Verletzen Erbschaften die Chancengleichheit?
Der Berliner Professor Stefan Gosepath, der sich seinerseits als Philosoph und Gerechtigkeitsexperte bezeichnet, fordert eine gänzliche Abschaffung von Erbschaften. Das würde für gleiche Startchancen der Menschen und für eine fairere Gesellschaft sorgen. Die Erbschaftssteuer solle somit auf 100% erhöht werden und das eingenommene Geld soll dann in die soziale Infrastruktur fließen. Nur so könne man der ungleichen Vermögensverteilung entgegenwirken. Diese Forderung klingt für mich nicht sehr realistisch, aber was haltet ihr denn davon? Hätten wir eine gerechtere und ausgeglichenere Gesellschaft, wenn Erbschaften ganz abgeschafft würden?
In dem besagten Beitrag wurde schon hinreichend kontrovers diskutiert. Ein Ansatz fehlt mir bei all der Betrachtung: Genau mit diesen gleichmacherischen Ideen hat der Kommunismus einen besseren Menschen und eine bessere Gesellschaft herbeiführen wollen. Dass man mit hehren Ideen die Welt auch zugrunde richten kann, haben wir alle am Zusammenbruch des Kommunismus in der UDSSR etc. anschaulich vor Augen geführt bekommen.
Die grobe Fehleinschätzung ist, dass von einem "idealen" Menschen ausgegangen wird, der im Stadium Zeitpunkt Null genau derselbe Mensch ist, mit allen Talenten und Fähigkeiten ausgestattet, wie alle anderen. Aber dem ist nicht so. Ein Anreiz zur Leistung ist und bleibt eben das Streben nach persönlichem Gewinn. Fragen Sie das einmal einen ehemaligen DDR-Bürger. Der wird Ihnen nämlich genau das sagen, warum der real existierende Sozialismus gescheitert ist.
Ich glaube nicht, dass sich Menschen Mühe im Leben geben, wenn am Ende eh kein Kind etwas erben kann. Dann würden sicherlich weniger Menschen ein Haus kaufen oder sich überlegen, was sie sich überhaupt anschaffen. Für mich ist es vollkommen okay, wenn es Erbschaften gibt und es manche Kinder einfach leichter haben.
Das ist vollkommen okay und der Lohn harter Arbeit für die Wirtschaft. Man kann mit eigener Arbeit auch nach oben kommen, wenn man sich entsprechend ins Zeug legt. Ich finde man sollte die Bedingungen im Leben gleich gestalten, mehr in Bildung investieren und die Chancen der jungen Menschen erhöhen eine Arbeit zu haben, ein Teil der Wirtschaft zu werden.
Ramones hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass sich Menschen Mühe im Leben geben, wenn am Ende eh kein Kind etwas erben kann.
Eine etwas sonderbare Einstellung zum Leben. Also geben sich kinderlose Menschen keine Mühe im Leben? Und wer weiß, was das, was man vererbt, in zwei Generationen noch Wert ist.
Meine Oma lebte in der DDR und hat sich am Ende ihres Lebens angeblich von verschimmelten Lebensmitteln ernährt, um ihren Söhnen etwas vererben zu können. Nach ihrem Tod bekam jeder 3000 Ostmark, also praktisch nichts.
Ich kenne den Vorschlag von diesem Herrn aus dem Thread nicht. Man sollte aber differenzieren, was vererbt wird, ob es eine Firma, ein Haus, ein Bauernhof, etwas wertvolles für die Familie Persönliches oder sonst etwas ist. Ganz abschaffen ist mir zu radikal. Sonst würde man es vorher geschickt verschenken.
Außerdem unterscheiden sich die Chancen, materiell reich zu sein oder zu werden, nicht durchs Erben, sondern schon wesentlich früher, oft schon bei der Geburt.
blümchen hat geschrieben:Ich kenne den Vorschlag von diesem Herrn aus dem Thread nicht.
Eine Pressemitteilung steht hier. Es gibt aber noch zu bedenken, welche Konsequenzen ein Wegfall des Erbes bedeuten könnte. Schon einer der großen deutschen Denker postulierte und mahnte mit den Worten: "...Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es um es zu besitzen..."Insofern ist diese gesellschaftliche Diskussion nicht gerade neu.
Alles kassiert der Staat dann ein. Und ist das Vertrauen in den Staat dann tatsächlich so groß, dass dadurch nicht wieder Cliquen- und Schattenwirtschaft befördert würde, wie wir es vom Komsomolzen- und Funktionärswesen der totalitär geführten Staaten her kennen dürften?
Besser wäre es doch, ein Erbe anders zu klassifizieren. Erbe nicht gleichzusetzen mit uneingeschränkt verwertbarem Eigentum, sondern den Grundsatz "Eigentum verpflichtet" hier mit einfließen zu lassen. Dies könnte beispielsweise besser durch eine feiner graduierte Erbschaftssteuer geschehen.
Oft ist es doch so, dass händeringend nach Firmennachfolgern gesucht wird, um nicht einen Betrieb nach Ableben des Inhabers abwickeln zu müssen. Würde jetzt noch das Erbvermögen vom Staat einkassiert, nicht etwa vom durch "Zugewinn von Todes wegen" wieder ins Geschäft gesteckt, dann gäbe es m.M.n. gerade im so wie so nicht rosig bestellten Mittelstand massive Probleme.
Das führte dann auch dazu, dass es Großkonzerne wesentlich leichter hätten, die Kleinen aufkaufen zu können. Denn sie kassieren dann ja indirekt das Erbvermögen, wenn sie es formaljuristisch geschickt anstellen.
Ramones hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass sich Menschen Mühe im Leben geben, wenn am Ende eh kein Kind etwas erben kann.
Sprich, ihr Eltern würdet allesamt auf der Couch verrotten und jeden Cent für Koks und Nutten verprassen, wenn die Kinder nicht wären? Das könnte ich mir nicht leisten, ich muss für mein Altenteil zurücklegen, da ich niemandem zur Last und auf die Nerven fallen kann, wenn ich tattrig und senil bin.
Ich denke auch, dass die Chancengleichheit nicht erst beim Erbe ausgehebelt wird, sondern praktisch schon bei der Zeugung. Allein die Hautfarbe, der Name und die Adresse machen vom ersten Atemzug an oft einen größeren Unterschied als das Erbe, dass dir mit 50 in den Schoß fällt oder auch nicht.
Würde man Erbschaften pauschal von Staats wegen einkassieren, fänden die "Reichen" wie immer ihre Schlupflöcher, und die Mehrheit würde eben versuchen, mit dem Geld bis zum eigenen Lebensende gut hinzukommen, wenn es sowieso nichts mehr zu vererben gibt.
Man darf auch nicht vergessen, dass Pflegebedürftigkeit am Lebensende bei "normal" aufgestellten Leuten oft alle Rücklagen auffrisst, sodass die Erben sowieso nichts mehr abbekommen. Ich glaube auch nicht, dass es der Chancengleichheit tatsächlich aufhilft, wenn keiner mehr eine Chance hat, durch Erbe die eigene Lebenssituation aufzubessern oder für das eigene Alter vorzusorgen.
Was würden denn die Menschen machen, die größere Erbschaften hinterlassen? Sie würden die Schlupflöcher nutzen. Spontan fällt mir die Schenkung ein, welche ja nur innerhalb der 10 Jahresfrist zum Erbe deklariert wird. Würde man diese Möglichkeit auch abschaffen, so schreibt niemand einen Verkaufspreis vor. Meine Mutter könnte mir also ihren Besitz für den obligatorischen Euro verkaufen. Konten könnten schon auf mich umgeschrieben werden, so dass es am Ende gar kein Erbe gibt.
Zudem wird niemand daran gehindert sich selbst ein Vermögen aufzubauen, um es mal besser zu haben, als die Eltern oder Großeltern. Sicherlich wird der Weg bei vielen Menschen steiniger sein, als wenn man schon einen gewissen Grundstock erbt. Aber möglich ist es immer, wenn man es wirklich will.
Die Ungerechtigkeiten fangen ja nicht erst beim "Erben" an. Man fühlt sich geradezu genötigt, derartigen Weltverbesserern viel drängendere gesellschaftliche Ungereimtheiten vor Augen zu führen. Die vielgepriesene Chancengleichheit wird doch quasi schon im Vorschulalter ausgehebelt. Es wird zwar offiziell immer so schön von Inklusion oder Chancengleichheit bei Ausbildung und Studium geredet, womit jedem der Zugang zu lukrativen Posten gewährleistet würde.
Dass Bildung, Schule und Studium Zuträger zu gesellschaftlichen Positionen darstellen, wird jedem klar, der sich einmal das Prüfungswesen anschaut. Klar, um die vielgepriesene Chancengleichheit zu propagieren, kann ohne Studiengebühren jeder ein Studium anfangen. Oder Halt, wozu gibt es den Numerus Clausus eigentlich? Und um die Zahl der arbeitslosen Akademiker immer genau so klein zu halten, wie es die Gesellschaft und die Wirtschaft gerade so verkraften, schaffen längst nicht alle Bachlors den gewünschten Abschluss.
Die Durchfallquoten liegen meinem Kenntnisstand nach so im 20 Prozentbereich. Und in anderen Bereichen ist es ähnlich. Da werden Quoten eingeführt, oder noch perfider, Prüfungsfragen, die richtig beantwortet worden waren, einfach aus der Wertung genommen, gerade wie es der Quote gerade passt. Wer spricht da noch von Chancengleichheit. Prüfungen fragen, dergestalt verstanden, kein Wissen ab, sondern dienen dann eher als wohlfeiles Selektionsinstrument.
Und was machen die Leute, die durchfallen? Sie fallen ins Bodenlose, haben keinerlei Berufsabschluss und keinen Anspruch auf staatliche Transferleistungen, da sie ja nie "gearbeitet" haben. So lange sich dieses Bildungssystem noch den Luxus leisten kann, mit Humanpotenzial derart verschwenderisch umzugehen, gibt es den Begriff Chancengleichheit eigentlich nicht. Die Gesellschaft ist eben nicht klassenlos. Wer etwas anderes behauptet, verkennt die Realitäten.
Und Erbe ist praktisch das Ergebnis von nicht selten sehr harter Arbeit von mehreren Generationen. Aber Doktortitel werden nicht vererbt, sie müssen mühsam von Generation zu Generation neu erworben werden. Also reduziert sich der hier gemeinte Begriff Erbe nur auf Finanzielles. Und der Neid der Besitzlosen schimmert da deutlich durch, wenn man solche Statements, wie vom Herrn Professor oben, hört.
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