Verfassung beachten. Die besagt in Artikel 131: Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden. Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt. Die Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen.“
Da zeigt sich nun aber weniger das Versagen Aiwangers oder seines Bruders. Vielmehr wird deutlich, welche Gesinnungen damals an Gymnasien zumindest geduldet worden sind. Das war in Nordrhein-Westfalen nicht anders. Ein Drittel des Lehrkörpers war tiefbraun, eins bestand aus Alt-68ern und der Rest war wahlweise christlich, sozialdemokratisch oder pädagogisch bewegt.
Hier zu behaupten, dass die elektronische soziale Kontrolle auch nicht anders ist als das Verbot, den Holocaust zu verharmlosen, und dass es hierzulande Sprechverbote gäbe, ist nun wirklich billigstes Framing!
cooper75 hat geschrieben:Vielmehr wird deutlich, welche Gesinnungen damals an Gymnasien zumindest geduldet worden sind.
Der Aiwanger ist ja sogar etwas jünger als ich, aber wir sind zu einer ähnlichen Zeit im Gymnasium gewesen. Ich versuche gerade mich zu erinnern, welche Gesinnung damals dort vorgeherrscht hat.
Klar, zumindest ein Teil der Lehrerschaft war sicher rechtskonservativ gewesen. Auch meine damalige Deutschlehrerin scheint bis heute als hochbetagte Frau noch mit entsprechenden Meinungsäußerungen zu glänzen. Zumindest meine Mutter erzählt mir davon gelegentlich. An antisemitistische Einstellungen kann ich mich allerdings nicht erinnern, jedenfalls hat niemand im Unterricht solche Äußerungen getätigt oder gutgeheißen. Andererseits ist das Thema Antisemitismus aber auch nicht ausführlich besprochen worden. Wahrscheinlich haben sich damals viele Leute (Lehrer, Elternschaft) davor gedrückt, eine eindeutige Meinung zu haben.
Mit dem Threadthema des Sozialkreditsystems in China hat das allerdings höchstens am Rande zu tun.
Na gut, mein "Whataboutism" war wohl etwas ungeschickt in der Wahl der Beispiele. Mein Einwand, dass es in Deutschland eben mit der Meinungsfreiheit nicht grenzenlos bestellt ist, sollte besser etwas klarer formuliert werden. Und ja, es gibt Leute, die dürfen den Mund ziemlich voll nehmen. Andere Otto Normalverbraucher eben nicht. Das wäre meine zu einem Wort zusammengedampfte Ansicht.
Da muss ich unbedingt noch auf einen Umstand hindeuten, der mir dazu einfällt. Vor Gericht wird ein Abiturient oft anders eingeschätzt als jemand mit zum Beispiel "nur" Hauptschulabschluss. "Sie haben doch Abitur und sind ein intelligenter Mensch, dann hätte sie wissen müssen etc." heißt es dann vielleicht in der mündlichen Urteilsbegründung oft. Das Strafmaß fällt dann für denjenigen mit höherem Bildungsgrad schärfer aus.
Gerichte machen nicht selten individuelle Schuld vom Schulabschluss abhängig. Das kann im Einzelfall völlig anders sein. Die Gerichte machen es sich da aber oft zu einfach, indem nicht alle deliktrelevanten und sozialen Umstände des Delinquenten ausreichend gewürdigt werden. Wie lässt sich das in Einklang bringen mit dem Verdikt: "Vor dem Gesetz sind alle gleich"?
Mit Meinungsäußerungen irgendwelcher Art könnte man ja hier die Probe aufs Exempel machen. Ich bin aber zu derartigem Harakiri heute nicht in der richtigen Laune. Denn ich könnte mir gut vorstellen, dass das für mich der Rauswurf aus diesem Forum bedeutete.
Selbstverständlich geht es in diesem Beitrag in erster Linie um das Sozialkreditsystem in China. Die Chinesen haben ihre Gründe dafür. Und die Bedenken, dass es 1:1 auch hierzulande einmal eingeführt würde, lassen sich leicht zerstreuen.
Allerdings mit dem Thema Meinungsfreiheit befinden wir uns strenggenommen wieder in einer anderen Diskussion. Aber zu diesem Thema passend: Im Privatleben dürfen Chinesen auch sagen, was sie wollen. Anders sieht das wohl aus, wenn sie ihre Meinung in irgend einer Form öffentlich machen.
Gorgen_ hat geschrieben:Mein Einwand, dass es in Deutschland eben mit der Meinungsfreiheit nicht grenzenlos bestellt ist, sollte besser etwas klarer formuliert werden.
Alles in allem ist es aber in Deutschland mit der Meinungsfreiheit schon sehr gut bestellt, wenn man es mit vielen anderen Ländern vergleicht. Man kann ja wirklich fast alles sagen und man kann auch die Politiker bzw. die politischen Richtlinien problemlos kritisieren, ohne dass die Gefahr besteht, verhaftet, verschleppt oder sonstwie drangsaliert zu werden. Die wesentlichen Grenzen der Meinungsfreiheit befinden sich wohl hauptsächlich da, wo es um menschenfeindliche, gewaltverherrlichende oder stark diskriminierende oder verhetzende Aussagen geht. Alles andere kann man ja eigentlich sagen, ohne in ernsthafte Schwierigkeiten zu geraten.
lascar hat geschrieben:Die Grenzen der Meinungsfreiheit befinden sich wohl hauptsächlich da, wo es um menschenfeindliche, gewaltverherrlichende oder stark diskriminierende oder verhetzende Aussagen geht. Alles andere kann man ja eigentlich sagen, ohne in ernsthafte Schwierigkeiten zu geraten.
Da gehe ich voll d'accord. Kann mich noch an das 20 Einsatzwagen große Polizeiaufgebot erinnern, wo vielleicht ein Fähnlein von etwa zehn "selbstdenkenden" Demonstranten riefen "Weil muss weg".
Sagen darf man was schon. Ich kann mich auch an keine Festnahme in diesem Zusammenhang erinnern. Aber die Polizei zeigt auch Präsenz. Könnte mir vorstellen, dass ein gewisses Einschüchterungspotenzial ausgeschöpft wird. Wenn es dazu dient, Ausschreitungen im Keime zu ersticken, ist das ja auch völlig in Ordnung.
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